Mittwoch, Januar 15

Die Beziehungen zwischen Budapest und Brüssel sind in einer Abwärtsspirale. Auch Mitgliedstaaten verlieren die Geduld mit Orbans Russlandpolitik.

Die Europäische Kommission fordert Ungarn und die Slowakei auf, sich vom russischen Erdöl unabhängig zu machen. Bratislava und Budapest hatten sich im Juli beklagt, Kiew drehe am Hahn der Druschba-Pipeline, die Öl aus Russland via die Ukraine in die beiden ostmitteleuropäischen Staaten liefert.

Damit verstosse Kiew gegen das Assoziierungsabkommen von 2017, das auch den Energiehandel inklusive Transport und Transit regelt. Brüssel, so die beiden Beschwerdeführer, müsse schleunigst in Kiew intervenieren. Doch der Handelskommissar Valdis Dombrovskis lehnt das ab. Er bestreitet die von den beiden Regierungen behauptete Versorgungsnotlage und empfiehlt stattdessen, «die proaktive Diversifizierung (der Nachfrage) weg von den russischen fossilen Treibstoffen».

Laut Dombrovskis können die angeblichen Lieferausfälle ohne weiteres kompensiert werden. Etwa über Kroatien und die Janaf-Pipeline, die den Treibstoff aus dem Nahen Osten via den Hafen der Insel Krk nach Ungarn transportieren kann. In seiner Stellungnahme macht der Kommissar auch deutlich, dass seine Forderung nach einer starken Abkoppelung von russischen Energieträgern von den übrigen Mitgliedstaaten mitgetragen werde.

Ungarn reagierte diese Woche gereizt. Aussenminister Peter Szijjarto bezeichnete die Reduktion der ukrainischen Öllieferungen als Erpressung, hinter der womöglich die EU stehe. Brüssel versuche, friedliebende Länder wie Ungarn und die Slowakei zu zwingen, der weiteren Aufrüstung der Ukraine zuzustimmen. Budapest und Bratislava sind für einen sofortigen Waffenstillstand im russischen Krieg gegen die Ukraine.

Zahl und Intensität der Konflikte wachsen

Seit Budapest Mitte des Jahres den rotierenden Vorsitz des Rates der Staats- und Regierungschefs übernommen hat, befinden sich die Beziehungen zwischen Ungarn und der EU in einer Abwärtsspirale. Gleich bei Amtsantritt provozierte Ministerpräsident Viktor Orban einen Eklat. Ohne sich mit der Kommission oder den Hauptstädten abzusprechen, unternahm er eine «Friedensmission» für die Ukraine, die ihn nach Moskau, Peking und ins Anwesen Mar-a-Lago führte, wo er jeweils mit Putin, Xi und Trump sprach. Dabei sollte der Eindruck entstehen, er sei in seiner Funktion als Ratsvorsitzender unterwegs. Brüssel war empört.

Aber auch der Dauerstreit um die blockierten EU-Milliarden schwelt weiter, ohne dass eine Lösung absehbar ist. Brüssel behält das Geld zurück, weil es befürchtet, es versickere in korrupten Netzwerken. Orban revanchiert sich, indem er immer wieder das Veto ergreift, um Hilfspakete für die Ukraine zu verzögern. Er hat jetzt mit dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico einen Geistesverwandten in vielen Bereichen an der Seite. Als Duo können sie sich gegenseitig mit ihrem Veto vor Sanktionen des EU-Rates schützen. Diese Rolle hatte bis zu ihrer Abwahl im Herbst 2023 die polnische PiS-Regierung gespielt.

Als ob das nicht genug wäre, zeichnet sich trotz der Sommerpause in Brüssel gleich noch ein Konflikt mit der Kommission ab. Im Juli unterzeichnete Orban ein Dekret, das die Ausstellung von Arbeitsvisa dank einem Schnellverfahren erleichtert. Davon hatten bisher ukrainische und serbische Bürger profitiert, jetzt wird es auf weitere Balkanländer sowie auf Russland und Weissrussland ausgeweitet.

Es war zuerst Manfred Weber, der Präsident der Europäischen Volkspartei, der Ende Juli die erleichterte Einreise für Russen und Weissrussen als Sicherheitsrisiko bezeichnete. Bis 2021 hatte Orbans Fidesz im Europaparlament dieser Fraktion angehört. Die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson teilt Webers Bedenken. In einem Brief an die Regierung in Budapest warnt sie davor, dass damit eine Türe für russische Spione und Saboteure geöffnet werden könnte. Einmal in Ungarn, wären ihnen kaum Schranken dabei gesetzt, sich frei im Schengenraum zu bewegen, wo es nur sporadisch Grenzkontrollen gibt.

Schädliche Polemiken zwischen EU-Nachbarn

Warum Budapest gerade Russen und Weissrussen als Arbeitskräfte privilegiert, dafür gibt es keine offizielle Begründung. Eine These lautet, dass sie die Modernisierung und Erweiterung des Atomkraftwerks Paks vorantreiben sollen, das dank russischen Krediten und russischer Technologie künftig einen grossen Teil des Elektrizitätsbedarfs des Landes decken soll.

Ungarn befindet sich aber nicht nur mit der EU-Kommission auf Kriegsfuss. Es sind auch seine Nachbarn, vor allem die Polen und Balten, die Orbans geopolitische Querschüsse zunehmend irritieren. Der Ton ist polemisch, auf beiden Seiten. Aus Budapest heisst es, Polens Politik sei heuchlerisch, es kaufe indirekt auch russisches Öl. Und mit Blick auf die Visavergabe für Russen tischten die Balten «kindische Lügen» auf. Aus Polen kommt es ähnlich zurück: Er verstehe nicht, ätzt der stellvertretende Aussenminister, weshalb Ungarn in einem Verbund bleibe, den es so verabscheue. Orban solle doch besser eine Union mit Putin eingehen.

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