Mittwoch, Oktober 2

Der Gesangswettbewerb bekommt Unterstützung von Interessengruppen aus der Stadt – und von einem prominenten Engadiner.

Als die EDU ihren Angriff gegen den Eurovision Song Contest (ESC) verkündet, wundert sich Christian Jott Jenny. Der Gemeindepräsident von St. Moritz nimmt zur Kenntnis, wie die christlich-konservative Partei den Gesangswettbewerb als «antisemitische» Veranstaltung kritisiert, in der «okkulte und satanistische» Botschaften verbreitet würden.

Sie will deshalb in den Bewerberstädten Zürich, Genf, Basel und Bern/Biel das Referendum gegen den ESC ergreifen. Unterstützung erhält sie von der Jungen SVP. Der Widerstand richtet sich gegen die Unterstützungsbeiträge, die die Parlamente in den letzten Wochen gesprochen haben. In Zürich etwa wurden 20 Millionen Franken bewilligt. Aus Sicht der EDU ist dies reine Geldverschwendung, weil der Gesangswettbewerb Millioneneinnahmen generiere.

Jenny hat für diese Ansicht überhaupt kein Verständnis. Er ist sich sicher: Die Stadt würde vom ESC profitieren. «Seien wir ehrlich, Zürich ist nicht Berlin, nicht Barcelona und schon gar nicht London. Wir sind ein Weltkaff. Aber verdammt gute Gastgeber.» Für ihn steht deshalb ausser Frage: «Wir sollten uns von der besten Seite zeigen.» Mit dem ESC werde die Stadt zum Nabel der Welt. Den Anlass nicht zu unterstützen, wäre aus seiner Sicht «fahrlässig».

Jenny ist Teil des Unterstützungskomitees «Züri isch ESC», das sich als Reaktion auf den Widerstand der EDU gebildet hat. Es setzt sich zusammen aus Zürich Tourismus, City Vereinigung Zürich, Zürcher Hotellerie-Verein, Gastro Stadt Zürich sowie der Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse. Neben Christian Jott Jenny haben sich Persönlichkeiten wie der Moderator Kurt Aeschbacher, Gastronom Michel Péclard oder die GLP-Ständerätin Tiana Angelina Moser dem Komitee angeschlossen.

Der Tenor lautet: Die gesprochenen Gelder lohnten sich, weil sie ein Mehrfaches an Wert für den Grossraum Zürich auslösten. Jenny sagt dazu: «Ob St. Moritz oder Zürich: Wenn man grossartige Events in seiner Gemeinde will, die Touristen, die Geld und Ruhm bringen, muss man etwas dafür tun.» Ausserdem sei Gesang Kultur, und Kultur müsse man fördern. «Ich persönlich habe den Sankt-Moritzer-See als Austragungsort vorgeschlagen. Dieser schmilzt jedoch im Mai meist.»

Ein Mittel gegen das Image der grauen Stadt

Auch der Direktor von Zürich Tourismus, Thomas Wüthrich, findet: Der ESC wäre beste Werbung. Nach wie vor hafte Zürich das Image einer grauen, langweiligen Bankenstadt an, sagt er. «Anlässe wie der ESC können helfen, dieses Bild zu korrigieren.»

Bestes Beispiel, dass dies funktioniere, sei die Street Parade. Aber auch das Sechseläuten oder das Trachtenfest zeigten die Vielseitigkeit der Stadt. «Wer einmal bei uns in Zürich war, sieht es danach mit ganz anderen Augen.» Das zeige die Marktforschung.

Vom ESC profitiere aber nicht nur die Stadt mitsamt Hotellerie, Gastronomie und Detailhandel, sondern auch die ganze Region, wenn die Delegationen der teilnehmenden Länder Ausflüge unternähmen. Der positive Effekt, sagt Wüthrich, werde nachhaltig sein. Deshalb seien die Mitfinanzierung durch die öffentliche Hand gerechtfertigt.

Zürich Tourismus selbst will für den ESC einen «grösseren sechsstelligen Betrag» plus Arbeitsleistungen sprechen. Eine grössere Summe liege kaum drin: «Ein finanzielles Engagement in diesem Rahmen ist für uns recht ungewöhnlich. Aber der ESC ist wichtig.»

Anders als die EDU ist das Komitee der Meinung, dass der Gesangswettbewerb keine Plattform für eine gesellschaftspolitische Auseinandersetzung sei. Der Fokus liege auf dem kulturellen Austausch und der Freude an der Musik, die Menschen zusammenbringe.

«Unbezahlbare Werbung»

Der Präsident der City Vereinigung, Milan Prenosil, hält eine finanzielle Beteiligung der Stadt ebenfalls für gerechtfertigt. «Die Stadt selbst profitiert, der Wirtschaftsraum auch, Zürich erhält eine internationale Sichtbarkeit. Diese Art von Werbung ist unbezahlbar.»

Mit dem ESC habe die Stadt die Gelegenheit, sich als weltoffen und fröhlich zu zeigen. Gleichzeitig würden Millionen von Franken an Wertschöpfung generiert. Deshalb sei es wichtig zu signalisieren: «Wir stehen hinter diesem Anlass.»

Klar ist aber: Kommt das Referendum in Zürich zustande, wird die Stadt zumindest darüber nachdenken, ob sie die 20 Millionen Franken wirklich ausgeben will. Man werde eine Auslegeordnung vornehmen, hiess es letzte Woche gegenüber der NZZ.

Und die Zeit drängt: Bereits Ende August will die SRG darüber entscheiden, in welcher Stadt der Wettbewerb durchgeführt werden soll. Eine Volksabstimmung zum ESC-Kredit könnte aber frühestens diesen November stattfinden. Der Anlass selbst findet dann im Mai nächsten Jahres statt. Die Zeit drängt also.

Was aber, wenn die ESC-Finanzierung durch die öffentliche Hand scheitert? «Das wäre eine Schande für die Schweiz», sagt Christian Jott Jenny. «Es würde dem Ansehen unseres Landes schaden, aber noch viel schlimmer, dem Ansehen der direkten Demokratie, die wir so hochhalten.» Er findet: «Wenn ein paar wenige der Mehrheit in die Suppe spucken, hat das nichts mit Demokratie zu tun.»

In Zürich wird sich im Spätsommer entscheiden, ob das Referendum der EDU zustande kommt. Bis zum 9. September hat sie Zeit, die nötigen Stimmen zu sammeln.

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