Die Elektroauto-Branche hat einen schlechten Lauf: Eine negative Nachricht folgt auf die nächste. Bei Kunden, Herstellern und in der Politik ersetzt deshalb ein neuer Realismus bisherige rosarote Zukunftsszenarien. Die Branche erreicht dadurch eine neue Phase.
An den genialen Erfinder und Elektroingenieur Nikola Tesla erinnert man sich heutzutage vor allem deshalb, weil er Namensgeber für den Elektroautohersteller Tesla Inc. und den Elektrolastwagenbauer Nikola Corporation ist. Tesla galt als Exzentriker. Besonders in den ersten Jahrzehnten war sein Lebensweg geprägt von Aufs und Abs, Fortschritten und Rückschlägen. Dieses Wechselspiel zeigt sich nun auch beim Umstieg auf die E-Mobilität. Derzeit hat das Elektroauto ein Tief, die negativen Nachrichten dominieren. Fällt die Elektrorevolution aus?
Grüner Wirtschaftsminister kippt die E-Auto-Prämie
Der Verkauf reiner E-Autos nimmt zwar in den grossen Märkten weiter zu, doch die Wachstumsdynamik hat sich meist verlangsamt. Im Leitmarkt China, wo knapp die Hälfte aller Elektrofahrzeuge weltweit verkauft wird, ist der Absatzanstieg im vergangenen Jahr auf knapp 40 Prozent gesunken, nach 94 Prozent im Vorjahr. Etwas weniger stark ausgeprägt zeigt sich diese Entwicklung auch in den USA sowie in Deutschland, Europas Autoland Nummer eins. Letzteres liegt nur zum Teil daran, dass der gesamte europäische Automarkt schwach ist und die Verkäufe deutlich unter dem Vorkrisenniveau des Jahres 2019 notieren.
Die Zahlen zeigen, dass der Markt ohne Staatshilfe schwächelt. Eine wichtige Ursache für die Ernüchterung sind wegfallende Kaufprämien. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass in Deutschland ausgerechnet die Ampelregierung um den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck im Dezember quasi über Nacht das Aus für die E-Auto-Kaufprämie noch vor dem Jahreswechsel angekündigt hatte. Der Grund war die pure Geldnot. Viele Kunden, die bereits ein Batterieauto bestellt hatten, waren entsetzt. Vorübergehend sind die Hersteller mit Rabatten eingesprungen. Doch wenn diese in den kommenden Wochen auslaufen sollten, könnten die Elektroautoverkäufe noch stärker absacken.
Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika sollte dem Elektroauto im Rahmen der Inflation Reduction Act (IRA) mit kräftigen Subventionen Anfahrhilfe geleistet werden. Ausgelobt war eine staatliche Förderung von bis zu 7500 Dollar beim Kauf eines Batteriefahrzeugs. Doch auch in den USA lässt der E-Auto-Rausch nach. Zudem hat die Regierung zum Jahreswechsel strengere Kriterien für die Vergabe von Subventionen in Kraft gesetzt. Dadurch fallen nicht nur mehrere Modelle amerikanischer, sondern auch ausländischer Hersteller zumindest vorübergehend aus der Förderung heraus. Sollte Donald Trump die Wahl gewinnen, könnten die Subventionen sogar ganz gestrichen werden.
Allerdings waren die Kaufprämien auch schon zuvor an Bedingungen geknüpft. So mussten die geförderten Fahrzeuge in Nordamerika gefertigt werden und gewisse Anforderungen für die Batterien erfüllen. Die Regierung von Joe Biden nutzte also die Förderung auch zur Industriepolitik, sprich zur Unterstützung vor allem heimischer Hersteller und zur Marktabschottung vor zu viel ausländischer Konkurrenz. Bei Letzterem hatte Washington vor allem chinesische Hersteller im Visier, und leider ist Brüssel drauf und dran, sich vom gesamtwirtschaftlich schädlichen Protektionismus anstecken zu lassen.
Rabatte sollen Kunden die E-Autos schmackhaft machen
In Deutschland dürfte sich die Abschaffung der «Umweltprämie» als schwere Belastung für den Markt für Elektrofahrzeuge entwickeln, wie erste Verkaufszahlen bereits zeigen. Wo nicht gefördert wird, werden Elektroautos schnell zum Ladenhüter. Das gilt nicht nur für Deutschland. Die Entwicklung hat Folgen, denn Kunden passen nicht nur ihre Kaufentscheidungen an, sondern verlieren womöglich auch das Vertrauen in den Umstieg auf die E-Mobilität. Experten erwarten, dass der Verbrenner dieses Jahr Marktanteile zurückgewinnt, obwohl die Autokonzerne wohl nicht mehr nur in China, sondern zunehmend auch in Europa auf Rabatte für Elektroautos zur Marktdurchdringung setzen.
Zugleich passen sich auch Hersteller an die enttäuschenden Verkäufe an. So hat Mercedes-Benz seine vollmundigen Elektroziele für die kommenden Jahre revidiert. Der Hersteller von Oberklassefahrzeugen wollte 2030 möglichst nur noch vollelektrische Fahrzeuge an die Frau und an den Mann bringen. Nach den jüngsten Prognosen der Stuttgarter dürfte der Absatz von E-Autos und Plug-in-Hybriden bis zum Ende des Jahrzehnts jedoch nur rund die Hälfte des Gesamtabsatzes ausmachen. Der Konzernchef Ola Källenius will jetzt taktisch flexibel agieren; viel anderes bleibt ihm auch nicht übrig. Mercedes-Benz ist kein Einzelfall. In den USA haben Ford und General Motors (GM) beispielsweise ebenfalls angekündigt, geplante Investitionen rund um die Elektromobilität zu verschieben, teilweise sogar auf unbestimmte Zeit.
Auch bei potenziellen oder bestehenden reinen Elektroautoherstellern reiht sich schlechte Nachricht an schlechte Nachricht. So teilte Apple jüngst mit, seine Pläne für ein eigenes Elektroauto einzustellen. Der Handyhersteller hatte wohl vor allem damit geliebäugelt, ins Geschäft mit autonom fahrenden Robotertaxis einzusteigen, um dadurch auch Serviceeinnahmen zu generieren. Die Einstellung des Fahrzeugprojekts ist nach rund zehn Jahren Arbeit und angeblich zweistelligen Milliardeninvestitionen eine herbe Enttäuschung für die Szene.
Ein Auto ist eben doch mehr als ein Handy auf vier Rädern. IT-Konzerne, die Autobauer zu Hardware-Lieferanten degradieren wollten, müssen feststellen, dass der Bau eines Automobils nicht so banal ist wie vielleicht anfangs gedacht. Die Untergangsszenarien für die traditionellen Autohersteller haben sich jedenfalls als verfrüht erwiesen. Umgekehrt machen diese die gleiche Erfahrung, wenn sie selbst Software für ihre Fahrzeuge konstruieren wollen. Der vollständige Eintritt in eine andere Branche ist eben sehr schwierig, deshalb werden sich künftig neue Geschäftsmodelle und Kooperationen ergeben. Apple hat mit seiner Handy-Funktion Carplay zumindest einen Fuss in der Fahrertür der Autohersteller, Ähnliches gilt für Google.
Zugleich kämpfen kleinere Elektroautohersteller mit dem Umfeld, wie das Beispiel dreier amerikanischer Firmen zeigt. Fisker hat Anfang März davor gewarnt, dass man möglicherweise nicht mehr in der Lage sei, den Betrieb fortzuführen. Das Unternehmen benötigt offenbar zusätzliches Eigen- oder Fremdkapital. Auch die Konkurrenten Rivian und Lucid mussten jüngst Rückschläge hinnehmen. Geopolitische Unsicherheiten, das wirtschaftliche Umfeld in vielen Ländern und die hohen Zinsen belasten das Geschäft im Elektromarkt nahezu weltweit.
Darüber hinaus bestehen manche Elektroautos den Praxistest offenbar nicht, wie die Beispiele von Mietwagenfirmen zeigen, die zuvor als Antreiber der Elektrowende galten. Hertz teilte vor einigen Wochen mit, wegen Schäden und hoher Reparaturkosten rund 20 000 Autos seiner Elektroflotte in den USA, überwiegend Teslas, verkaufen und durch Verbrenner ersetzen zu wollen. Auf hohe Reparaturkosten hatte auch schon Sixt verwiesen. Die Firma kündigte zudem an, wegen schwacher Wiederverkaufswerte keine Teslas mehr zu vermieten.
Hohe Preisabstände zwischen E-Autos und Verbrennern
Die Preisabstände von E-Autos zu Verbrennern sind immer noch hoch, das belastet vor allem das Klein- und Mittelklassesegment, wo auch Subventionen die grösste Rolle spielen. Zugleich kommt der Ausbau der Ladeinfrastruktur und der Stromnetze nicht so schnell voran wie gehofft und gewünscht. Zur Verunsicherung der Käufer tragen zudem die niedrigen Wiederverkaufswerte von E-Autos auf dem noch kleinen Gebrauchtwagenmarkt sowie einbrechende Restwerte von Leasing-Fahrzeugen bei. Für Unterstützung sorgen gegenwärtig vor allem noch Unternehmenskunden, die ihre Fahrzeugflotten auf Elektroautos umstellen, um dadurch ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Trotz dem derzeit schlechten Lauf der Elektroautos ist jedoch eines klar: Die Veränderung der Antriebsformen von Personenwagen, Bussen und Lastwagen weg vom Verbrenner und hin zu umweltfreundlicheren Technologien ist angesichts des Klimawandels unabdingbar und unaufhaltsam. Der Elektroantrieb in seinen verschiedenen Ausprägungen wird dabei in den kommenden Jahren die entscheidende Rolle spielen. Die Hersteller haben dazu derzeit keine Alternative. Die Elektrorevolution fällt also nicht aus, aber sie verzögert sich.
Jüngst betonte sogar die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen, dass die Brüsseler Entscheidung zum «Verbrenner-Aus» im Jahr 2035 überprüft werde. Oft werde vergessen, dass 2026 eine Bestandsaufnahme und eine Prüfung des Beschlusses stattfinden werde, um Offenheit für Technologien und Wahlmöglichkeiten für Konsumenten sicherzustellen, sagte sie. Auch die Industrie solle wählen können, wo sie investiere und worin sie die Mobilität der Zukunft sehe. Das sind völlig neue Töne aus Brüssel. Sie sind ein weiteres Signal dafür, dass bisherige rosarote Wunschvorstellungen endlich einem gewissen Realismus weichen.
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