Mittwoch, März 19

Der Dörlemann-Verlag hat sich mit Übersetzungen aus dem englisch- und russischsprachigen Raum einen Namen gemacht. Nun stellt er sich unter ein rasch wachsendes Dach in der Branche.

Vor 21 Jahren veröffentlichte Sabine Dörlemann als erstes Buch ihres neuen Verlags die Erzählung «Ein unbekannter Freund» des russischen Nobelpreisträgers Iwan Bunin. Darin steht der Satz: «Ich habe zufällig Ihr Buch gekauft und las ununterbrochen auf der Rückfahrt . . . und ich las, las und fühlte mich, ich weiss nicht, warum, fast qualvoll glücklich.» Seither folgte in ihrem Verlag Trouvaille auf Trouvaille. Sie vermögen ebensolche Momente, wie von Bunin beschrieben, auszulösen.

Am Montag hat Sabine Dörlemann nun bekanntgegeben, dass sie ihr Lebenswerk an Daniel Kampa und seinen Kampa-Verlag verkauft hat. Ende dieses Monats wird sie ihre Tätigkeit aufgeben. Man solle dann gehen, wenn es am schönsten sei, sagt Dörlemann. Im vergangenen Jahr wurde sie zur Verlegerin des Jahres gekürt.

Wertschätzung für die Übersetzer

Als Dörlemann sich 2003 trotz kriselnder Buchbranche an das Projekt wagte, sagte sie: «Alle Verleger wollen selber Entdeckungen machen und herausbringen, und genau das will ich jetzt auch.» Mut machte ihr die russisch-deutsche Übersetzerin Swetlana Geier: «Gründen Sie einen Verlag, und ich übersetze ein Buch für Sie!» Geier schenkte ihr schliesslich die Übersetzung von Bunin.

Dörlemann, gebürtige Westfälin, hatte als Lektorin bei den Zürcher Verlagen Haffmans und Ammann gearbeitet. Dann entschied sie sich für eine Auszeit und begab sie sich erst einmal auf Weltreise. In Myanmar und Australien beschloss sie, den Dörlemann-Verlag zu gründen. Diesen führte sie zunächst aus ihrer Dreizimmerwohnung an der Merkurstrasse 70 im Zürcher Quartier Hottingen. Dort, wo ein halbes Jahrhundert zuvor einen Stock tiefer Daniel Keel den Diogenes-Verlag gegründet hatte. «Es gibt immer ein paar Verwegene, die es wagen, und wird es immer geben», sagt Dörlemann im Gespräch.

Der Verlag in Zürich wird zum weltliterarischen Observatorium. Dörlemann selbst wirkt als Entdeckerin vergessener literarischer Schätze und füllt damit Lücken. Sie stöbert Bücher auf, die den grossen Häusern entgangen sind, führt Weltliteratur beim deutschen Publikum ein, macht vergessene Klassiker wieder zugänglich und vergisst dabei auch die hiesigen Autoren nicht.

Iwan Bunin, in Russland längst ein Klassiker der modernen Literatur, war hierzulande noch ein Geheimtipp. Dazu kamen übersehene Bücher von anerkannten Autoren: Tolstoi, Turgenjew, Henry James, Edith Wharton. Dörlemann, Anglistin und Amerikanistin, brachte in deutscher Übersetzung die Bücher des britischen Reiseschriftstellers Patrick Leigh Fermor und die Kriegsreportagen der Amerikanerin Martha Gellhorn heraus. Ihr Gespür wurde 2013 gleich doppelt belohnt: Alice Munro gewann den Nobelpreis für Literatur, Jens Steiner für «Carambole» den Schweizer Buchpreis.

Dörlemann hüllte die Werke in Leinenbändchen und sorgte dafür, dass auch der Name des Übersetzers ganz vorne auf dem Cover prangt.

Verlagsleitung gesucht

Als Dörlemann ihren Verlag Kampa zum Verkauf anbot, habe dieser sofort begeistert angenommen. Damit wächst das Dach des Kampa-Verlags. 2021 haben sich bereits der Salzburger Verlag Jung und Jung und kurz darauf der Frankfurter Schöffling-Verlag darunter gestellt.

Bei Kampa sei der Verlag in besten Händen, sagt Dörlemann. Kampa habe den grossen Vorteil, dass er den Vertrieb und das Backoffice für mehrere Verlage zusammenfassen könne. Das mache ihn wettbewerbsfähiger. Der Dörlemann-Verlag bleibe als eigenständige Firma mit Büros an der Neptunstrasse und eigenem Programm bestehen. Die Nachfolge für die Verlagsleitung soll baldmöglichst gefunden werden. Sabine Dörlemann selber wird erst einmal pausieren, wie sie sagt: «Und dann mache ich mich zu neuen Abenteuern auf.»

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