Freitag, November 15

Der Hafen von Chancay soll zum dominierenden Hub für die Verschiffung von Rohstoffen aus Südamerika nach Asien werden. China hat sich exklusive Betreiberrechte gesichert.

Südamerika ist als Rohstofflieferant von grosser wirtschaftlicher Bedeutung für die Entwicklung Chinas. 45 Prozent der auf dem Weltmarkt gehandelten Agrarprodukte kommen von dort. Besonders die Fleisch- und Sojaexporte sind bedeutend für die Ernährung der chinesischen Bevölkerung. Ausserdem liefert Südamerika zwei Mineralien, die zentral sind für die Energiewende: Lithium und Kupfer. Zwei Drittel der bekannten Lithiumreserven und vierzig Prozent der Kupferreserven befinden sich in der Region. Chile und Peru sind die beiden grössten Kupferproduzenten weltweit.

Mit dem neuen Megahafen von Chancay in Peru sichert sich China den Zugriff auf diese Produkte für die Zukunft. Die Anlage wird an diesem Donnerstag anlässlich eines Besuches des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping in Peru eröffnet.

Exzellente Lage am Pazifik

Die peruanische Regierung hofft, dass der neue Hafen zum zentralen Logistikknotenpunkt für den Handel zwischen Südamerika und Asien wird. In der Tat erscheint seine Lage im Zentrum der Pazifikküste, 80 Kilometer nördlich von Lima, ideal. Er liegt direkt am Panamerican Highway, der wichtigsten Nord-Süd-Verbindung in Peru, welche das Land im Süden mit Chile und im Norden mit Ecuador und Kolumbien verbindet.

Ausserdem hat Chancay einen direkten Zugang zur transozeanischen Landstrasse, welche die Pazifikküste im Süden von Peru mit Brasilien verbindet. Damit könnten dereinst Rohstoffe aus dem Amazonasgebiet – insbesondere Soja und Rindfleisch – direkt in die asiatischen Märkte exportiert werden, anstatt dass sie über den Atlantik und durch den Panamakanal transportiert werden müssen, wie dies derzeit der Fall ist. Dazu muss allerdings die Transoceánica zuerst noch besser ausgebaut werden. Als weitere Verkehrsverbindung ist mit der Transkontinentalbahn auch eine Eisenbahnlinie geplant.

Im Tiefwasserhafen von Chancay können die grössten derzeit existierenden Containerschiffe abgefertigt werden. Diese fahren von hier direkt nach Asien, wodurch sich die Reisezeit für einen Teil der Exporteure um bis zu zwei Wochen verkürzen wird. Frachtspezialisten rechnen damit, dass die Lage und die moderne Ausstattung des Hafens eine Senkung der Transportkosten um bis zu 30 Prozent ermöglichen wird. Chile fürchtet denn auch, dass Chancay seine eigenen Häfen in Zukunft in den Schatten stellen könnte.

Automatisiertes Kransystem sorgt für effiziente Abfertigung

Die erste Stufe des Hafenprojekts, welche nun eröffnet wird, kostete rund 1,3 Milliarden Dollar. Die Kosten des Endausbaus dürften weitere 2,2 Milliarden betragen. Der Hafenkomplex wird dereinst eine Fläche von fast zehn Quadratkilometern einnehmen. Er ist mit modernster Technologie – etwa mit einem automatisierten Kransystem – für eine möglichst effiziente Abfertigung ausgelegt. Der ganze Komplex besteht aus zwei Teilen, der eigentlichen Hafenanlage direkt am Meer und dem Eingangsbereich landeinwärts. In Ersterer werden die Schiffe beladen und entladen. Ausserdem gibt es dort Bereiche für den Unterhalt der Schiffe sowie zur Lagerung von Containern und anderer Ladung.

Im Eingangskomplex befinden sich die Hafenverwaltung und die Logistikunternehmen. Hier werden die Ladungen in Empfang genommen, inspiziert und die Zollformalitäten durchgeführt. Die beiden Teile werden durch einen 1,8 Kilometer langen Tunnel miteinander verbunden. Durch diesen bringen Lastwagen die Container zu den Schiffen. Ausserdem führen zwei Fliessbänder für offene Ladungen und eine Pipeline für Flüssigkeiten durch den Tunnel. Ein grosser Hügel am Meer musste fast vollständig abgetragen werden, um Platz für die Hafenanlagen zu schaffen.

Die peruanische Regierung plant ausserdem, eine spezielle Wirtschaftszone mit einem Industriezentrum in der Nähe des Hafens zu schaffen. Dort sollen Rohstoffe verarbeitet werden können, bevor sie nach Asien verschifft werden.

Exklusivrechte für chinesische Betreiberfirma

Der Hafen wurde ursprünglich 2007 konzipiert, allerdings in viel kleinerem Ausmass. Die peruanische Bergbaugesellschaft Volcan – die seit 2017 mehrheitlich im Besitz des Schweizer Konzerns Glencore ist – wollte ihn errichten, um ihre Produkte darüber zu exportieren. 2019 erwarb die in chinesischem Staatsbesitz befindliche Gesellschaft China Cosco Shipping Corporation einen Mehrheitsanteil am Hafen und schloss mit der peruanischen Regierung einen Vertrag zum Bau der Grossanlage ab.

Cosco ist eine der grössten Reedereien weltweit, die unter anderem auch in der Schiffsfinanzierung und im Schiffbau tätig ist. Über Cosco Shipping Ports gehört sie ausserdem zu den führenden Terminalbetreibern der Welt. Chancay wird fast ausschliesslich mit chinesischem Kapital erbaut. Der Hafen ist Teil der Initiative «neue Seidenstrasse», des weltweiten Infrastrukturprojekts der chinesischen Regierung.

Besonders problematisch für die peruanische Souveränität ist der Umstand, dass die nationale Hafenbehörde 2021 Cosco Exklusivität beim Betreiben von Chancay zugestanden hat. Damit entscheidet nicht mehr sie, wer an den Terminals anlegen, arbeiten und Waren handeln darf, sondern die staatliche chinesische Gesellschaft. Als diese Klausel öffentlich bekannt wurde, kam es in Peru zu einem landesweiten Aufschrei.

Im März dieses Jahres bat die Regierung darauf die Justiz, diese Bestimmung zu annullieren. Sie argumentierte, diese sei durch einen administrativen Fehler entstanden, die Hafenbehörde besitze gar nicht die Kompetenz, ein solches Zugeständnis zu machen. Doch im Juni ruderte Präsidentin Dina Boluarte auf Druck von China zurück und kassierte den Antrag auf Annullierung der Klausel. Gleichzeitig passte der peruanische Kongress das Hafengesetz so an, dass die exklusiven Rechte für Cosco nun zulässig sind.

Ein Sicherheitsrisiko für die USA

Chancay ist nicht nur ein Hafen, sondern ein weiterer Baustein in Chinas globaler Strategie, sich als wirtschaftliche und politische Führungsmacht in Südamerika zu positionieren, einer Region, die traditionell unter dem Einfluss der USA und Europas stand. 2017 hat China die USA als wichtigsten Handelspartner von Süd- und Zentralamerika abgelöst. Dies ausgerechnet im ersten Amtsjahr von Präsident Trump, der versprach, der chinesischen Expansion Einhalt zu gebieten. Seither geht diese in Lateinamerika unaufhörlich weiter.

Aus amerikanischer Sicht ist dies aber nicht nur eine Frage der Handelspolitik. Generalin Laura Richardson, die bis letzte Woche das für die Region zuständige U. S. Southern Command leitete, hat immer wieder auf die Sicherheitsrisiken der zunehmenden Präsenz Chinas in der Region aufmerksam gemacht. Sie und andere amerikanische Regierungsstellen weisen darauf hin, dass der Hafen Chancay sowohl zivil wie militärisch genutzt werden könne. Aufgrund seiner Grösse, Tiefe und strategischen Lage sei er für die Aufnahme chinesischer Kriegsschiffe geeignet. Angesichts einer möglichen zukünftigen Flottenpräsenz Pekings in Chancay sind die exklusiven Rechte der chinesischen Staatsfirma Cosco zum Betreiben des Hafens für die USA besonders problematisch.

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