Montag, Dezember 23

Nach der Speedmaster-Affäre hat die Swatch Group Strafanzeige gegen ehemalige Mitarbeiter und externe Personen eingereicht. Die bisherigen Ermittlungen lassen vermuten, dass die Beschuldigten in den Handel mit vielen weiteren Uhren verwickelt sind.

Nick Hayek ist irritiert. Vor bald eineinhalb Jahren hat seine Swatch Group Strafanzeige gegen drei ehemalige Mitarbeiter und zwei weitere Personen eingereicht. Sie stehen im Verdacht, hinter einer gefälschten Omega-Speedmaster zu stehen, die vom Auktionshaus Phillips für einen Rekordpreis von 3 Millionen Franken versteigert wurde. Passiert ist seither wenig.

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Nun hat Hayek erfahren, dass die lokale Staatsanwaltschaft über ein Jahr lang versucht hat, den Fall abzugeben. Erst kürzlich wurde ihre Zuständigkeit definitiv geklärt.

Was wusste der Leiter des Omega-Museums?

Der Fall der gefälschten Vintage-Speedmaster-Uhr, der von der NZZ und einem auf Fälschungen spezialisierten Blogger aufgedeckt wurde, sorgte in der Luxusuhren- und Auktionsbranche für Aufsehen. Die Recherchen zeigten, dass die Uhr keineswegs das seltene Original aus dem Jahr 1957 war, als das sie in der Auktion angepriesen worden war. Ein wichtiges Teil war nachgebaut, ein weiterer Bestandteil stammte von einer anderen Speedmaster aus dem Omega-Museum. Dies deutete darauf hin, dass Mitarbeiter von Omega in die Herstellung der Uhr involviert waren.

Brisant war zudem, dass Omega selbst die Uhr gekauft hatte. Dies wurde allerdings erst nach dem Bekanntwerden des Falls publik. Einen Tag nach dem NZZ-Artikel erklärte Omega, der Leiter des Omega-Museums habe die Speedmaster 2915-1 «Tropical Broad Arrow» mit Zustimmung der Firmenleitung gekauft. Er habe argumentiert, es handle sich um ein seltenes und aussergewöhnliches Stück, das unbedingt in die Sammlung aufgenommen werden müsse.

Kurz darauf erstattete die Swatch Group, zu der Omega gehört, Strafanzeige, unter anderem gegen den Museumsdirektor. Er wird verdächtigt, wissentlich eine gefälschte Uhr zu einem überhöhten Preis gekauft zu haben. Die anderen beiden Mitarbeiter stehen im Verdacht, die Fälscher mit Informationen und passenden Uhrenbestandteilen versorgt zu haben. Bei den zwei externen Beschuldigten handelt es sich um den mutmasslichen Fälscher und um die Person, die die Uhr bei Phillips für die Auktion eingereicht hat.

«Zeugt nicht von einer motivierten Behörde»

Seither ermitteln die Berner Strafverfolgungsbehörden, jedoch offenbar nicht mit vollem Engagement. Die regionale Staatsanwaltschaft, bei der Omega die Anzeige eingereicht hat, versuchte in den vergangenen achtzehn Monaten dreimal, den Fall an die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte weiterzureichen, wie die NZZ erfahren hat. Diese lehnte jedoch jedes Mal ab. Schliesslich entschied die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons über die Zuständigkeit und wies der regionalen Staatsanwaltschaft die Pflicht zu, «diese Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen».

Für Nick Hayek ist das unverständlich: «Wir waren schockiert zu erfahren, dass die regionale Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland mehr als ein Jahr damit verbracht hat, sich dieses Falles zu entledigen», schreibt er auf Anfrage. Dass sich ein Generalstaatsanwalt mit der Zuteilung eines Falles beschäftigen müsse, der lediglich sieben Bundesordner Akten umfasse und keiner besonderen wirtschaftlichen Kenntnisse bedürfe, sei geradezu absurd und zeuge nicht von einer engagierten und motivierten Behörde.

Unüblich langes Hin und Her

Tatsächlich ist es unüblich, dass Staatsanwaltschaften einen Fall dreimal hin- und herschieben und schliesslich die übergeordnete Instanz entscheiden muss – vor allem innerhalb desselben Kantons. Das bestätigen Ermittler aus anderen Kantonen. Die Staatsanwaltschaft Bern sieht das anders: «Es gibt keine diesbezüglichen (verbindlichen) Vorschriften. Je länger eine Untersuchung dauert, desto klarer werden deren Konturen (Umfang, Komplexität, usw.).» Es stehe der Verfahrensleitung frei, in verschiedenen Stadien einen Zuständigkeitswechsel anzustreben, heisst es auf Anfrage.

Der langwierige Zuständigkeitsstreit bedeutet jedoch nicht, dass die Behörden untätig waren. Dies geht aus der Verfügung der Generalstaatsanwaltschaft hervor, welche die NZZ einsehen konnte. Das sechsseitige Dokument beschreibt die Vorgeschichte des Zuständigkeitsentscheids. Demnach gab es bereits diverse Ermittlungshandlungen: Herausgabe von Dokumenten, Hausdurchsuchungen und die Auswertung sichergestellter elektronischer Gegenstände. Auch erste Einvernahmen fanden statt.

Schaden von 5,7 Millionen Franken

Die Ermittlungen zeigten, dass die manipulierte Omega Speedmaster kein Einzelfall war. Bei den Hausdurchsuchungen wurden bei den Beschuldigten zahlreiche Uhren und Uhrenbestandteile sichergestellt, weshalb «der begründete Verdacht besteht, dass die Beschuldigten weitere Uhren und Uhrenbestandteile verkauft haben», wie es in der Verfügung heisst. Dies werde auch durch die durchgeführte Analyse der zahlreichen Finanztransaktionen unter den Beteiligten bestätigt.

Omega gibt an, dass aus ihrem Lager und ihrem Archiv insgesamt rund 300 Uhren und Uhrenbestandteile entwendet worden seien. Den Schaden beziffert die Uhrenfirma gegenüber der Staatsanwaltschaft auf rund 5,7 Millionen Franken. Darin eingerechnet sind die 3 Millionen Franken, die Omega für die vermeintlich seltene Speedmaster zahlte.

Noch läuft das Vorverfahren

Über den weiteren zeitlichen Ablauf möchte sich die Staatsanwaltschaft nicht äussern. Der Fall befindet sich noch im Vorverfahren, das nicht öffentlich ist. Erst bei einer Anklage würde der Fall öffentlich verhandelt.

Wie sehr die Verdächtigen eine Anklage fürchten, lässt sich schwer beurteilen. Zumindest die beiden externen Beschuldigten, deren Namen der NZZ bekannt sind, scheinen sich gemäss Aussagen von Beobachtern jedenfalls nicht zu verstecken und gehen weiterhin ihren Tätigkeiten im Handel mit gebrauchten Uhren nach.

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