Was ist rechte Politik? Im Buch «Ich bin Giorgia» sagt Giorgia Meloni, was sie darunter versteht: ein Denken, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Heute Freitag erscheint das Buch der italienischen Ministerpräsidentin auf Deutsch.

Giorgia Meloni liebt deutliche Worte. Wenn es um Politik geht sowieso, und wenn die italienische Ministerpräsidentin in ihrer Autobiografie «Ich bin Giorgia», die heute Freitag auf Deutsch erscheint, die grundsätzlichen Unterschiede zwischen rechts und links erörtert, geht es erst recht hart zur Sache. Schliesslich steht der Kern ihres Selbstverständnisses zur Debatte.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

«Die Linke mag die Rechte nicht, das ist ziemlich offensichtlich», so beginnt sie ihr politisches Glaubensbekenntnis, das in der «Welt» als Vorabdruck zu lesen ist, und fährt fort: «Übrigens mag ich die Linke auch nicht, und ich mache auch kein Hehl daraus.» Meloni liefert auch gleich die Begründung für ihre Abneigung, an der zu zweifeln sie tatsächlich nie Anlass gegeben hat.

Melonis Abneigung gegen die Linke liegt nicht zuletzt auch darin, dass diese der Rechten dauernd erklären wolle, was rechts bedeute. Journalisten, Politiker und «mehr oder weniger angesehene Intellektuelle» wendeten viel Zeit dafür auf, so Meloni. Doch damit betonten sie letztlich nur, wie die Rechte ihrer Ansicht nach zu sein hätte: nicht so, wie sie sei, sondern so, wie die Linke sie sich wünschen würde.

Nicht gefallen wollen

Damit behauptet die Linke für Meloni einen Anspruch auf moralische Überlegenheit – einen Anspruch, für den sie den Beweis freilich schuldig geblieben ist. Anderseits folge die Linke mit dieser Taktik einem politischen Kalkül. Denn sie wünsche sich eine Rechte, die keine Wählerstimmen mehr bekomme: «Wenn die Rechte der Linken gefällt, dann gefällt sie natürlich nicht mehr dem, der rechts ist.»

Die Rechte, heisst das, muss zu ihren Grundsätzen stehen: «Wenn die Linke dir übers Haar streicht und dich zu deinen präsentablen Positionen beglückwünscht, dann bedeutet das, dass du etwas falsch gemacht hast.» Meloni sieht deshalb nur eine Strategie: Die Rechte darf der Linken nicht gefallen wollen. In der klaren Sprache der Ministerpräsidentin: «Ihre Feindseligkeit ist für mich wie der Polarstern, der mir bestätigt, dass der Kurs stimmt.»

Der Kurs, den die Rechte segeln muss, richtet sich gegen alles, wofür die Linke laut Meloni steht: eine Politik, die Utopien hinterherjagt und an der Welt nur das sehen will, was zu den eigenen Überzeugungen passt. «Das linke Denken ist, gestern wie heute, eine Ideologie, in deren Namen man bereit ist, jegliche Form von Unterdrückung und Gewalt zu rechtfertigen», schreibt sie. Von dieser «ideologischen Hetze» aus zieht Meloni eine direkte Linie zum religiösen Fundamentalismus. Und landet beim Islam. Das heisst: beim islamistischen Fanatismus.

Eine Welt ohne Unterschiede

Wer glaube, eine edle Mission zu erfüllen und dem Willen Allahs Folge zu leisten, für den sei es richtig, alle aus dem Weg zu schaffen, die ihn an der Erfüllung seiner Aufgabe hinderten, schreibt Meloni: «Das machen Terroristen, wenn sie auf wehrlose Menschen schiessen, und das macht die Diktatur des Einheitsdenkens, wenn sie ihren politischen Gegnern die freiheitlichen Grundrechte und das Recht zur freien Meinungsäusserung abspricht.»

Da werden die Parallelen nun etwas gar eng geführt. Vom Kampf der woken Linken zum Terrorismus ist es ein sehr weiter Weg. Und dass die Gemeinsamkeit der Linken mit den islamistischen Fanatikern darin besteht, dass beide «eine Welt ohne Grenzen und Unterschiede» wollen, wie Meloni schreibt, wäre zu diskutieren. Klarer werden die Dinge dann wieder, wenn Meloni erklärt, was sie als den Kern rechter Politik betrachtet.

«Die Rechte stellt den Menschen in den Mittelpunkt», schreibt sie. Die italienische Linke dagegen folge einer «mysteriösen entmenschlichenden Anthropologie». Was sie damit genau meint, sagt sie nicht. Umso klarer dafür, was es heisst, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen: ihn als Wesen zu verstehen, das organisch eingebettet sei in die drei Kreise der Familie, der Nation und der westlichen Kultur. Wesentlich dafür sei das Prinzip der Freiheit.

Da klingt Melonis Credo wie aus einem Lehrbuch des politischen Liberalismus abgekupfert. Selbstverantwortung, Gemeinschaftssinn und Skepsis gegenüber dem Staat sind die Stichworte, die sie als Grundsätze ihrer Politik benennt. Da wäre dann wohl auch Melonis Abneigung gegen «eine Welt ohne Unterschiede» zu suchen. Italiens Identität, schreibt sie, verkörpere sich in den Tausenden von Glockentürmen im ganzen Land, deren Geläute sich zu einer Einheit verbänden: «Für mich bedeutet ‹Ich bin›: all dem gleichzeitig anzugehören.»

Giorgia Meloni: Ich bin Giorgia. Meine Wurzeln, meine Vorstellungen. Europa-Verlag, München 2025. 384 S., Fr. 41.90.

Exit mobile version