Donnerstag, März 13

Teure Autos, Luxuswohnungen, Kunstwerke: Korrupte afrikanische Regierungsfamilien lebten lange wie Gott in Frankreich. Das ändert sich – wegen Gerichtsverfahren in Europa und Staatsstreichen in der Heimat.

Es ist nicht einfach, der First Lady einer afrikanischen Kleptokratie eine gerichtliche Vorladung zu überreichen. Das hat die Pariser Polizei in diesen Tagen festgestellt. Als die Beamten Ende Februar an der Tür einer Luxuswohnung im 17. Arrondissement, Nähe Champs-Élysées, klingelten, war Antoinette Sassou-Nguesso nicht da. Sie hielt sich drei Kilometer entfernt auf, in einer anderen Luxuswohnung, an der Avenue Rapp, 7. Arrondissement, gleich beim Eiffelturm.

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Einige Tage später sass die 79-jährige Gattin des Präsidenten von Kongo-Brazzaville dann im Flugzeug nach Zentralafrika. Sie hatte keine Lust, vor den Behörden dazu auszusagen, wie es kommt, dass die Präsidentenfamilie eines der ärmsten Länder der Welt in Frankreich mehr als ein Dutzend Wohnungen und Häuser, Dutzende von Bankkonten sowie Aston-Martins, Porsches, Mercedes und Audis besitzt.

Die französischen Behörden ermitteln seit über zehn Jahren gegen mehrere zentralafrikanische Präsidentenclans, die chronisch korrupt sind und eine Vorliebe für Luxus europäischer Prägung haben. Die Ermittlungen laufen unter dem Titel «biens mal acquis» (unrechtmässig erworbene Güter). Sie haben unter anderem dazu geführt, dass Rolls-Royce, Schmuck und Kunstwerke beschlagnahmt wurden. Diesmal sollte es um die Immobilien des Sassou-Nguesso-Clans gehen, wie das Onlinemedium «Africa Intelligence» berichtete. Doch zur geplanten Einvernahme kam es nicht.

Mit der Concorde zum Shoppen nach Paris

Antoinette Sassou-Nguesso war vor vielen Jahrzehnten einmal Lehrerin. Dann, 1969, heiratete sie Denis Sassou-Nguesso, einen Offizier, der gerade mitgeholfen hatte, den Präsidenten von Kongo-Brazzaville zu stürzen. Zehn Jahre später wurde Sassou-Nguesso Präsident, Antoinette seine First Lady. Sie sind es bis heute geblieben, mit einem Unterbruch von fünf Jahren zwischen 1992 und 1997. Nur die Präsidenten von Äquatorialguinea und Kamerun, Greise wie Sassou-Nguesso, regieren länger.

Kongo-Brazzaville ist enorm reich an Erdöl, ist aber trotzdem arm geblieben. Auf dem Index für menschliche Entwicklung der Uno belegte das Land jüngst Rang 149 unter 194 Staaten, mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in extremer Armut. Das liegt nicht zuletzt am Präsidentenclan, der das Land heruntergewirtschaftet hat und sich gleichzeitig kräftig aus der Staatskasse bedient hat.

Die Eskapaden afrikanischer Präsidenten und ihrer Familien in Europa sorgen seit langem für Aufsehen. Mobutu Sese Seko, während dreier Jahrzehnte Präsident von Kongo-Kinshasa, das er in Zaire umbenannte, besass eine Prunkvilla an der Côte d’Azur und reiste mit der Concorde zum Shoppen nach Paris. Paul Biya, der 92-jährige Präsident von Kamerun, hält sich am liebsten im Genfer Hotel Intercontinental auf, wo er die Rechnung angeblich mit Säcken voller Euro-Scheine begleicht. Teodorin Obiang, Sohn des Präsidenten von Äquatorialguinea und Vizepräsident, konnte 2021 nicht verhindern, dass die französischen Behörden sein Pariser Stadtpalais mit über hundert Zimmern und seine Kunstsammlung mit Werken von Degas und Renoir beschlagnahmten.

«Françafrique» liegt im Sterben

Es ist kein Zufall, dass die Episoden oft in Frankreich spielen und die Hauptfiguren aus einstigen französischen Kolonien kommen. Das System der «Françafrique», mit dem Frankreich seinen Einfluss in Afrika nach der Unabhängigkeitswelle um 1960 wahrte, beruhte darauf, dass französische Regierungsvertreter enge Beziehungen pflegten zu frankophilen afrikanischen Eliten, mit denen sie Militärinterventionen planen und Geschäfte abwickeln konnten. Dafür sah Frankreich lange darüber hinweg, dass die afrikanischen Partner hoch korrupt waren.

Inzwischen liegt «Françafrique» im Sterben, was auch an den Exzessen der Regierungsclans liegt. Mehrere von ihnen fielen in den vergangenen Jahren Putschen zum Opfer. Jüngst 2023 Ali Bongo in Gabon, der wie die Sassou-Nguessos ein Ziel der «Biens mal acquis»-Ermittlungen ist.

Dass die französische Justiz in den letzten eineinhalb Jahrzehnten vermehrt gegen korrupte afrikanische Regierungsfamilien vorging, hat Frankreich in Afrika aber keine neuen Sympathien eingebracht. Ein Grossteil der Bevölkerung sieht Figuren wie Denis Sassou-Nguesso oder Ali Bongo als Marionetten Frankreichs. Nach den Militärputschen haben bestehende antifranzösische Ressentiments weiter zugenommen, auch weil die Militärjunten sie gezielt schüren. Inzwischen musste Frankreich fast alle seine Militärbasen in West- und Zentralafrika räumen.

Erste Reihe bei der Wiedereröffnung von Notre-Dame

Während mehrere französische Verbündete in Afrika in den vergangenen Jahren weggebrochen sind, blieben die Beziehungen zu Kongo-Brazzaville gut – trotz den parallelen Ermittlungen gegen die Sassou-Nguessos. Bei der Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame im Dezember sassen Denis und Antoinette Sassou-Nguesso in der ersten Reihe, gleich neben der Familie des amerikanischen Präsidenten Joe Biden, neben Donald Trump und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Doch nun könnte das Verhältnis nachhaltig erschüttert sein. Laut Medienberichten ist Denis Sassou-Nguesso empört darüber, wie die französische Justiz mit seiner Gattin umspringt. Ein für Ende März angesetzter Staatsbesuch in Frankreich steht auf der Kippe.

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