Drei Monate nach der Wahl hat Österreich keine neue Regierung, und das wird sich auch nicht schnell ändern. Derweil feiert die FPÖ in der Steiermark einen Triumph und legt in den Umfragen nochmals deutlich zu.
Gut drei Wochen nach der Landtagswahl in der Steiermark mit einem Erdrutschsieg der FPÖ steht die neue Regierung. Am Mittwoch wurde Mario Kunasek zum Landeshauptmann gewählt – er ist erst der zweite in der Geschichte der rechtspopulistischen Partei nach Jörg Haider in Kärnten. Der einstige Unteroffizier und Verteidigungsminister führt nun eine Koalition gemeinsam mit der konservativen ÖVP an.
Dass wie in der Steiermark die bei der Wahl erstplatzierte Partei gemeinsam mit der zweitplatzierten eine Regierung bildet, sei «demokratisch, logisch und normal», sagte der FPÖ-Chef Herbert Kickl schon vor zwei Wochen. Das war eine nicht uneigennützige Anspielung auf die Situation auf Bundesebene, wo auch knapp drei Monate nach der Parlamentswahl noch immer über eine neue Koalition verhandelt wird. Und dies ohne Kickl, obwohl er die FPÖ erstmals überhaupt zum Sieg geführt hatte. Weil alle anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit ihm ausgeschlossen hatten, betraute Bundespräsident Alexander Van der Bellen aber schliesslich den Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer mit der Regierungsbildung.
Ein Scheitern der Dreierkoalition ist nach wie vor möglich
Dennoch widerlegt die Steiermark die Darstellung Kickls, seine Partei werde vom «System» von der Macht ausgegrenzt. Das südliche Bundesland ist bereits das fünfte von insgesamt neun, in dem die FPÖ mitregiert. Vier dieser Koalitionen wurden erst in den vergangenen zwei Jahren geschlossen und damit in einer Zeit, in der Kickl die Partei bereits präsidierte. Das macht indes auch Nehammers Argumentation schwierig: Er beharrt seit Monaten auf dem Standpunkt, mit der unter Kickl radikalisierten FPÖ sei keine Zusammenarbeit möglich. Für seine Regionalparteien gilt das offenkundig nicht.
An der Position des Kanzlers ist denn auch immer wieder interne Kritik zu vernehmen, gerade aus wirtschaftsfreundlichen Kreisen. In diesen Fragen sei die inhaltliche Übereinstimmung mit der FPÖ weit höher als mit den unter ihrem Chef Andreas Babler nach links gerückten Sozialdemokraten (SPÖ), heisst es.
Tatsächlich gestalten sich die Verhandlungen zwischen der ÖVP, der SPÖ und der liberalen Partei Neos schwierig. Am Dienstag präsentierten die Vorsitzenden eine Zwischenbilanz, in der Nehammer zwar von einem konstruktiven Prozess und wesentlichen Fortschritten sprach. Nun gehe es aber erst in die intensive Phase – und die werde auch über den Jahreswechsel andauern. Ein rascher Abschluss ist also nicht zu erwarten, und nach wie vor ist auch ein Scheitern der ersten Dreierkoalition möglich.
Streitpunkt ist wenig überraschend das Geld. Die scheidende Regierung hinterlässt ein hohes Defizit und muss laut diese Woche bekanntgewordenen Zahlen der EU in den kommenden Jahren bis zu 24 Milliarden Euro einsparen. Die SPÖ verlangt, dass die Konsolidierung des Haushalts auch einnahmenseitig erfolge und eine Vermögenssteuer eingeführt werde. Das lehnen die beiden anderen Parteien strikt ab.
Uneinig ist man sich auch über den Umgang mit dem Budgetloch selbst. Die Sozialdemokraten plädieren dafür, bewusst den Weg eines EU-Defizitverfahrens zu gehen, weil die Vorgaben für den Schuldenabbau dann weniger streng sind als bei einem Versuch, die Brüsseler Aufsicht mit einem restriktiven Sparkurs noch abzuwenden. Die ÖVP fürchtet in so einem Fall jedoch um den Ruf des Landes – und ihren eigenen, stellt sie doch seit Jahren den Finanzminister und pochte stets selbst auf eine strikte Einhaltung der EU-Fiskalregeln.
Von allen drei Parteien wird beteuert, es dürfe kein «weiter wie bisher» geben angesichts einer Serie von Wahlerfolgen der FPÖ und der in Umfragen verbreitet geäusserten Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Politik. Eine Koalition mit dem einzigen Zweck, die Rechtspopulisten von der Macht fernzuhalten, sei zu wenig, äussern auch Kommentatoren einhellig. Was bisher aus den Verhandlungen durchgesickert ist, deutet allerdings noch nicht auf einen echten Reformschub hin, den das Land zweifellos benötigen würde.
Es kursiert das Szenario einer Rückkehr von Sebastian Kurz
Dennoch sei eine Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos alternativlos, schrieb kürzlich der linksliberale «Standard» in einem Leitartikel. Das ist sie nicht: Abgesehen von einem Zusammengehen der ÖVP oder SPÖ mit Kickl wären auch eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen möglich. Immer wieder kursiert deshalb das Szenario, Sebastian Kurz könnte nach seinem Rücktritt vor drei Jahren die ÖVP wieder übernehmen und zu einem Wahlsieg führen.
Der ehemalige Kanzler ist nach wie vor präsent, teilt mit einstigen politischen Getreuen repräsentative Büros an der Wiener Ringstrasse und gibt Interviews, am Dienstag etwa in einer Talkshow der ARD. Nach wie vor laufen zwar Ermittlungen in der Inseratenaffäre, in die er involviert sein könnte. Doch in der Steiermark hat ein gegen die FPÖ laufendes Strafverfahren wegen eines Finanzskandals deren Wahltriumph nicht getrübt.
Kurz beteuert stets, kein Interesse an einer Rückkehr in die Politik zu haben, und er geht derzeit weit lukrativeren Tätigkeiten nach. Die Spekulationen zeigen dennoch, dass Nehammer zum Erfolg verdammt ist, wenn er sein Amt behalten will – zu klar hat er sich auf die Dreierkoalition festgelegt. Das Gleiche gilt für Babler, der den darbenden Sozialdemokraten in seinen anderthalb Jahren an der Spitze keinen neuen Schwung verleihen konnte. Führt er sie nach sieben Jahren Opposition nicht zurück an die Macht, wird er wohl gehen müssen. Neos schliesslich präsentiert sich seit der Gründung als Reformkraft und möchte das auch endlich unter Beweis stellen.
Trotz den nach wie vor hohen Hürden ist eine Einigung im nächsten Jahr deshalb wahrscheinlich – zumal einer Neuwahl nur die FPÖ gelassen entgegensehen könnte. Sie hat in den vergangenen Wochen in den Umfragen nochmals deutlich zugelegt und liegt mittlerweile bei knapp 35 Prozent.

