Die aggressive Handelsstrategie ihres Präsidenten verunsichert die Amerikaner. Manche kaufen noch rasch ein Auto oder ein Smartphone. Andere halten das Geld zusammen.

Die amerikanischen Konsumenten sind die Helden, die seit Jahren die Weltwirtschaft am Laufen halten. Wie es ihnen nach Trumps Zollfurioso geht, weiss aber niemand so richtig. Seit Monaten äussern sie sich in Umfragen sehr pessimistisch zur Zukunft: Die Inflation werde stark ansteigen, das Wirtschaftswachstum sinken. Gleichzeitig haben sie im Schnitt nicht zurückgesteckt, sondern einfach weiter konsumiert.

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«Im Schnitt» ist die entscheidende Einschränkung: Die reichsten zehn Prozent der Amerikaner, die wertmässig fast die Hälfte des Konsums bestreiten, kauften seit Trumps Amtsantritt weiter fleissig ein, weil ihre Aktienportfolios noch immer deutlich im Plus waren und sie sich reicher fühlten. Mit dem jetzigen Einbruch am Aktienmarkt kann sich das aber rasch ändern.

Es wird gehortet

Die neueste Zollrunde bringt aber ein anderes Phänomen hervor: Es wird gehortet. «Diese Einkaufswagen sind voll bis unter den Rand, und das mitten an einem Donnerstag», sagte eine CNBC-Reporterin, die sich vor einem grossen Walmart und einem Costco in Teterboro, einer Agglomerationsgemeinde ausserhalb von New York, in Stellung gebracht hatte.

Viele Amerikaner rechneten schon länger damit, dass sie bald Hamsterkäufe tätigen würden. In einer aussergewöhnlich grossen, von drei amerikanischen Universitäten durchgeführten Umfrage um den Jahreswechsel sagten 43 Prozent der befragten Konsumenten, dass sie wahrscheinlich Güter auf Vorrat kaufen und horten würden, um Zöllen zuvorzukommen. Die Befragung fand noch vor Trumps Amtsantritt statt – als die Wall Street mit einem milden, verhandlungswilligen Präsidenten rechnete.

Viele Konsumenten erwarteten aber damals schon hohe Zollsätze von 50 Prozent gegen China. Jetzt, da sich diese Furcht bestätigt hat, handeln sie. In San Francisco berichten Apple-Verkäufer, dass sich die Kunden rasch noch ein iPhone sichern wollten, bevor der Zollhammer falle. Apple selbst hat zwar noch nicht gesagt, ob und wie stark es seine Preise wegen der Zölle erhöhen wird. Aber die Kunden rechnen. Die wertvollsten Komponenten des Smartphones werden allesamt in asiatischen Ländern hergestellt, die hohe Strafzölle auferlegt bekommen haben.

Apple würde nach Einschätzung von Branchenanalysten selbst im besten Fall mehrere Jahre brauchen, um seine Lieferkette in den USA neu aufzubauen. Die Produkte würden zudem viel teurer, wenn Apple sein iPhone von Amerikanern zusammenbauen liesse statt von chinesischen oder indischen Arbeitern.

Alles muss raus

Frühe Torschlusspanik kam bereits bei Autokäufern auf, denn der Import von Fahrzeugen wird schon seit dem 3. April mit Zöllen von 25 Prozent bestraft. Autohändler im ganzen Land berichteten im März von Ausverkaufsstimmung.

David Idell, der Geschäftsführer von Sunset Honda, einem Autohändler in der kalifornischen Kleinstadt San Luis Obispo, sagte dem Lokalsender KSBY News, dass man die Hälfte der März-Verkäufe in den letzten zehn Tagen des Monats abgewickelt habe. Auch auf der Website zählte er 50 Prozent mehr Besucher als üblich.

Der Ausverkauf führt zu zwei Effekten: Erstens wird das amerikanische Handelsbilanzdefizit gegenüber manchen Ländern vorübergehend noch grösser ausfallen als bisher. Zweitens vermitteln die hohen Verkaufszahlen die falsche Sicherheit, dass die Konsumenten trotz Zöllen weiter munter einkaufen. Aber wer sich im März ein Auto zulegt, wird sich im Mai nicht noch eines besorgen. Es ist daher zu erwarten, dass die Verkaufszahlen für diese gehorteten Güter in den kommenden Monaten erst recht einbrechen werden.

Die KMU leiden besonders

Für Grossunternehmen wie Apple oder Nike, die im Ausland produzieren, ist die Situation schwierig genug. Aber immerhin beschäftigen sie zahlreiche Lieferketten-Experten, die jetzt nach Lösungen suchen können.

Amerikas KMU sind der präzedenzlosen Zollstrategie von Trump noch stärker ausgeliefert. Viele verharrten schon vor dem 2. April im Wartemodus, weil sie nicht wussten, wie Trumps Endspiel im Handelsstreit aussehen würde. Gegenüber Kanada und Mexiko wurden seit Ende Januar Zölle mehrfach angedroht, aufgeschoben, doch noch eingeführt und nach einem Tag zumindest teilweise wieder aufgehoben.

Die amerikanischen Medien berichteten ausführlich über die unglücklichen Unternehmer, deren Ladung aus Mexiko wegen einer Verzögerung genau an jenem Tag die Grenze passierte, als Anfang März vorübergehend Zölle von 25 Prozent auf alles anfielen.

Von Land zu Land

Noch schwieriger ist die Situation für amerikanische KMU, die auf Importe aus China angewiesen und jetzt mit Zöllen von über 50 Prozent konfrontiert sind. Diese Geschäfte ringen seit Monaten um die richtige Strategie, manche Firmen versuchten, sich neue Lieferanten ausserhalb Chinas aufzubauen – selbst in normalen Zeiten ein schwieriges Unterfangen. Kleinunternehmer können nicht einfach so nach Asien fliegen, um Lieferanten zu treffen.

Manche hatten dieselbe Strategie angewandt wie die grossen Schuhhersteller und setzten auf Vietnam oder Indonesien; Länder, die bereits dabei waren, China als globale Werkbank abzulösen. Jetzt werden auch sie von hohen Importabgaben getroffen. Andere KMU gehen gleich vor wie die Konsumenten: Man macht im Ausland noch einen letzten fast zollfreien Grosseinkauf und zehrt möglichst lange davon.

Greg Shugar, Eigentümer des Fliegen-Produzenten Beau Ties, hat Ende 2024 dreimal so viel Seide aus China bestellt wie üblich: schwarze Stoffe für Fliegen, die zum Smoking passten, dazu viel Rot und Marineblau, erzählt er dem «Wall Street Journal». Shugars Firma stellt die Fliegen selbst in einer Fabrik im kleinen nördlichen Gliedstaat Vermont her – und gehört damit zu jener produzierenden Industrie, die Trump fördern möchte. Shugar sagt, er sei so zwar den Zöllen zuvorgekommen, doch habe die Lieferung sehr viel Kapital gebunden, das er jetzt nicht ins Wachstum investieren könne.

Die KMU waren optimistisch

Diese Klagen, die nun geteilt werden, vermitteln natürlich ein verzerrtes Bild; Unternehmerinnen und Unternehmer, denen es gut geht, melden sich kaum bei den Medien. Viele haben im Herbst Donald Trump gewählt, weil sie seine Strategie unterstützen, den Staat zu verkleinern, die Steuern zu senken und unnötige Regeln abzubauen. Diese machen den kleinsten Unternehmen besonders zu schaffen. Die Hoffnung auf diese Schritte ist immer noch intakt.

In der vielbeachteten monatlichen Umfrage der National Federation of Independent Business, eines KMU-Verbands, zeigten sich die Unternehmer im Februar noch immer ziemlich optimistisch zur Zukunft, vermeldeten aber bereits rekordhohe Unsicherheit. Und seit Februar ist die Lage nicht übersichtlicher geworden.

Trump hat das Messer auch bei der Small Business Administration (SBA) angesetzt, einer Behörde, die KMU mit günstigen Krediten und technischem Rat unterstützt und den Firmen auch nach Naturkatastrophen unkompliziert hilft. Die SBA verliert jetzt zwei Fünftel ihrer Belegschaft. Trump hat zudem eine Regel aus der Biden-Zeit aufgehoben, wonach der amerikanische Bundesstaat bis zu 15 Prozent seiner Aufträge an KMU vergibt. Firmenchefs, die einer Minderheit angehören oder aus armen Verhältnissen stammen, profitierten besonders vom Programm.

Von einem präzedenzlosen Moment spricht Natalie Madeira Cofield gegenüber der «New York Times». Ihre Organisation, die Association for Enterprise Opportunity, unterstützt Kleinstunternehmen. «Für KMU-Eigentümer fühlt es sich wie ein Tornado an.»

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