Nach Grossvater Cesare und Vater Paolo streift sich auch Daniel Maldini das Trikot des italienischen Nationalteams über. Die Geschichte einer aussergewöhnlichen Dynastie – und ihres Bruchs mit dem Herzensklub Milan.
Die EM im vergangenen Sommer war für Italien verkorkst. Aber jetzt kommt wieder etwas Hoffnung auf – getragen auch von Nostalgie. Die Aufbruchsstimmung hat einen Namen, einen sehr gewichtigen im italienischen Fussball: Maldini.
Es geschah am Montag in Udine während des 4:1-Siegs der Azzurri in der Nations League gegen Israel. In der 74. Minute betrat Daniel Maldini den Rasen, erstmals für das A-Nationalteam Italiens. Er ist 23-jährig, spielt bei Monza und hat in der laufenden Saison erst ein Tor geschossen. Aber im Rücken hat er über siebzig Jahre Historie.
Daniel ist der dritte Nationalspieler seiner Dynastie nach dem Grossvater und dem Vater. In Italien hatte es das noch nie gegeben. Die «Gazzetta dello Sport» nennt die Maldinis nun die «First Family» des Calcio.
Der Name Maldini steht für Klasse und Charme
Die Bezeichnung ist durchaus legitim. Die Maldinis sind mit dem italienischen Fussball so verbunden wie das Land mit dem Meer. Der Grossvater Cesare war nicht nur Spieler, sondern auch Trainer der Nazionale. Sein Sohn Paolo hielt vor Lionel Messi den Rekord an gespielten Minuten an Weltmeisterschaften. Er stand für die ausserordentliche Klasse der italienischen Verteidiger – und mit seinem unverschämt guten Aussehen für den Charme der Calciatori.
Und nun betritt auch Daniel Maldini die internationale Bühne. Statt zu verteidigen wie seine Vorfahren, geht er auf Torjagd. Erst im vergangenen Jahr ist sein Talent offensichtlicher geworden – seit er für Monza stürmt. Davor hatte er wie Nonno Cesare und Papà Maldini das rot-schwarze Trikot der AC Milan getragen. Noch viel mehr als das Nationalteam haben die Maldinis Milan geprägt.
Durchgesetzt hatte sich Daniel dort nie. Italien gilt als Vitamin-B-Land par excellence. Die Arbeitssuche ohne Beziehungen kann aufreibend sein. Die «raccomandati», diejenigen, die empfohlen wurden, haben es einfacher. Für Daniel Maldini schien das nicht zuzutreffen.
Vielmehr führte sein Status als «Sohn von» zum Bruch mit dem Herzensklub der Familie. Von 2018 bis 2023 war Paolo Maldini zu Milan in die Führungsetage zurückgekehrt. Es war inzwischen ein anderer Verein. Der Patron Silvio Berlusconi war weg, zuerst kamen chinesische, dann amerikanische Investoren. Maldini überwarf sich mit Letzteren. Dass ein halbes Jahr später auch Daniel wegzog, wurde als Zwist des Klubs mit der gesamten Familie gedeutet.
Paolo Maldini war ein Engel des Tacklings
Auf der Tribüne schaute am Montag auch er zu: die Legende Paolo. Im selben Stadion hatte seine Karriere mit Milan den Lauf genommen. Dort debütierte er im Januar 1985 in der Serie A. Erst 16 war er, aber mit einem unübersehbaren Talent gesegnet. Nils Liedholm trainierte damals die Mailänder und wechselte Maldini in der zweiten Halbzeit ein. Davor soll er ihn gefragt haben: «Paolo, wo willst du spielen? Rechts oder links?»
Während seiner langen Karriere war er dann meistens linker Aussenverteidiger, manchmal auch Abwehrchef. Und immer eine Augenweide. Elegante Tacklings, überraschende Antizipationen, Pässe mit der Hacke aus der Drehung in der Luft. Das San Siro, die Oper des Calcio, applaudierte mit Ehrfurcht diesem Engel mit stahlblauen Kulleraugen und wehenden Haaren.
Paolo Maldini und die AC Milan verwuchsen zu einer Einheit, die unzertrennbar wirkte. Er ist einer der seltenen Fussballer, die ihrem Klub ewig treu blieben. Bis ins Jahr 2009 folgten nach dem Debüt in Udine weitere 900 Auftritte für die Rossoneri sowie 26 Titel – fünf Mal stemmte er die Champions-League-Trophäe in die Höhe.
Eine Liebesgeschichte seit den 1950er Jahren
Milan und die Maldinis, das war schon seit den fünfziger Jahren eine Liebesgeschichte. Paolos Vater Cesare, 2016 verstorben, war aus der Hafenstadt Triest in die Metropole gezogen und mit den Mailändern mehrfacher italienischer Meister geworden.
Auch er wurde Europacup-Sieger, aber im Nationalteam fand er wenig Platz. Nach nur 14 Einsätzen war seine Karriere im Dress der Azzurri vorbei. Viel länger war sie im Trainingsanzug des Verbands. Als Assistent des Nationaltrainers Enzo Bearzot war Cesare Maldini Teil des Weltmeister-Staffs von 1982. Später führte er die U 21 zu drei EM-Siegen, letztmals 1996. Mit im Kader waren die späteren Weltmeister von 2006 wie Gianluigi Buffon, Fabio Cannavaro oder Francesco Totti.
Danach wurde Cesare selbst A-Nationaltrainer und war während zweier Jahre von 1996 bis zum Viertelfinal-Aus an der WM 1998 Chef seines Sohnes Paolo. Dessen Laufbahn im Nationalteam war mit 126 Partien ungleich glanzvoller. Dennoch blieb der Junior bescheiden und ehrgeizig. «Ich war der erfolgloseste Nationalspieler», sagte Paolo einst. Obwohl er einer goldenen Generation von Italienern angehörte, blieben ihm Titel in Azurblau verwehrt. Im WM-Final 1994 und im EM-Final 2000 ging er als Verlierer vom Platz.
Er ist ein Lichtblick in der Offensive
Und nun schreibt also Daniel ein neues Kapitel der Maldini-Saga. Trotz kurzer Einsatzzeit trug er zu der Aktion zum vierten Tor der Italiener bei. Er gilt als grosses Stürmertalent, physisch robust mit 188 Zentimetern Länge und einer ausgefeilten Technik. Beim akuten Stürmermangel im Nationalteam ein Lichtblick für den Trainer Luciano Spalletti.
Allerdings fehlt noch die Erfahrung, die sammelt Daniel Maldini erst seit seinem Wechsel nach Monza. Davor hatte ihn Milan – wie so oft bei jungen italienischen Spielern – in die Provinz nach La Spezia und Empoli verliehen. Dann kamen der Zwist und der Bruch, den Experten in Talks als «Gewalt gegen die Milan-Geschichte» taxierten.
Dass Maldini junior in Monza spielt, ist kein Zufall und hat trotzdem mit der Milan-Geschichte zu tun. Nach dem Verkauf seines Klubs übernahm Berlusconi zusammen mit dem einstigen Milan-Geschäftsführer Adriano Galliani Monza. Dieser führte den Vorstadt-Verein erstmals in die Serie A. Mittlerweile wird er von einem einstigen Teamkollegen Paolo Maldinis trainiert, von Alessandro Nesta.
Daniel Maldini gefällt Inter? Das ist eine Horrorvorstellung für die Milan-Fans
In diesem Milan-Kontext blüht Daniel Maldini auf und beginnt, mit guten Bewegungen, Assists und Toren auf sich aufmerksam zu machen. Eine Rückkehr zur AC Milan schliessen italienische Journalisten aus, solange die gegenwärtige Führung den Klub besitzt. Und solange Maldini so auffällig spielt. Er könnte bald so viel wert sein, dass das redimensionierte Milan ihn sich nicht mehr leisten kann.
Jüngst machten Gerüchte Schlagzeilen, die sich für Milan-Fans wohl wie eine Nierenkolik anfühlen müssen: Daniele Maldini soll dem Erzfeind Inter Mailand gefallen.