Mittwoch, Oktober 9

Im Oberland und im Glatttal plante Zürich einst selber Hochleistungsstrassen. Nun will der Bund sie bauen, aber das dauert.

Die eidgenössische Volksabstimmung vom 24. November über den Ausbau der Nationalstrassen dreht sich um sechs Abschnitte. Sie liegen an den beiden Enden der A 1 in St. Gallen und vor Genf, dazu kommen zwei Teilstücke bei Bern. Die beiden weiteren Projekte in Basel und Schaffhausen sind wie jenes in St. Gallen Tunnelbauten.

Gemeinsam ist den sechs Vorhaben, dass sie im Programm «Engpassbeseitigung» des Bundesamts für Strassen (Astra) figurieren. Es geht also nicht um eine Verlängerung des Nationalstrassennetzes, sondern um eine Erhöhung der Kapazität, um die Überlastung eines Abschnitts mit chronischer Staubildung zu beheben.

Dass der staugeplagte Kanton Zürich hier nicht vorkommt, mag auf den ersten Blick erstaunen. Allerdings wird der grösste Engpass in der Region mit dem Ausbau der Zürcher Nordumfahrung auf sechs Spuren samt drittem Tunnel durch den Gubrist bis 2027 in beiden Richtungen beseitigt.

Von der K 10 zur Glatttalautobahn

Das Astra plant zwei weitere Grossprojekte im Raum Zürich: die Glatttalautobahn und die Oberlandautobahn. Beide sind neue Verbindungen. Laut der Planung des Bundes werden sie erst in der nächsten Ausbauphase nach 2040 realisiert. Gemeinsam ist ihnen ausserdem, dass der Kanton Zürich diese Strassen ursprünglich plante. Später konnte er sie an den Bund abtreten.

Warum baute der Kanton Zürich überhaupt Autobahnen? Das 1960 festlegte Netz der Nationalstrassen diente nicht nur der Bewältigung des steigenden Strassenverkehrs. Ziel war in guteidgenössischer Manier auch, alle Kantonshauptorte miteinander zu verbinden.

Deshalb blieben da und dort bevölkerungsreiche Gebiete ohne Anschluss an das Netz. Auch andere Kantone erstellten Hochleistungsstrassen, wie man sie in Abgrenzung zu den Nationalstrassen oft nannte. Im Kanton Zürich zählen dazu auch die Forchautostrasse und die vierspurige Verbindung zwischen Kloten und Bülach.

Die ebenso kantonale Oberlandautobahn wollte man ursprünglich von Brüttisellen über Kloten und Bassersdorf bis an die Nordumfahrung bei Zürich Seebach mit dem Unterland verknüpfen. Davon übrig blieb der Stummel, der in Brüttisellen an der Kantonsstrasse endet. Deshalb spricht man noch heute vom Brüttiseller Kreuz, obwohl es beim Anschluss der Oberlandautobahn an die A 1 blieb.

Die zuerst zweispurig geplante Verbindung im Glatttal trug lange die Bezeichnung K 10, wobei K für Kantonsstrasse steht. Früh zeigte sich, dass die zuerst geplante Variante zu einer Überlastung des kantonalen Strassennetzes in Brüttisellen und im Raum Bassersdorf/Kloten führen würde. Deshalb verschob man den östlichen Anschluss von Brüttisellen weiter nach Norden, nach Baltenswil.

Später wurde die Linienführung geändert, und zwar definitiv, wie die NZZ 2004 meldete, und fertiggestellt sollte die Strasse 2027 sein. Es kam anders. Doch seither führt die geplante Glatttalautobahn direkt zum Anschluss Zürich Nord, also an die Verzweigung von Flughafenautobahn und Nordumfahrung. Lange war von einem «Bypass» die Rede.

Inzwischen hatte sich nämlich die A 1 bei Wallisellen zu einem Stauschwerpunkt mit hohem Infarktrisiko entwickelt. Es ist heute mit etwa 140 000 Fahrzeugen an einem Werktag der am meisten befahrene Strassenabschnitt der Schweiz. Deshalb nahm der Bund die Glatttalautobahn als neues Netzelement mit der künftigen Nummer A 121 in seine Planung auf.

Die neun Kilometer lange vierspurige Verbindung verläuft zum grössten Teil unterirdisch. Eine Besonderheit besteht darin, dass es zu einem Abtausch der Trassees mit den SBB kommt. Mit dem Ausbau der Verbindung nach Winterthur werden die Schienen bei Dietlikon verschoben. Damit lässt sich der Anschluss der Glatttalautobahn bei Baltenswil einfacher und günstiger realisieren.

Das Astra rechnet für den Bau dennoch mit Kosten von 3 Milliarden Franken. Zum Gesamtprojekt gehört neben dem Ausbau der Flughafenautobahn auf sechs Spuren auch noch die Erweiterung der A 1 von Wallisellen bis nach Winterthur Töss auf acht Spuren.

Derzeit schätzt das Astra die Gesamtkosten grob auf 5,2 Milliarden Franken. Das ist mehr als für die sechs Projekte, um die es am 24. November geht. Der Terminplan rechnet frühestens kurz nach 2050 mit der Eröffnung der Glatttalautobahn. Der Abschluss des Gesamtprojekts soll ab 2061 erfolgen.

Tunnel von Uster bis Hinwil?

Die Glatttalautobahn gilt als Engpassbeseitigung. Ein anderer Fall ist die Oberlandautobahn. Sie gehört zu jenen kantonalen Projekten, die der Bund auf das Jahr 2020 hin übernahm. Damit ist er auch für die Fertigstellung dieser Verbindung zwischen der A 1 im Glatttal und der A 3 in der Linthebene zuständig.

Die Geschichte ist wenig erspriesslich und bekannt. 1978 eröffnete der Kanton den Abschnitt von der Kantonsgrenze bei Rüti bis zum Autobahnkreisel Betzholz bei Hinwil. Bis Ende der 1980er Jahre folgte in zwei Etappen der Bau von Brüttisellen bis nach Oberuster. Dazwischen klafft seither eine Lücke von zehn Kilometern.

Geplant war eine Linienführung durch die mehrfach geschützten Drumlins, eine vom Linthgletscher geformte Landschaft aus länglichen Hügeln und Feuchtzonen. Auch die teilweise Verlegung der Strasse in Tunnel nützte nichts. Im Juni 2012 lehnte das Bundesgericht den Bau dieser Variante ab.

Was seither geschah, zeigt, wie schwierig es heute ist, eine neue Strasse zu bauen. Zwar änderte der Kanton rasch die Pläne. Nun sollte die Autobahn mehrheitlich im Tunnel südlich am Schutzgebiet vorbei zur Forchautostrasse führen. Doch schon der Umstand, dass bei Gossau aus topografischen Gründen ein kurzes Stück überirdisch verlaufen müsste, weckte Widerstand in der Gemeinde.

Als der Bund die Planung übernommen hatte, klärte er deshalb auch die Möglichkeit ab, die Strasse tief unter der Moorlandschaft durch den Fels zu bohren. Dafür hat er bis diesen Sommer 43 Sondierbohrungen durchgeführt. Damit nicht genug. Im Aatal sollte die Oberlandautobahn über einen Viadukt führen. Um auch diesen möglichen Stein des Anstosses zu beseitigen, prüft das Astra nun noch durchgehende Tunnel von Oberuster bis Hinwil-Betzholz.

Inzwischen gibt es zehn verschiedene Varianten, um die Lücke in der Oberlandautobahn zu schliessen. Man fragt sich, was die Darstellung des Astra eher dokumentiert: die Sorgfältigkeit der Abklärungen oder die Ratlosigkeit.

Die Variante «Tunnel tief lang» würde auch bedeuten, dass Wetzikon, das einst zwei Anschlüsse erhalten sollte, nicht mehr direkt an die Oberlandautobahn angebunden wäre. Vor allem aber steigen die Kosten, je mehr eine Strasse in den Untergrund verlegt wird. Bis 2012 rechnete man für die zehn Kilometer Strasse mit rund 1,2 Milliarden Franken. Heute stehen in den Unterlagen des Astra 1944 Millionen, mit einem Stern versehen, weil die Zahl ungewiss ist.

Nein würde Zürcher Projekte gefährden

Der Flop des früheren Projekts hallt nach. In einer Antwort an den Kantonsrat zitiert die Zürcher Regierung aus einer Stellungnahme des Astra. Das Schlüsselprojekt Oberlandautobahn werde konsequent und entschlossen vorangetrieben, heisst es da. Gleichzeitig wird betont, oberste Priorität habe die Erarbeitung eines genehmigungsfähigen Projekts. Die Umsetzung hänge von der sorgfältigen Planung ab und nicht vom Bedürfnis nach einer möglichst raschen Realisierung.

Eine Voraussetzung ist zudem die Zustimmung zur Vorlage am 24. November. Der «Zürcher Oberländer» zitierte kürzlich den Astra-Direktor Jürg Röthlisberger, der sagte, ein Nein wäre eine «völlig neue Ausgangslage», die auch die Oberlandautobahn grundsätzlich infrage stellen würde. Ende November gehe es um eine Prinzipienfrage.

Falls die Vorlage angenommen wird, bleibt noch die Frage, ob der Bund willens ist, nach 2040 gleichzeitig zwei milliardenteure Strassenvorlagen im Kanton Zürich zu realisieren. Das kann dem freundeidgenössischen Einvernehmen abträglich sein.

Werden Prioritäten gesetzt, hat die Glatttalautobahn vermutlich die besseren Karten. Hier geht es darum, ob die Hauptschlagader A 1 im Schweizer Autobahnnetz bei Zürich funktionstüchtig bleibt. Das hat wohl mehr Gewicht, als Wetzikon und Hinwil sowie ein paar weitere Gemeinden im Oberland vom Durchgangsverkehr zu befreien.

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