Freitag, Oktober 18

Die Schweiz wagt einen zweiten Anlauf mit der E-ID, nachdem der erste an mangelnder Legitimität gescheitert ist. Mit der Bundeslösung ist die Legitimität gesichert, genügend Nutzungsvolumen kann aber nur die Wirtschaft bieten.

Die elektronische Identität (E-ID) schien vor zwei Jahren in der Schweiz vor dem Durchbruch. Der Bund wollte sich dem internationalen Wettbewerb stellen, um unter den digitalisierten Staaten einen Schritt aus dem europäischen Mittelfeld in die vorderen Ränge zu machen. Dieser Versuch ist deutlich gescheitert, denn das halbprivate Geschäftsmodell konnte das Volk nicht überzeugen.

Der Bund nimmt nun einen zweiten Anlauf und wagt es, eine eigene E-ID zu veröffentlichen. Der politische Wille ist dieses Mal sicherlich geeinter: Alle Bundeshausfraktionen haben gleichlautende Motionen eingereicht, die auf das rasche Einführen einer E-ID pochen. Die Frage kommt somit auf, wie eine Nutzung im Alltag mit staatlicher Legitimität vereint werden kann.

Das Beispiel Dänemark

Eine E-ID, die nur für Behördengeschäfte nutzbar ist, wird sich nicht durchsetzen. Zu begrenzt sind die Anwendungsmöglichkeiten, da Bürgerinnen und Bürger (glücklicherweise) nur wenige Interaktionen mit dem Staat bewältigen müssen. In Ländern wie Dänemark kann man sie daher auch bei privaten Unternehmen wie Banken nutzen, denn sie gilt als offizielle Möglichkeit der digitalen Identifizierung. Heute ist es dort so, dass die deutliche Mehrheit der Nutzungen der E-ID gegenüber Unternehmen erfolgt. Dänemark hat erkannt, dass eine E-ID nur mit möglichst vielen alltäglichen Anwendungsmöglichkeiten ihre Wirkung erzielen kann. In eine ähnliche Richtung geht ein White Paper von der Initiative Digitalswitzerland, die ein ganzes Ökosystem rund um die E-ID entwickeln möchte.

Es ist ausserdem essenziell, dass die Zugänglichkeit der E-ID so einfach wie möglich gestaltet wird. Proaktive Dienste der Verwaltung sind in der Schweiz nichts Neues. Alle Männer bekommen ohne Aufwand ihrerseits im achtzehnten Lebensjahr ein Aufgebot für die Informationstage betreffend den Militärdienst, und auch die jungen Frauen werden auf die Armee aufmerksam gemacht.

Zudem muss man sich nicht selbständig darum kümmern, die Steuerunterlagen zu bestellen, sondern bekommt diese automatisch zugesendet. Auch die E-ID muss daher proaktiv angeboten werden. Sei es bei der Einbürgerung oder bei der Verlängerung von Pass und Identitätskarte – direkt als Standardoption muss die Bestellung einer E-ID dazugehören.

Föderalismus einbeziehen

Über den Föderalismus wird oft und gerne lamentiert, insbesondere beim Thema der Digitalisierung. Jetzt ist es an der Zeit, von der dezentralen Innovationskraft zu profitieren und von kleineren, erfolgreichen Ansätzen zu lernen. Das Ziel der E-ID muss es sein, einfach in kantonale Applikationen einbaubar zu sein, beispielsweise in mobile Dienstleistungen.

Zudem muss geklärt werden, wie das elektronische Patientendossier (EPD) oder der E-Impfausweis aufgenommen werden können. Auch für solche grösseren Anwendungen muss gelten, dass diese schnellstmöglich zusammengeführt und im E-ID-Wallet vereinigt werden.

Im Sinne einer Entwicklungsplattform sollen das Wallet und die E-ID als Grundlage für kantonale Weiterentwicklungen dienen. Es ist ermutigend, zu sehen, dass bereits Bund, einzelne Kantone, Städte und bundesnahe Organisationen an der Ausbaufähigkeit des Wallet arbeiten. In den derzeitigen Tests fehlt aber noch der Multiplikator der Privatwirtschaft, insbesondere aus dem Dienstleistungssektor. Nur dadurch kann eine sinnvolle und im Alltag nutzbare E-ID eingeführt werden.

Fokus auf Datenschutz legen

Im Vorschlag, der zum ersten Mal 2017 vorgestellt wurde, sollte die E-ID von privaten Identity-Providern ausgegeben werden. Doch dieses Vorgehen stiess auf Kritik. Schon 2019 wurde im Parlament die Frage gestellt, ob der Bund mit der Identifikation der Bürgerinnen und Bürger eine der Kernaufgaben aus der Hand geben wolle. Die Legitimität der Lösung war die Schwachstelle, und das Schweizer Stimmvolk lehnte in der Abstimmung 2021 mit einer deutlichen Mehrheit den damaligen Vorschlag ab.

Für den neuerlichen Anlauf der Schweizer E-ID konnte das Problem der Legitimität grösstenteils gelöst werden. Der Bund wird die neue Lösung selbst ausgeben. Auch wurde die Entscheidung getroffen, noch nicht alle technischen Details zu klären, sondern den Fokus auf den Datenschutz zu legen («Self-Sovereign Identity») und die Anbindung an internationale Standards zu gewährleisten.

Die Schweiz hat heute die Gelegenheit, das Beste aus beiden Welten zu bekommen. Die Fehler aus der Vergangenheit wurden korrigiert, und auch die Wirtschaft scheint an Bord zu sein. Es ist jetzt wichtig, eine zeitnahe Einführung ins Auge zu fassen und möglichst von Beginn an alltägliche Nutzungsmöglichkeiten einzubinden. Denn nur so hat die E-ID eine Chance, die angestrebte Wirkung zu erzielen.

Kuno Schedler ist Professor für Public Management an der Universität St. Gallen. Lukas Zumbrunn ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Universität St. Gallen.

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