Um einschneidende Strafen zu verhängen, ist die EU auf die Kooperation der USA angewiesen. Die ist ungewiss.

Drohen können die Europäer. Aber lassen sie den Drohungen auch Taten folgen? Das ist, im Kern, die zentrale Frage am Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPC).

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Mehr als vierzig Staats- und Regierungschefs aus Europa und Vorderasien sind dafür am Freitag nach Tirana gereist, unter ihnen auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Hintergrund sind die Entwicklungen der letzten Tage: Am vergangenen Samstag waren der deutsche Kanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und Polens Regierungschef Donald Tusk nach Kiew gereist.

Sie unterstrichen ihre anhaltende Solidarität mit der kriegsgebeutelten Ukraine und forderten den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einer bedingungslosen Waffenruhe ab Montagabend auf. Andernfalls werde es eine «massive Verschärfung der Sanktionen» gegen Russland geben.

Es kam der Dienstag, und passiert ist – nichts, weder an der Kriegs- noch an der Sanktionsfront. Russland setzte seine Angriffe mit unverminderter Härte fort. Die EU-Botschafter ihrerseits einigten sich am Mittwochmorgen auf das 17. Sanktionspaket gegen Russland, das Hafensperren für die russische Schattenflotte und weitere Handelsbeschränkungen enthält. Doch dieses Paket war seit Wochen in Arbeit und keine Reaktion auf das nicht respektierte Ultimatum.

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Ist die europäische Glaubwürdigkeit im Ukraine-Konflikt nun also dahin? Am EPC-Gipfel in Albanien versuchten die Staats- und Regierungschefs, diesen Schluss von der Hand zu weisen – schliesslich entwickeln sich die Dinge rasant.

In Istanbul finden derzeit die ersten direkten «Friedensgespräche» zwischen der Ukraine und Russland statt, aus Moskau ist aber eine höchstens zweitklassige Delegation ohne Entscheidungsbefugnis angereist.

«Was wir in Istanbul gesehen haben, zeigt überdeutlich, dass Putin nicht an Frieden interessiert ist», sagte Starmer im Regen von Tirana. «Indem er eine niederrangige Delegation schickte, hat Putin einen Fehler begangen. Der Ball liegt klar bei ihm», ergänzte der Nato-Generalsekretär Mark Rutte.

Selenski betonte seinerseits, dass es diese Woche eine «echte Chance» gegeben hätte, um wichtige Schritte hin zu einem Kriegsende zu unternehmen – «wenn nur Putin nicht Angst gehabt hätte, in die Türkei zu kommen», so der ukrainische Präsident.

Wenn die russische Delegation nur ein Schauspiel abziehe und keinerlei Resultate liefere, müsse die «Welt» mit harten Sanktionen antworten, sagte Selenski.

Europa ist auf die G-7 angewiesen

Wie diese «massiven Sanktionen» aussehen werden, steht noch nicht fest. Mehrere Politiker unterstrichen in Tirana aber, dass man den Worten werde Taten folgen lassen. Am konkretesten tat dies die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen.

Die EU arbeite derzeit an einem neuen Paket, das Sanktionen gegen Nord Stream 1 und 2 sowie gegen die Schattenflotte und den Finanzsektor enthalte. Zudem sei eine tiefere Preisobergrenze für russisches Erdöl in Planung. Auch Keir Starmer äusserte sich ähnlich.

Was die beiden nicht sagten: Die Europäer können eine solche Massnahme nicht allein durchsetzen, sie sind dabei auf die Unterstützung der G-7-Staaten angewiesen – und damit auf Kanada, Japan und vor allem die USA. Im Dezember 2022 hatte die G-7 für russisches Rohöl eine Preisobergrenze von 60 Dollar pro Barrel festgesetzt. In welcher Höhe das neue Limit liegen soll, ist nicht bekannt.

Preisaufschlag von 500 Prozent auf Öl?

Noch weitaus stärkere Wirkung auf die russische Wirtschaft hätte eine Massnahme, für die der republikanische Senator Lindsey Graham in den vergangenen Tagen warb – sogenannte «sekundäre Sanktionen» gegen alle jene Länder, die durch den Kauf von russischen Energieträgern die Kriegsmaschinerie alimentieren. Diese Staaten müssten für Exporte in die USA künftig einen Aufschlag von bis zu 500 Prozent bezahlen.

Die entscheidende Frage ist, was der amerikanische Präsident Donald Trump von der Sanktionskeule hält – schliesslich hätte deren Umsetzung massive Auswirkungen auf den Handel mit Grossmächten wie Indien oder China.

Gemäss Graham ist die Schwelle von sechzig Senatorenstimmen erreicht, womit ein allfälliges Veto von Trump überstimmt werden könnte. Ob die republikanischen Abgeordneten aber tatsächlich einen Konflikt mit dem Präsidenten riskieren wollen, bleibt vorderhand offen.

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