Montag, Januar 13

Seit 2021 haben die europäischen Banktitel den Markt jedes Jahr geschlagen. Trotz der Kursverdoppelung über diese Zeit ist die Bewertung des Segments dank sprudelnder Gewinne tiefer als damals und die Chance gross, dass die Valoren 2025 erneut überzeugen.

Es herrscht forsches Treiben bei den europäischen Banken: UniCredit will sich Commerzbank einverleiben – gegen den Willen der dortigen Führung und der deutschen Regierung. Doch unerschrocken baut die italienische Grossbank ihre Position weiter aus und hat vor Weihnachten vermeldet, sich Zugriff auf rund 28% am deutschen Institut gesichert zu haben.

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Parallel dazu hat UniCredit Ende November mitgeteilt, den heimischen Rivalen Banco BPM in einem Aktientausch zu einem Wert von 10 Mrd. € übernehmen zu wollen. Auch dieses Institut wehrt sich gegen die Avance.

In Spanien greift derweil BBVA nach Sabadell, mit einem ebenfalls unerwünschten Übernahmeangebot über rund 13 Mrd. €.

Die drei Beispiele zeigen: Die Bankmanager strotzen vor Zuversicht, sodass selbst Widerstand sie nicht von Vorstössen abhält. Zu überzeugt sind sie offenbar, dass die derzeitigen Börsenbewertungen Expansion zu einem sehr guten Preis zulassen.

Das mag erstaunen, haben Bankaktien doch bereits in den vergangenen vier Jahren den Markt deutlich geschlagen.

Eine tiefergehende Analyse aber zeigt: Die fundamental gute Verfassung der europäischen Banken könnte tatsächlich dafür sorgen, dass die Serie der Überperformance noch nicht zu Ende ist und Bankaktien auch dieses Jahr nochmals obenauf schwingen.

Gewinnerwartungen steigen

Die Trendwende hat bei den europäischen Banken nach der Pandemie eingesetzt, als nach Jahren der Enttäuschungen und andauernder Gewinnrevisionen nach unten der Optimismus zurückgekehrt ist. Seither geht es in die andere Richtung, und die Analysten schrauben ihre Gewinnerwartungen unablässig immer weiter nach oben – so auch mit Blick auf 2025:

Die Verdreifachung der Gewinnerwartung in den vergangenen vier Jahren relativiert so die Kursverdoppelung, die der Stoxx Europe 600 Banks über dieselbe Zeit markierte.

Zumal trotz der immer höher geschraubten Erwartungen eine Auswertung von UBS zeigt: Die meisten europäischen Banken haben mit ihren in den letzten vier Jahren vorgelegten Quartalsergebnissen jedes Mal noch besser abgeschnitten als erwartet.

Kurs steigt – Bewertung sinkt

Die Folge der sich öffnenden Schere zwischen der Gewinnerwartung und dem Kursverlauf ist, dass die Bewertung gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) trotz der Kursverdoppelung in den vergangenen vier Jahren gesunken ist.

Im Schnitt handeln die europäischen Bankaktien derzeit zu einem vorwärtsgerichteten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 7,4 und damit zu einem Abschlag von fast 25% auf den langjährigen Schnitt.

Zinsniveau gab Schub – und schürt nun Ängste

Ein Grund, warum die Investoren den immer höheren Gewinnerwartungen der Analysten nur zögerlich folgen, liegt in der Zinsentwicklung. Der Zinserfolg ist für die meisten Banken der wichtigste Gewinntreiber – und nach den seit 2022 steigenden Zinsen senken die Notenbanken das Niveau nun wieder.

Was das für die Banken bedeutet, zeigt folgende Grafik:

Seit Ende 2021 stieg der Zinserfolg der Banken massiv und erreichte Ende 2022 Zuwachsraten von mehr als 30% gegenüber dem Vorjahresquartal. Seither nehmen die Zuwachsraten ab, blieben bislang aber immer im positiven Bereich – mit Ausnahme des zuletzt vorgelegten dritten Quartals 2024. Die Angst ist: 2025 wird der Zinserfolg weiter abnehmen.

Auch die Analysten von Deutsche Bank sehen das so, allerdings gedämpft durch die Erwartung, dass die sinkenden Zinsen gleichzeitig die Kreditnachfrage wieder anziehen lassen. Während des Zinsanstiegs war sie markant rückläufig, nun zeigt sie wieder erste Wachstumssignale.

Zudem verweisen die Analysten darauf, dass der Zinserfolg der Banken dank dem Wachstum in den vergangenen drei Jahren 60% über den Werten von Ende 2021 liegt, und merken an: Die auch weiterhin höheren Zinsen haben die Gewinnkraft der Banken über längere Zeit auf ein höheres Niveau gehievt.

Gar noch einen Schritt weiter gehen die Analysten von UBS: «Es ist nicht korrekt, davon auszugehen, dass die Bankgewinne wegen sinkender Zinsen in den kommenden Jahren fallen werden», schreiben sie in einer Studie.

Einen Grund dafür sehen sie im wieder anziehenden Gebührengeschäft. Das werde insgesamt den Ertrag gar steigen lassen. Wegen ebenfalls anziehender Kosten erwarten sie zwar für das laufende Jahr leicht rückläufige Konzerngewinne – auf Stufe Gewinn je Aktie aber dennoch einen Zuwachs. Dies, weil die europäischen Banken im Schnitt planen, rund 4% ihrer ausstehenden Titel über Aktienrückkaufprogramme zurückzukaufen, was den Gewinn verdichtet und so die Entwicklung ins Positive drehen sollte.

Die Konsenserwartung geht davon aus, dass 2025 der den Aktionären zurechenbare Gewinn nochmals steigt und nach einer kleinen Delle im Folgejahr ab 2027 zu weiterem Wachstum zurückfinden wird.

Eigenkapitalrendite von mehr als 10%

Dieses höhere Gewinnniveau wirkt sich positiv auf die Rentabilität aus, im Schnitt hat sich auch die Eigenkapitalrendite verdoppelt: Während der Tiefzinsphase erreichten die europäischen Banken selten mal 5%, nun punkten sie mit im Schnitt 12%.

Auch diese Grafik zeigt: Die Eigenkapitalrendite ist zwar gestiegen, das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) hat aber nur zaghaft nachgezogen. Üblicherweise korreliert dieses Bewertungsmass im Bankensektor eng mit der erwarteten Rendite.

Auch der derzeitige Bewertungsschnitt der europäischen Banken zu 0,8 Buchwert (in der Grafik oben aus Darstellungsgründen um den Faktor 10 erhöht abgebildet) ist im historischen Vergleich damit weiterhin günstig.

Kapitalpolster verdoppelt

Besonders bemerkenswert ist die markante Steigerung der Eigenkapitalrendite, wenn man sich die deutlich verbesserte Kapitalausstattung vor Augen hält: Im Mittel verfügen die europäischen Banken inzwischen über mehr als doppelt so viel Eigenkapital wie vor der Finanzkrise.

Auch diese gestärkte Widerstandskraft der Banken spricht dafür, dass die Aktien im Schnitt Raum für ein höheres Bewertungsniveau bieten – im Einzelnen hängt die Bewertung jedoch stark von der Eigenkapitalrendite ab, die ein Institut selbst erreicht.

Wie eng diese Korrelation ist, zeigt der Vergleich der Banken miteinander:

Die nordischen Banken Nordea, DNB und SEB bieten eine Eigenkapitalrendite von 14% und mehr, und ihre Aktien notieren alle zu einem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von klar über 1. Zwar ebenso rentabel sind die akquisitionshungrigen UniCredit und BBVA, doch ihre Valoren handeln zu einem leichten Abschlag auf den Buchwert.

Am Ende der Skala finden sich Société Générale, Commerzbank und Deutsche Bank. Sie erreichen eine unterdurchschnittliche Eigenkapitalrendite zwischen 6 und gut 8% und werden dafür mit einem KBV um 0,5 bestraft.

Grundsätzlich zeigt die Grafik: Banken mit hoher Eigenkapitalrendite handeln zu einem höheren KBV als solche mit schlechteren Rentabilitätsperspektiven.

Die Ausnahme ist UBS: Sie liegt weit oberhalb der Trendlinie, was auf den ersten Blick eine klare Überbewertung andeutet. Der Zusammenschluss mit Credit Suisse hält ihre Eigenkapitalrendite derzeit unter den Werten fast aller Konkurrenten. Doch angesichts der positiven Aussichten für die Jahre nach der Integration bewertet die Börse die Titel von UBS bereits jetzt auf Höhe der renditestärksten Institute.

Ausschüttungen sprudeln

Die Folge der im Schnitt verdoppelten Gewinnkraft der europäischen Banken – und des Umstands, dass der Kapitalaufbau weitgehend beendet sein dürfte – ist: Die Überschüsse fliessen nicht mehr primär in die Stärkung des Eigenkapitals, sondern in milliardengrosse Ausschüttungen an die Aktionäre.

Nachdem Europa im ersten Pandemiejahr seinen Banken verboten hatte, Ausschüttungen vorzunehmen, steigen sie seither rasant und haben den Aktionären im vergangenen Jahr eine Dividendenrendite von durchschnittlich 7% gebracht.

Im Konsens erwarten die Analysten, dass die Ausschüttungen auch in den kommenden Jahren weiter wachsen werden, angesichts der guten Performance der Aktien sinkt die Rendite mit Blick auf 2025 dennoch vorübergehend leicht unter 7%.

Damit rentieren die Titel aber weiterhin auf dem höchsten Niveau seit der Finanzkrise. Auch das ist ein Hinweis, dass die Bewertung noch Luft nach oben hat, zumal die Banken die Ausschüttungsquote nicht ausreizen, sondern gemäss den Analysten von Deutsche Bank nur rund 50% des erwarteten Gewinns an die Aktionäre weiterleiten.

Zusätzlich zu den Dividenden hoffen die Analysten allerdings auch auf Aktienrückkäufe von 4% des branchenweiten Börsenwerts. Zusammen mit den Dividenden verspricht das für die nächsten Jahre Barausschüttungen von im Schnitt mehr als 10% der Marktkapitalisierung, die jährlich an die Aktionäre zurückgeführt werden.

Noch nie seit der Finanzkrise ist von Banken mehr an die Anteilseigner geflossen. Für die Analysten von UBS sind die überdurchschnittlich hohen Ausschüttungsrenditen ein Grund, die Bewertung noch weiter nach unten zu korrigieren: Unter Berücksichtigung der hohen Barausschüttungen kommen sie so auf Bewertungen, die je nach Haltedauer und Einzeltitel deutlich unter dem KGV von 7 liegen, das sich im Schnitt zeigt.

Die üppigsten Ausschüttungen erwarten die Analysten 2025 von ING. Zusätzlich zu den mehr als 7% Dividendenrendite sehen sie gewinnverdichtende Aktienrückkäufe im Umfang von 9% des Kapitals.

Am magersten fallen die Werte bei UBS aus, die weiterhin mit der Absorption von Credit Suisse beschäftigt ist. Nach Abschluss der Integration 2026 will jedoch auch sie wieder Aktien im Ausmass von mehr als 5 Mrd. $ zurückkaufen, was zusätzliche 5% Rendite verspricht, und auch die Dividende soll jährlich weiter steigen.

Potenzial intakt

Die Analyse zeigt: Fundamental ist das Potenzial da, dass die Aktien der europäischen Banken 2025 ihren guten Lauf fortsetzen. Wie immer gilt allerdings auch: Banktitel reagieren äusserst sensibel auf Marktverwerfungen – Spannungen im US-Finanzsystem wegen anziehender Bondrenditen, politische Entwicklungen, beispielsweise in Deutschland oder Frankreich, sowie sich eintrübende Konjunkturaussichten. Kursschwankungen muss man aushalten können.

Derzeitige Konstellationen, in denen der Zinssenkungszyklus auf den Bankvaloren lastet, eröffnen hingegen Chancen: Um vom derzeitigen Bewertungsabschlag zum langjährigen Bewertungsschnitt zurückzukehren, müssten die Margen der Banken auf das Niveau von 2022 zurückfallen, hat UBS berechnet.

Ein solcher Margeneinbruch ist in absehbarer Zeit unwahrscheinlich, und grundsätzlich gilt: Die europäischen Banken präsentieren sich derzeit so robust wie kaum je in der Vergangenheit. Die Aussichten sind damit intakt, dass sie möglichen Stress parieren können und sich auch ihre Aktienkurse nach Rückschlägen erholen.

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