Eine Debatte über Jagdhunde oder eine Reise nach Kiew? Ungarns Kommissar entscheidet sich für Ersteres. Die EU-Aussenminister verhängen derweil neue Sanktionen gegen Russland – und lockern jene gegenüber Syrien.
Genau drei Jahre ist es her, dass Russland die Ukraine überfallen hat. Ein Schock – natürlich für das flächendeckend angegriffene Land, aber auch für die traditionellen Verbündeten EU und USA. Seit die amerikanische Regierung nicht mehr als verlässlicher Partner wahrgenommen wird, betonen die europäischen Staaten ihre Solidarität umso mehr. Getreu dem Motto: Was auch immer passieren mag, wir stehen zu euch.
Am Montag gab es gleich verschiedene Aktivitäten, die diese Haltung bekräftigen sollen. Bereits am frühen Morgen reisten zahlreiche westliche Staats- und Regierungschefs, fast alle EU-Kommissare sowie der Ratspräsident António Costa in die ukrainische Hauptstadt Kiew. Sie wurden vom ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski und von weiteren Regierungsmitgliedern empfangen.
Die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen kündigte bei dem Besuch an, dass ein Darlehen in der Höhe von 3,5 Milliarden Euro vorgezogen und bereits im März an die Ukraine überwiesen werde. Das Geld stammt aus Zinserträgen auf dem eingefrorenen Staatsvermögen Russlands. Auch Kanada, Spanien, Norwegen, Finnland und weitere Staaten sicherten der ums Überleben kämpfenden Ukraine finanzielle Unterstützung in Milliardenhöhe zu. Selenski seinerseits ehrte die Zehntausende Kriegsopfer.
Nur fünf Kommissare fehlten
Angesichts des Auflaufens hoher Gäste aus dem Ausland war beinahe interessanter, wer nicht dabei war. Fünf EU-Kommissare fehlten – vier von ihnen hatten aufgrund von dringlichen Treffen in Brüssel und Washington eine plausible Entschuldigung. Der fünfte, Oliver Varhelyi, äusserte sich beim Landwirtschaftsrat in Brüssel zum Traktandum Jagdhunde. Der Ungar ist innerhalb der EU zwar tatsächlich für das Tierwohl zuständig, angesichts der geringen Relevanz des Themas bestand allerdings keinerlei Verpflichtung zu seiner persönlichen Anwesenheit.
Man kommt also nicht umhin, darin eine politische Botschaft zu erkennen – denn Ungarn torpediert die Ukraine-Politik der EU seit Jahren. Erst am Samstag hatte Ministerpräsident Viktor Orban das Territorium der Ukraine als eine Pufferzone zwischen Russland und der Nato bezeichnet und gleichzeitig die aussenp0litischen Wünsche Kiews vom Tisch gefegt. «Die Ukraine wird nicht der Nato beitreten, und ob sie der EU beitritt, liegt an uns», sagte er gemäss dem Portal «Euractiv». Im Verlauf des Beitrittsprozesses ist immer wieder Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten notwendig.
Zum Umstimmen bleibt noch Zeit
Auch beim Treffen der EU-Aussenminister am Montag legte sich Ungarn quer. Wie Ungarns Vertreter Peter Szijjarto bereits im Vorfeld angekündigt hatte, ist sein Land gegen eine Verlängerung der Sanktionen gegen Vertreter des russischen Machtapparats. Er sagte auch, dass Ungarn neuen Waffenlieferungen an die Ukraine nicht zustimmen werde.
Beides ist für die EU zumindest für den Moment nicht dramatisch. Die Personensanktionen müssen erst am 15. März erneuert werden, womit noch einige Zeit bleibt, Ungarn umzustimmen. Orban hat seine Vetodrohungen im Gegenzug zu Konzessionen schon verschiedentlich zurückgezogen – letztmals im Januar. Ein beteiligter Diplomat sagt, dass Ungarns Kampfansagen einem zwar den Atem stocken liessen – aber dass man zwischen öffentlichen Äusserungen und den Resultaten unterscheiden müsse.
Auch über die neusten Waffenlieferungen, bei denen es nach EU-Quellen um die am dringendsten benötigten Kriegsmaterialien wie Munition, Flugabwehrraketen und die Ausrüstung für zwei Brigaden geht, wurde am Montag erst diskutiert: Der finale Entscheid wird am 6. März erwartet, wenn die Staats- und Regierungschefs zu einem ausserordentlichen EU-Gipfel zusammentreffen. Die Beteiligung am Waffenprogramm ist für die Mitgliedstaaten voraussichtlich freiwillig – womit Ungarns Drohung ins Leere laufen würde.
Russische Schattenflotte stärker mit Sanktionen belegt
Neben den andiskutierten Themen haben die EU-Aussenminister am Montag aber durchaus auch handfeste Entscheide gefällt: Sie verabschiedeten – ohne ungarisches Veto – das bereits 16. Sanktionspaket gegenüber Russland seit Beginn des Ukraine-Krieges. Dieses beinhaltet unter anderem ein Verbot für Geschäfte mit bestimmten Häfen und Flughäfen, die für den Ölhandel genutzt werden. Zudem wurden zusätzliche Banken sowie 73 weitere Schiffe aus Russlands Schattenflotte in die Sanktionsliste aufgenommen. Im Gleichschritt mit der EU hat auch Grossbritannien neue Sanktionen eingeführt.
Nicht gegenüber allen Ländern wird die Schraube jedoch angezogen: Die EU-Aussenminister beschlossen am Montag, die Syrien-Sanktionen zu lockern. Die EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas betonte allerdings, dass sie gegebenenfalls innert Kürze wieder verschärft werden könnten.
Konkret werden Massnahmen im Energie-, im Transport- und im Bankensektor aufgehoben. Brüssel will damit den Wiederaufbau des vom Bürgerkrieg schwer gebeutelten Landes beschleunigen – verbunden mit der Hoffnung, dass ein Teil der in grosser Zahl nach Europa geflüchteten Syrer in die Heimat zurückkehren wird.