Donnerstag, Oktober 3

2200 statt 730 Franken pro Semester: Die neuen Tarife für Studierende aus dem Ausland dürften noch zu reden geben – vor allem im Poker um ein neues bilaterales Abkommen mit der EU.

An den Hochschulen beginnt am Montag das Herbstsemester, und die Zahlen der Studentinnen und Studenten kennen auch dieses Jahr nur eine Richtung: nach oben. An der ETH Zürich werden rund 27 000 junge Menschen ihr Studium beginnen oder fortsetzen. Auf Bachelorstufe haben sich 3700 Studienanfänger angemeldet. Das sind bemerkenswerte 13 Prozent mehr als im vergangenen Jahr, wie die Hochschule am Donnerstag in einer Medienmitteilung schreibt. 35 Prozent der Erstsemester auf dieser Stufe sind Frauen.

Auch im Master werden deutlich mehr Studierende beginnen als 2023. Genaue Zahlen dazu liegen noch nicht vor. Doch die Zahl der Bewerbungen für einen Masterstudienplatz hat laut ETH um ein Drittel zugenommen. Die Mehrheit dieser Kandidaten stammt aus dem Ausland. Zugelassen wurde nur jeder dritte Anwärter mit ausländischer Vorbildung.

137 Prozent mehr Studierende als im Jahr 2000

Die Klassiker der technischen Hochschule «verkaufen» sich nach wie vor am besten: Maschinenbau, Informatik, Physik und Architektur gehören weiterhin zu den beliebtesten Studiengängen. Aber das genügt der ETH nicht. Sie will nach den Sternen greifen: Ab diesem Semester können Studierende auch einen Master in Space Systems belegen. Geleitet wird dieser Lehrgang von Thomas Zurbuchen, dem früheren wissenschaftlichen Direktor der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa. Er soll dazu beitragen, dass die Schweiz in der Raumfahrtbranche mit anderen führenden Ländern mithalten kann.

Die starke Nachfrage von Studierenden bringt die Hochschule allmählich an ihre Belastungsgrenze. Seit dem Jahr 2000 sind die Studierendenzahlen um 137 Prozent angestiegen. Die Zahl der Professorinnen und Professoren hat im gleichen Zeitraum nur um 56 Prozent zugenommen. Dozentinnen und Forscher müssen also immer mehr Studenten betreuen. Die ETH Zürich ist immer weniger in der Lage, ihre eigenen Ansprüche als Spitzenuniversität zu erfüllen.

Die Universität St. Gallen, eine weitere selbsterklärte Kaderschmiede, steckt in einem ähnlichen Dilemma: zu viele Studenten, zu wenig Platz, Sorge um die Qualität des Studiums. Am Montag werden 10 000 Studierende ins Semester starten, so viele wie noch nie. Der Campus in St. Gallen ist eigentlich nur für 5000 Studentinnen und Studenten konzipiert.

Was also tun?

Im Fall der ETH Zürich und der ETH Lausanne greift die Politik zu einem bekannten Mittel. Sie hofft, den Ansturm aus dem Ausland mit höheren Preisen in den Griff zu bekommen. Nach dem Nationalrat hat am Donnerstag auch der Ständerat beschlossen, dass die Studiengebühren für Ausländer mit ausländischer Vorbildung mindestens verdreifacht werden sollen. Das Votum fiel knapp aus, mit 22 Ja- und 21 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen. Derzeit bezahlen Studierende an beiden ETH 730 Franken pro Semester – egal, ob sie in der Schweiz Matur gemacht haben oder nicht. Bildungsausländer müssen also künftig mit rund 2200 Franken rechnen.

Der ETH-Rat hatte sich bereits im Juli für eine Verdreifachung der Gebühren für Studierende aus dem Ausland per Herbstsemester 2025 ausgesprochen. Das strategische Führungsorgan der beiden ETH kann darüber selber entscheiden. Sein Vorschlag wird nun von den zwei Hochschulen angehört. Eine Zustimmung gilt als sicher, erst recht nach dem Entscheid der beiden Parlamentskammern in Bern.

Dieser Schritt dürfte noch zu reden geben. Die Schweiz bemüht sich um ein neues bilaterales Abkommen mit der EU. Und am Forschungsprogramm Horizon Europe sollen hiesige Wissenschafter wieder vollständig teilnehmen können, statt nur ein bisschen. Im Poker mit Brüssel dürften höhere Studiengebühren für Ausländer schlecht ankommen. «Materiellen Einschränkungen» der Personenfreizügigkeit werde die EU nie zustimmen, heisst es aus gut informierten Kreisen. Brüssel will, dass Studierende aus der EU in der Schweiz nicht diskriminiert werden – weder finanziell noch durch eine Quote, wie sie die Universität St. Gallen kennt. Dort darf der Anteil der ausländischen Studierenden nicht mehr als 25 Prozent betragen.

Die ETH dürfte die Universität Zürich bald überholen

Mehr Studierende sind eigentlich eine gute Nachricht. Zum Beispiel in Zeiten des Lehrermangels. An der Pädagogischen Hochschule Zürich starten dieses Jahr rund 1350 Studentinnen und Studenten – rund 10 Prozent mehr als 2024. Alle angebotenen Studiengänge verzeichnen ein deutliches Plus. Auf Primarstufe etwa beginnen 522 Studierende, 52 mehr als vor einem Jahr. Das freut auch Heinz Rhyn. «Auf dieser Schulstufe ist der Bedarf an Lehrpersonen besonders gross», lässt sich der Rektor am Donnerstag in einer Medienmitteilung zitieren.

An der Universität Zürich dürfte das neue Semester im üblichen Rahmen beginnen. Mit 4930 Studierenden liegt die Zahl der Erstsemester leicht über derjenigen des Vorjahrs. Die Hochschule rechnet damit, dass die Gesamtzahl aller Studierenden gleich bleiben oder gegenüber 2023 leicht steigen wird. Damals zählte die Universität Zürich knapp 28 000 Studierende, 59 Prozent von ihnen waren Frauen.

Wenn die Entwicklung so weitergeht wie in den vergangenen Jahren, dürften sich die beiden Nachbarn an der Rämistrasse in Zürich schon bald in vertauschten Rollen wiederfinden: Dann dürfte die ETH Zürich die grösste Hochschule des Landes sein – und nicht mehr die Universität Zürich.

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