Montag, September 16

Der Bundesrat will die drohenden Defizite zum Teil durch Zusatzeinnahmen abwenden. Ein relativ effizienter Weg dazu wäre die Reduktion von Steuerprivilegien.

Der Bund braucht zur Vermeidung künftiger Defizite keine Steuererhöhung. Das hat der vom Bundesrat bestellte Bericht einer externen Expertengruppe am Donnerstag erklärt. Doch fast jede der vorgeschlagenen Sparmassnahmen dürfte auf starken Widerstand stossen.

Der Bundesrat will «punktuell» auch auf Zusatzeinnahmen setzen. Dies mit geringeren Steuerabzügen/Ausnahmen, höheren Steuersätzen oder neuen Steuern. Die Expertengruppe hat auftragsgemäss einige Vorschläge gemacht – für den Fall, dass «der politische Wille für Minderausgaben nicht genügt».

Ein relativ effizienter Weg für Steuererhöhungen wäre die Abschaffung von Privilegien/Abzügen, die Fehlanreize auslösen. Die Experten haben einige Kandidaten geortet.

Anreiz für Kapitalbezüge

In erster Priorität empfehlen sie die Beseitigung des Steuerprivilegs für den Bezug von Kapitalleistungen aus der Pensionskasse (und aus der Säule 3a). Der Sondersatz für solche Kapitalbezüge ist oft tiefer als der ordentliche Einkommenssteuersatz etwa auf den Renten. Dies gilt vor allem bei hohen Beträgen.

Ein Illustrationsbeispiel lieferte die Beratungsfirma VZ Vermögenszentrum für einen alleinstehenden 65-jährigen Mann mit einem Vorsorgekapital von 500 000 Franken. Laut den Rechnungen zahlt der Mann mit einem vollen Kapitalbezug bei der Pensionierung in den ersten zwanzig Jahren total rund 50 000 Franken weniger Steuern bei Bund, Kanton und Gemeinde als bei vollem Rentenbezug. Dies unter Berücksichtigung der kantonalen Vermögenssteuern und mit gewissen Annahmen zu den Anlagerenditen des Kapitalbezügers.

Die Expertengruppe schlägt nun auf Bundesebene vor, dass bei Kapitalbezügen die Steuerbelastung «möglichst» die gleiche ist wie beim Rentenbezug – durch theoretische Umrechnung des Kapitalbezugs in eine Jahresrente und mit der Verwendung des entsprechenden Einkommenssteuersatzes. Ein solches Modell würde laut Bundesschätzung Zusatzerträge bei der direkten Bundessteuer von etwa 280 Millionen Franken pro Jahr bedeuten.

Eine steuerliche Gleichbehandlung von Kapitalbezug und Rentenbezug könnte Fehlanreize beseitigen. Die Steuern würden beim Entscheid «Kapital oder Rente?» keine wesentliche Rolle mehr spielen. Aus ökonomischer Sicht wäre das eine Verbesserung. Aus sozialpolitischer Sicht widerspricht zudem der derzeitige Steueranreiz zum Kapitalbezug zum Teil dem Grundgedanken des Zwangssparens in der beruflichen Vorsorge: Solches Sparen soll finanzielle Sicherheit im Alter ermöglichen, was der Kapitalbezug infrage stellen kann.

In zweiter Priorität empfiehlt die Expertengruppe, bei der Mehrwertsteuer die Sondersätze für Güter des täglichen Bedarfs und für die Hotellerie abzuschaffen und die Ausnahmen zu reduzieren. Der Schritt zum Einheitssatz brächte administrative Vereinfachungen und würde volkswirtschaftliche Verzerrungen beseitigen. Doch politisch hat sich diese schon oft diskutierte Idee bis heute nicht durchgesetzt. Die Hotellerie kämpft für ihr Steuerprivileg. Und eine Allianz links-Mitte will mit dem reduzierten Satz für Güter des täglichen Bedarfs Sozialpolitik betreiben. Das ist wenig zielgerichtet: Die Reichen konsumieren von den steuerprivilegierten Gütern mehr als die Armen.

Grundstückgewinne im Visier

Eine Mehrheit der Expertengruppe empfiehlt zudem in dritter Priorität, die Einführung einer Grundstückgewinnsteuer für Privathaushalte auf Bundesebene zu «prüfen».

Beim Bund unterstehen Grundstückgewinne auf Geschäftsvermögen der Einkommenssteuer oder der Firmengewinnsteuer. Grundstückgewinne auf Privatvermögen sind dagegen steuerfrei. Solche Gewinne werden indes in allen Kantonen besteuert – auf kantonaler Ebene und/oder in den Gemeinden.

Bei Privatvermögen wird diese Steuer in allen Kantonen separat vom übrigen Einkommen zu einem speziellen Satz erfasst. Besteuert wird beim Immobilienverkauf eine positive Differenz zwischen dem Verkaufspreis und der Summe von Kaufpreis und wertvermehrenden Aufwendungen. Die Steuertarife sind typischerweise abgestuft nach Gewinnhöhe (progressiv) und Besitzdauer (degressiv).

Was das Vermögen vermehrt, ist als Einkommen zu besteuern. Das ist ein Grundsatz des Schweizer Steuersystems. Deshalb sind nebst den Erwerbs- und Renteneinkommen auch die Kapitaleinkommen zu versteuern. Auch Kapitalgewinne erhöhen das Vermögen. Die Schweiz kennt indes keine Kapitalgewinnsteuer auf beweglichem Vermögen; das ist im Prinzip systemfremd.

Die Grundstückgewinnsteuer auf Privatvermögen schafft eine Gleichbehandlung zwischen Privatvermögen und Geschäftsvermögen (zur Beseitigung von Fehlanreizen erwünscht), eine Gleichbehandlung von Grundstückgewinnen mit manchen anderen Einkommenstypen (erwünscht), aber eine Ungleichbehandlung zwischen privaten Immobilien und beweglichem Privatvermögen (unerwünscht).

Laut der Mehrheit der Expertengruppe löst die Grundstückgewinnsteuer weniger negative Arbeits- und Sparanreize aus als etwa die Einkommenssteuer. Die Minderheit sieht das Risiko einer «Überbesteuerung» von Grundstückgewinnen, wenn der Bund nun auch eine solche Steuer einführt.

Die Grundstückgewinnsteuer hatte 2023 den Gemeinden im Kanton Zürich laut Kantonsangaben total 1,2 Milliarden Franken eingebracht. Das nationale Total aller Vermögensgewinnsteuern einschliesslich der Grundstückgewinnsteuer belief sich 2022 gemäss Bundesangaben auf rund 3,8 Milliarden. Die Expertengruppe ortet für eine Bundessteuer auf privaten Grundstückgewinnen ein Ertragspotenzial von etwa 1 Milliarde Franken pro Jahr. Doch dies hinge stark von der Ausgestaltung ab.

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