Samstag, November 23

Raus aus dem Hamsterrad – wer will das nicht. Doch unserem Hirn fehlen dann die Reize. Es ist plötzlich auf Entzug. Ein Beitrag aus der Rubrik «Hauptsache, gesund».

Drei Wochen nichts tun müssen. Das tönt paradiesisch. Ist es doch genau das, was wir uns, angetrieben von den Bedürfnissen der Familie und des Jobs, den Hobbys und sozialen Kontakten, erträumen. Einfach nur auf dem Sofa liegen und ein schönes Buch lesen.

Doch ganz ehrlich: Nichtstun ist total anstrengend. Und zumindest am Anfang keineswegs beglückend. Zumindest habe ich meine Auszeit nicht als so paradiesisch erlebt, wie man sich das so vorstellt.

Das liegt sicher auch daran, dass ich mich nicht freiwillig aufs Sofa zurückgezogen habe. Vielmehr musste ich dorthin, weil meine Ärztin mir wegen einer Herzentzündung absolute Ruhe verordnet hatte. Bei jedem Gang in den ersten Stock ins Bad wurde mir auch sofort bewusst, warum Nichtstun nötig war.

Aber warum fiel es mir trotzdem so schwer?

Zum einen: Nichtstun ist in unseren Breitengraden verpönt. Man liegt nicht auf der faulen Haut. Nur wer sich anstrengt, erreicht etwas. Diese Haltung habe sicher auch ich verinnerlicht. Aber ich hatte ja die beste Ausrede: Ich durfte (und konnte) nicht arbeiten, nicht einkaufen, nicht kochen. Trotzdem hatte ich manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn ich meine Familie herumwuseln sah und Kollegen für mich einspringen mussten.

Reize von aussen empfindet das Gehirn als Belohnung

Zum anderen: Nichtstun ist so schwer, weil es für unser Gehirn eine Art Entzug ist. Jeder Reiz, der von aussen kommt, sei es eine E-Mail, ein Anruf oder eine zu erledigende Aufgabe, all das ist für unser Gehirn jeweils auch eine Belohnung. Und in unserer heutigen Zeit sind ständige Reize Alltag. Unser Gehirn ist also geradezu süchtig danach.

Hinzu kommt, dass uns die Erledigung von Aufgaben, sei es ein berufliches Projekt oder ein Wochenendeinkauf, befriedigt. Auch das steuert unser internes Belohnungssystem. Doch diese mentalen Streicheleinheiten fallen weg, wenn wir den ganzen Tag auf dem Sofa liegen und lesen.

Als ich nun so plötzlich aus dem Hamsterrad geschubst wurde, da fühlte es sich an, als ob in meinem Kopf eine Flipperkugel hin und her schiesse, aber ohne ihr Ziel zu erreichen. In den ersten Tagen juckte es mir in den Fingern, ich wollte ständig nur schnell einmal ein paar Nachrichten lesen. Aber diese sind derzeit meist wenig erbaulich und beruhigen also kaum.

Unser Gehirn unterhält ein sehr aktives Ruhenetzwerk

Die Flipperkugel in unserem Gehirn ist auch deshalb so schwer zu beruhigen, weil unser Gehirn nie ausgeschaltet ist. Selbst wenn wir aktiv an nichts denken, nichts planen, ist ein ganzes Netzwerk an Nervenzellen in mehreren Hirnarealen aktiv und tauscht Signale aus. Fachleute bezeichnen das als Ruhenetzwerk. Experten gehen davon aus, dass unser Gehirn darüber die ganze Zeit Vorhersagen über die Aussenwelt erzeugt.

Wie wichtig dieses Ruhenetzwerk ist, zeigt sich auch daran, dass unser Gehirn beim Erledigen spezieller Aufgaben, also beim bewussten Denken und Handeln, nur etwa 5 Prozent mehr Energie benötigt als im Ruhezustand.

Da das Gehirn aber nie wirklich in Ruhe ist, müssen wir ihm ab und zu Phasen mit wenig Reizen gönnen. Wir dürfen immer einmal wieder an nichts aktiv denken, also tagträumen. Manche Neurowissenschafter sind der Meinung, dass nur dadurch Kreativität entsteht.

Tatsächlich komme ich nach einigen Tagen deutlich besser mit dem Nichtstun – oder besser gesagt: wenig aktiv sein – klar. Ich nutze das Handy nur noch für den Nachrichtenaustausch mit lieben Verwandten und Freunden. Ich geniesse es, mit geschlossenen Augen in der Sonne zu sitzen – und aktiv an nichts zu denken.

In der wöchentlichen Rubrik «Hauptsache, gesund» werfen die Autorinnen und Autoren einen persönlichen Blick auf Themen aus Medizin, Gesundheit, Ernährung und Fitness. Bereits erschienene Texte finden sich hier.

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