Mittwoch, April 16

Der Bund muss sparen – und das trifft auch die Bildung. Die Top-Hochschule trifft’s mit 78 Millionen Franken. Das klingt bei einem Milliardenbudget nicht nach viel, doch die Universität malt schwarz.

Die ETH Zürich ist eine Universität von Weltruf. Kein Ranking, in dem sie nicht zu den Besten gehört. Das sieht man offensichtlich auch selbst so. Dieses Selbstbewusstsein ist nachvollziehbar, wenn man dem ETH-Präsidenten Joël Mesot zuhört, als er die Erfolge des vergangenen Jahres aufzählt.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Die Hochschule, die sich selbst «im Dienst der Gesellschaft» sieht, scheint überall bestens unterwegs. Als KI-Standort mit exzellenter Entwicklung, bei der Cybersicherheit, der Aufrechterhaltung von kritischer Infrastruktur wie der Verteidigung, bei grüner Energie. Bei der Frauenförderung. Bei Spin-offs. Dort besonders. 35 Startups mit «ETH-Stempel», wie es Mesot beschreibt, werden jedes Jahr gegründet. In den letzten drei Jahren wurden diese mit 2 Milliarden Franken an Risikogeldern unterstützt. Zürich (ETH) und Lausanne (EPFL) sind damit auf einer Stufe mit Oxford und Cambridge. «Top of Europe.»

Insgesamt bietet die ETH also ein buntes Potpourri an Potenzial und (wissenschaftlicher) Potenz.

Privatisierung der Hochschulen?

Und dennoch machen sich der Präsident Mesot und der Rektor Günther Dissertori grosse Sorgen. Weil die ETH sparen muss. Weil der Bund, auch im Bildungsbereich, die Kosten senken muss, trifft es auch die ETH. Der Betrag: 78 Millionen Franken. Das klingt nach wenig, wenn man bedenkt, dass die Hochschule aus Bern für die Periode 2025–2028 mit über 11 Milliarden unterstützt wird.

Und diese – verhältnismässig – überschaubare Mittelkürzung soll dramatisch sein? Dissertori warnt vor nicht weniger als einem «Paradigmenwechsel» in der Politik, vor einem ersten Schritt in Richtung «Privatisierung der Hochschulen». Etwas, das die ETH ablehnt. Weil sie befürchtet, dass die Sparübung auf die Studenten abgewälzt wird. Das klingt doch sehr nach Jammern auf höchstem Niveau. Ein Phänomen, das bei der ETH immer wieder beobachtet wird.

Das Jammern hat mit dem Vorschlag der Expertengruppe des Bundes zu tun, die eine umfassende Liste für Einsparungen erstellt hat. Bei der ETH könnten sich die Autoren um Serge Gaillard vorstellen, dass die gestrichenen Mittel via höhere Semestergebühren kompensiert werden. So könnten Inländer künftig doppelt so viel und sogenannte Bildungsausländer, die zum Studieren in die Schweiz kommen, viermal so viel bezahlen. Bisher kostete ein Semester 730 Franken pro Halbjahr. Und schon jetzt steht fest: Ab Herbst zahlen die Ausländer neu das Dreifache, das hat das Parlament entschieden.

Newsletter «Guten Morgen Schweiz»

Ihr persönlicher Begleiter in den Tag – mit einer werktäglichen Analyse zum aktuellen Geschehen in der Schweiz.

Jetzt kostenlos anmelden

Das hält Dissertori auch für angemessen, er hält es sogar für nachvollziehbar. Man muss hier zwei Dinge betonen: Erstens hat sich die ETH zuerst gegen die Verdreifachung gewehrt, nun ist diese offensichtlich auf einmal in Ordnung. Dissertori sagt immerhin freimütig: «Niemand spart gerne, auch wir nicht.»

Zweitens: Die zusätzlichen Erhöhungen der Semestergebühren auf das Vierfache sind nur ein Vorschlag. Die ETH könnte stattdessen diesen Betrag auch einsparen.

Das räumt auch Mesot ein: «Der Vorschlag des Entlastungspakets ist de facto eine weitere Kürzung des ETH-Budgets. Wenn wir diese nicht über Studiengebühren kompensieren, dann müssen wir Aufgaben und Leistungen abbauen. Dies zusätzlich zu zahlreichen Sparmassnahmen, die wir in den vergangenen Jahren bereits umgesetzt haben.»

Aber wo angesetzt werden könnte (und ob, und das wäre die entscheidende Frage, lieber woanders gespart werden würde): Da druckst sich die ETH um Antworten. Man müsse die Vernehmlassung abwarten.

Aber selbst wenn die 78 Millionen tatsächlich mittels Semestergebühr kompensiert würden: Wäre das so schlimm? In den USA zahlt man für ein Jahr an einer Spitzenuniversität nicht selten zwischen 50 000 und 60 000 Franken. An der ETH und der EPFL sind es gegenwärtig 1460 Franken. Bei gleichwertigem Angebot der Hochschulen. Das entspricht etwa einem Vierzigstel der Gebühren in den USA. Bei den Bildungsausländern ist es nach der Verdreifachung ab Herbst noch immer Faktor 13.

Im Vergleich mit den USA wird der Grossteil der Kosten ohnehin vom Schweizer Steuerzahler übernommen. Da scheint es gar nicht unfair, wenn sich Ausländer, die nach dem Abschluss vielleicht nicht in der Schweiz bleiben, stärker beteiligen.

Der Rektor Dissertori weist darauf hin, dass das durchaus so empfunden werden könne. Aber der Vergleich mit den amerikanischen Hochschulen hinke. Weil das System dort anders funktioniere (privat) und im Preis auch beispielsweise die Unterkunft mit dabei sei. «In Zürich wäre das unmöglich.» Zudem wisse man, dass 80 Prozent der Studenten nach ihrem Abschluss in der Schweiz blieben. Und von diesen wiederum 80 Prozent in Branchen arbeiteten, in denen Fachkräftemangel herrsche.

«Büchse der Pandora»

Das will man erhalten. Und man hat Sorge, dass das künftig nicht mehr gehen wird. Weil erhöhte Studiengebühren dazu führen könnten, dass nicht mehr die Besten kommen, sondern die Reichsten. Zudem wisse man, dass jeder zweite Drittstaatler bereits bei der Verdreifachung auf Stipendien angewiesen sei. Einigte sich die Schweiz mit der EU auf ein Programmabkommen (und würden EU-Studenten gleich viel bezahlen wie Schweizer), dann würden Drittstaatler bis zu sieben Mal mehr als bisher zahlen – 11 400 Franken. Dissertori sagt: «Dieser Paradigmenwechsel würde das Erfolgsmodell der ETH Zürich gefährden, ohne die ETH-Finanzen substanziell zu entlasten.»

Nicht nur aus monetärer Sicht würde dies eine kleine «Büchse der Pandora» öffnen, auch aus intrinsischer, sagt Dissertori: «Heute liegt die Bringschuld beim Studenten. Er muss viel leisten, damit er sein Diplom bekommt. Ist die Studiengebühr hoch, verändert sich das, entsteht der Anspruch als Student: Ich zahle viel, also habe ich ein Anrecht auf einen Abschluss.»

Würde die ETH also zur teuren Universität, die dafür erst noch ihre Exzellenz zu verlieren droht? Man muss es fast annehmen, wenn man den Verantwortlichen zuhört. Aber ist es wirklich so? Oder einfach – strategisch geschicktes – Jammern, um möglichst gut aus der Situation zu kommen?

Exit mobile version