Donnerstag, Mai 8

Die jährlich ausgetragene Weltmeisterschaft bangt um ihre Zukunft, der frühere Präsident René Fasel spricht sich für Reformen aus. Immerhin kann Kanadas Lichtgestalt Sidney Crosby in Schweden für Ablenkung sorgen.

Wenn am Freitag in Stockholm und der dänischen Kleinstadt Herning die Eishockey-WM beginnt, wird es nicht an Attraktionen mangeln. Der Gastgeber Schweden wartet bereits seit 2018 auf einen Finaleinzug und tritt mit allerlei Top-Spielern an. Kanada kann auf Nathan MacKinnon zählen, den drittbesten Skorer der abgelaufenen NHL-Qualifikationsphase. Und auf den mittlerweile 37-jährigen Weltstar Sidney Crosby.

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Für den Eishockey-Weltverband (IIHF) sind das höchst willkommene Protagonisten, denn die jährlich stattfindende A-WM ist seine mit Abstand wichtigste Einnahmequelle. Da trifft es sich schlecht, dass das Turnier zunehmend an Bedeutung verliert. Schon immer gab es punkto Qualität enorme Fluktuationen – das ist unvermeidbar bei einem Anlass, der während der NHL-Play-offs stattfindet.

Doch der Druck wird noch zunehmen, spätestens ab Februar 2028, wenn die NHL auf europäischem Boden den «World Cup of Hockey» reaktivieren und dafür – wie während der Olympischen Spiele – die Meisterschaft unterbrechen wird. Das bedeutet: Alle Nationen treten in Bestbesetzung an, voraussichtlich im Vierjahresturnus alternierend zum Olympiaturnier.

An der WM ist das nicht annähernd der Fall. Die USA etwa stellen mehr als 300 NHL-Profis, treten in Herning aber mit einem halben Dutzend College-Spielern an. Es ist ein Trend, der sich noch akzentuieren dürfte; es würde nicht überraschen, sollte die WM 2028 in Paris und Lyon nur knapp drei Monate nach dem World-Cup-of-Hockey-Höhepunkt die bisher am schwächsten besetzte WM des 21. Jahrhunderts sein.

Der frühere IIHF-Präsident René Fasel fordert Reformen

Einer, der sich um die Institution WM sorgt, ist René Fasel. Der 75-jährige Freiburger wirkte bis Herbst 2021 fast drei Jahrzehnte lang als IIHF-Präsident. Dem Fachmagazin «Slapshot» sagte er nun: «Die Zukunft der WM ist in grosser Gefahr. Man muss sich grundsätzliche Überlegungen machen. Wahrscheinlich sind 16 Mannschaften zu viel. Und drei Turnierwochen auch. Die Terminierung wird zunehmend schwierig. Momentan startet die WM in der zweiten Maiwoche. Die Regular Season der NHL endet Anfang April. Wie viele Spieler sind bereit, sich für eine WM so lange fit zu halten? Es braucht Reformen.»

Es sind Aufgaben für Fasels Nachfolger, den Franzosen Luc Tardif, der auch die Verhandlungen mit der NHL um den World Cup of Hockey moderieren muss. Noch ist unklar, welche Spielorte infrage kommen, welche Teams antreten und wie der Kompensationsschlüssel aussieht.

Die WM in diesem Jahr jedoch wird von diesen Sorgen nicht überschattet. Gerade die Zusage von Crosby ist ein Segen für dieses Turnier. Crosby, 37, ist dreifacher Stanley-Cup-Sieger und eines von nur dreissig Mitgliedern des erlauchten «Triple Gold Club», in den nur Aufnahme findet, wer nicht nur NHL-Champion ist, sondern auch mindestens eine WM- und eine Olympia-Goldmedaille über dem marmornen Esstisch hängen hat.

Als Crosby 2005 von den Pittsburgh Penguins an erster Stelle gedraftet wurde, galt er als so etwas wie der rechtmässige Erbe Wayne Gretzkys. Die Erwartungen waren höher als der Himmel, sie hätten auch zur Bürde werden können. Doch Crosby wurde über Jahre zum Superstar der NHL, ein Musterprofi, der zum Posterboy einer neuen Ära wurde: Die NHL streifte mit ihm ihr Bad-Boy-Image ab; die brutalen Schlägereien wichen Spielwitz, Tempo und Spektakel. Eigentlich sagt ein Sachverhalt alles über seinen Status aus: dass es den Profis der übrigen 31 Teams freistünde, mit seiner Rückennummer zu spielen, was aus Ehrfurcht vor Crosby aber niemand tut – er ist die einzige 87 in der Liga.

Es ist selten geworden, dass ein Spieler mit seinem Status eine WM veredelt – schon gar nicht einer aus Nordamerika, wo das Turnier kaum Beachtung findet. Seit 2008 in Quebec hat kein WM-Turnier mehr in Nordamerika stattgefunden – es hat wenig Sinn, sich mit den NHL-Play-offs um das Scheinwerferlicht zu balgen.

Crosby selbst hat seit 2015 keine WM mehr absolviert. Doch der für seinen Ehrgeiz berüchtigte Center dürfte schlicht der Enttäuschungen überdrüssig sein: Crosby ist vom Management der Penguins in den letzten Jahren sträflich im Stich gelassen worden. Seit er 2017 an der Seite von Mark Streit letztmals den Stanley-Cup gewann, hat Crosby mit Pittsburgh keine einzige Play-off-Serie mehr gewonnen. Was eine Leistung ist gemessen am Umstand, dass die Penguins mit Crosby und dem Russen Jewgeni Malkin gleich zwei Superstars in ihren Reihen wissen.

In der ewigen Bestenliste überholt Crosby bald Mario Lemieux

Die lange Baisse der Penguins ist nicht die Schuld Crosbys. In der Liste der besten Skorer der NHL-Geschichte belegt er mit 1687 Punkten mittlerweile Platz neun. Auf Mario Lemieux, seinen Vorgänger als König von Pittsburgh, fehlen ihm nur noch 36 Punkte. In den ersten Jahren bei den Penguins war Crosby bei Lemieux einquartiert. Es ist nicht klar, wie lange er noch weiterspielt, sein Vertrag läuft noch bis 2027. Das ist genügend Zeit, um einige der längst zurückgetretenen Herren vor ihm zu überholen. Einzig die Bestmarke Gretzkys von 894 Toren und 1963 Assists ist eine für die Ewigkeit.

Für Kanada absolvierte Crosby im Februar das «4 Nations Face-Off», eine Art World-Cup-Vorläufer. Kanada triumphierte, was den Altstar zu revitalisieren schien. Er sagte: «Wenn ich länger nicht Schlittschuh laufe, merke ich das. Ich fühle mich nach langen Pausen schlechter. Das war anders, als ich jünger war.» Ohne WM-Teilnahme wäre Crosby vor seiner 21. NHL-Saison knapp ein halbes Jahr ohne Ernstkampf geblieben.

Mit ihm ist der Rekordweltmeister Kanada neben Schweden der Favorit auf Gold. Und wenn er die überforderten Gegner reihenweise aussteigen lässt, sind das für den Veranstalter willkommene Bilder, um das angeschlagene WM-Konstrukt vorteilhaft auszuleuchten.

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