Samstag, April 26

Nach dem von ihm ausgelösten Absturz an den Börsen hat der amerikanische Präsident seinen Kurs geändert. Doch die disziplinierende Wirkung der Finanzmärkte hat Grenzen, von seiner Zollpolitik werde Trump im Grundsatz nicht abweichen, sagen Experten.

Der hartnäckigste Gegner von Donald Trump bekleidet kein politisches Amt. Die Finanzmärkte haben erreicht, was keinem politischen Gegner bisher gelungen ist. Nachdem sein Zollregime nach dem «Liberation Day» einen Absturz an den Börsen ausgelöst hatte, änderte der amerikanische Präsident seinen Kurs.

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Die «reziproken» Zölle wurden für 90 Tage ausgesetzt. Von seinen hartnäckigen Attacken gegen Jerome Powell, den Chef der amerikanischen Notenbank, sieht er ebenfalls ab – zumindest für den Moment. Diese Woche sagte Trump, er habe nicht vor, Powell zu entlassen. Nun will er auch China weniger hart anpacken. Er erklärte kurzerhand, die Zölle von 145 Prozent auf chinesische Waren deutlich kürzen zu wollen.

Die Finanzmärkte reagierten darauf vorsichtig optimistisch. Auf Wochensicht ist die Bilanz der amerikanischen Börsen positiv. Die Investoren bleiben ob der unsicheren Lage aber nervös. Nach wie vor haben sie das erratische Zollregime von Trump nicht verdaut. Seit Jahresbeginn liegt der S&P 500 noch knapp 7 Prozent im Minus. Bei dem technologielastige Nasdaq sind es rund 8 Prozent. Am Freitag säte Trump erneut Zweifel und erklärte, eine weitere Verschiebung seiner «reziproken» Zölle für unwahrscheinlich. Auf chinesische Waren werde er die Zölle nicht senken, ausser Peking offeriere im Gegenzug «etwas Substanzielles».

Von einem Einknicken wollen Trump und die Vertreter seiner Administration nichts wissen. Sie argumentieren, dass der scharfe Kurswechsel Teil eines längerfristigen Plans sei, mit welchem der Präsident möglichst viele Länder dazu zwingen will, Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten abzuschliessen. Für Trump sind die volatilen Märkte kein Problem. Er habe gesagt, dass es eine Übergangsphase geben werde, sagte er am Freitag. Langsam aber sicher komme nun das Verstehen der Investoren für seine Zollpolitik.

Für Klaus Wellershoff, Ökonom und Gründer der Unternehmensberatung Wellershoff & Partner, ist jedoch klar: «Die Finanzmärkte haben Donald Trump diszipliniert.» Allerdings anders als erwartet: Achtete Trump während seiner ersten Amtszeit stärker auf die Aktienmärkte, waren es diesmal die Anleihenmärkte, welche Trump zu einer Kursänderung bewogen. Nachdem Trump seine Zölle am 9. April kurzzeitig in Kraft gesetzt hatte, schossen die Renditen von US-Bonds in die Höhe.

«Trump reagiert auf Stress im Markt», sagt Wellershoff. Die Investoren wurden von Trumps Zollregime abgeschreckt und verkauften amerikanische Staatsanleihen. Für 10-jährige US-Staatsanleihen (Treasuries) stiegen die Renditen in der Folge auf rund 4,5 Prozent. Mittlerweile sind sie wieder auf 4,2 Prozent gesunken.

Die Auswirkungen des Tarif-Jo-Jos unterschätzt

Die steigenden Anleihenrenditen haben den amerikanischen Präsidenten empfindlich getroffen. Er habe gesehen, dass den Leuten ein bisschen mulmig wurde, sagte Trump danach vor den Medien. Global gelten amerikanische Staatsanleihen als die wichtigsten und sichersten Anlagen überhaupt. In diesem Markt werden viel grössere Summen bewegt als an den Aktienmärkten. Die Papiere werden von Staaten, Unternehmen und Privatinvestoren gehalten.

Ein Teil der Verkäufe ist laut Christof Schürmann, Analyst beim Flossbach von Storch Research Institute, auch auf Hedge-Funds zurückzuführen. Während der Marktverwerfungen hätten diese professionellen Spekulanten ihre Risiken reduziert, sagt er.

Diese Verkäufe sind problematisch: «Verkäufe am Anleihenmarkt tangieren die amerikanische Regierung viel unmittelbarer als Verwerfungen am Aktienmarkt», sagt er. Der Grund ist, dass sich die Vereinigten Staaten über Anleihen refinanzieren. Steigen die Renditen, müssen sie für ihre Schulden mehr bezahlen. Für die Regierung von Trump könnte dies ungemütlich werden, meint Schürmann.

In höchstem Masse unklar ist zudem, welchen Einfluss die Zölle von Trump auf die Entwicklung der Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten hat. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht zwar davon aus, dass Mehreinnahmen durch die Zölle dazu führen könnten, dass das Defizit der USA von 7,3 auf 6,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) sinkt. Da weder der Zeitplan noch die Höhe der Zölle feststehen, könnten sie aber auch dazu führen, dass Mehreinnahmen ausbleiben. Zudem weist der IWF warnend darauf hin, dass sich die Zölle negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Das könnte dazu führen, dass unter dem Strich von den erhofften Mehreinnahmen nicht mehr viel übrigbleibt.

Trump hat doch nicht alle Stellschrauben im Blick

Der amerikanische Präsident hat unterschätzt, was sein Zoll-Jo-Jo mit den Finanzmärkten anrichtet. «Er hat wohl nicht alle Stellschrauben so genau im Blick, wie er es gerne möchte», sagt Fabienne Hockenjos-Erni, Anlagechefin der Basellandschaftlichen Kantonalbank. Das führt dazu, dass Trump momentan mit einem immens hohen Einsatz pokert. Sein Einsatz sei mehr oder weniger die gesamte amerikanische Wirtschaft.

Diese leidet bereits unter den Zöllen. Trump traf diese Woche die Chefs von grossen Retail-Konzernen wie Target, Walmart und Home Depot. Diese warnten ihn, dass sein Zollregime zur Unterbrechung von Lieferketten, zu steigenden Preisen und leeren Regalen in den Supermärkten führen könnte. Solche TV-Bilder will der überaus medienaffine Trump nicht riskieren.

Für Wellershoff hat die disziplinierende Wirkung der Finanzmärkte auf Trump aber auch Grenzen. Bei anderen Themen würde er vielleicht eher einlenken: «Mit Zöllen ist man im Zentrum der trumpschen Politikvorstellungen angekommen», sagt er. In seinen merkantilistisch geprägten Ideen zeige sich ein Weltbild aus dem 17. Jahrhundert. Das Thema treibe ihn schon sehr lange um. Trump habe das Gefühl, die Amerikaner würden benachteiligt, wenn sie Waren im Ausland günstig einkaufen könnten, meint der Ökonom.

Das deckt sich mit Aussagen der Berater von Trump, welche immer wieder signalisiert haben, der amerikanische Präsident werde von seinem Plan, den globalen Handel neu zu kalibrieren, nicht abrücken. Mittelfristig werde dies dazu führen, dass die USA langsamer wachsen, befürchtet Wellershoff. Die Entwicklung in den USA ist aber auch eine Chance für Europa: «Es gibt nur eine Alternativwährung zum Dollar, und das ist der Euro», sagt der Ökonom.

Die Heftigkeit von Trumps Politik unterschätzt

Die Freude über den «Trump-Trade» ist mittlerweile verflogen. Nach der Wahl von Donald Trump im November hatten Investoren auf Deregulierung und eine insgesamt deutlich wirtschaftsfreundlichere Politik unter Trump spekuliert. Das führte zu einem grossen Geldzufluss in amerikanische Aktien und risikoreiche Anlagen wie Kryptowährungen.

«Die Finanzmärkte haben ihn nicht falsch verstanden», sagt Hockenjos. Sie hätten seine erste Amtszeit als Vorlage dafür genommen, wie Trump sich nach seiner Wiederwahl verhalten werde. Die Investoren hätten jedoch unterschätzt, mit welcher Heftigkeit Trump seine Politik umsetze und dass er durchaus gewillt sei, kurzfristige wirtschaftliche Einbussen dafür in Kauf zu nehmen.

Für 90 Tage gilt vorerst das Moratorium auf die Zölle. Gelingt es dem amerikanischen Präsidenten, bis dann möglichst viele Länder zu Handelsabkommen zu bewegen, könnten auch die Märkte wieder in ein ruhigeres Fahrwasser geraten, meint Hockenjos. Doch wie bei allem, was Donald Trump anbelangt, ist Vorsicht angebracht. Es wäre nicht das erste Mal, dass der amerikanische Präsident unvermittelt einen neuen Kurs einschlägt und die Finanzmärkte damit auf dem falschen Fuss erwischt.

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