Donnerstag, November 7

Nicht einmal drei Stunden dauerte der Koalitionsausschuss der Spitzen von SPD, Grünen und FDP. Offenbar kam es wegen der Schuldenbremse zum Bruch.

Düster war es am Firmament der Ampelregierung schon länger geworden. Doch in den vergangenen Tagen zogen besonders schwere Gewitterwolken auf, seit der deutsche Finanzminister Christian Lindner in einem Positionspapier tiefgreifende Reformen für den Wirtschaftsstandort Deutschland gefordert hatte, viele davon im Gegensatz zu zentralen Vorhaben von SPD und Grünen. Nun hat sich dieses Unwetter entladen, und die deutsche «Fortschrittskoalition» ist Geschichte.

Nur wenige Stunden nachdem die Spitzen von SPD, Grünen und Liberalen am Mittwoch zusammengekommen waren, um miteinander zu verhandeln, kündigte der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz die Zusammenarbeit mit seinem liberalen Finanzminister Lindner auf. In Berlin kursierten dazu zunächst zwei Erzählungen. Die erste lautete: Lindner habe dem Kanzler aufgrund der verfahrenen Situation der Koalition Neuwahlen vorgeschlagen. Das habe Scholz abgelehnt.

Die zweite Lesart lautete: Der Bundeskanzler habe vorgeschlagen, die Schuldenbremse auszusetzen, vor allem angesichts der Wahl von Donald Trump in den USA und der schwierigen Situation der deutschen Wirtschaft. Diese Lesart bestätigte Scholz selbst, als er vor die Presse trat.

Riskierte Scholz vorsätzlich einen Bruch?

Mehrfach sprach der Kanzler davon, dass eine Priorisierung bei den Ausgaben, ein «Entweder-oder», spalterisch sei. «Dieses Entweder-oder ist Gift.» Es sei Wasser auf die Mühlen von Demokratiefeinden. Und es sei vor allem «vollkommen unnötig». Geht es nach Scholz, dann gibt es Lösungen, wie man Deutschlands Gemeinwesen «sicher finanzieren» könne. Das Grundgesetz sehe eine solche Möglichkeit ausdrücklich vor. Gemeint war, die Schuldenbremse auszuhebeln.

Scholz’ Vorschlag ist bemerkenswert, schliesslich hatte Lindner in der Vergangenheit mehrfach deutlich gemacht, dass er auf der Schuldenbremse beharren wolle. Scholz konnte also durchaus wissen, dass er damit einen Bruch der Koalition riskieren würde.

Trotzdem machte Scholz Lindner in seiner Erklärung schwere Vorwürfe und gab ihm allein die Schuld für den Bruch der Koalition. «Wer sich in einer solchen Lage eine Lösung verweigert, der handelt verantwortungslos», sagte er. Zu oft habe der Finanzminister in der Vergangenheit Gesetze blockiert, zu oft habe er «kleinkariert» parteipolitisch taktiert. Er selbst hingegen habe das Wohl des Landes im Blick.

Scholz’ Lesart war deutlich: hier der verantwortungsbewusste Bundeskanzler, dort der politische Hasardeur Christian Lindner. Auch Lindner hat allerdings in den vergangenen Tagen mehrfach hervorgehoben, dass es ihm vor allem um das Wohl das Landes gehe. Er schlug vor, Ausgaben stärker zu beschneiden, insbesondere den Sozialetat. Eine Aussetzung weiterer Regulierungen gehörte ebenfalls zu seinen Vorschlägen. Das Land brauche eine echte wirtschaftspolitische Wende.

Kurz nach Scholz trat auch Lindner vor die Presse. Er sprach von einem «kalkulierten Bruch der Koalition» durch den Bundeskanzler. Dessen «genau vorbereitetes Statement» belege, dass es Scholz «längst nicht mehr um eine für alle tragfähige Einigung ging». Er selbst habe klare Vorschläge für Reformen unterbreitet, sagte Lindner. Sie seien jedoch von SPD und Grünen «nicht einmal als Beratunsgrundlage akzeptiert» worden. Die Vorschläge des Kanzlers nannte Lindner «matt und unambitioniert». Sie leisteten keinen Beitrag, um die grundlegende Wachstumsschwäche des Landes zu überwinden.

Am Abend kündigte FDP-Fraktionschef Christian Dürr an, dass sich alle Minister der Partei aus der Regierung zurückziehen werden. Damit ist die Ampel Geschichte.

Neuwahlen im März

Scholz will nun mit zusätzlichen Schulden die Energiepreise dämpfen und die Industrie stützen. Er kündigte zudem an, die Ukraine stärker militärisch zu unterstützen. Dem Land stehe ein «harter Winter» bevor.

Das weitere politische Vorgehen, um diese Ziele zu erreichen, umriss der Kanzler ebenfalls. Er setzt nun auf die Zusammenarbeit mit dem Oppositionsführer Friedrich Merz von den Christlichdemokraten. Für den Januar kündigte er an, die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Ein Neuwahltermin soll für den März angesetzt werden.

Die kommenden Tage werden zeigen, welche Interpretation sich in der Öffentlichkeit durchsetzt, die von Bundeskanzler Scholz oder die vom geschassten Lindner. Und auch, ob das Gewitter, das nun über Deutschland niedergeht, als reinigend empfunden wird oder nicht.

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