In der unvollendeten Währungsunion ist die Kooperation der Mitglieder für die Stabilität enorm wichtig. Durch das Erstarken der politischen Ränder wird die Bereitschaft dazu jedoch nachlassen – und dass die EZB einer sehr rechten Regierung zu Hilfe eilt, ist nicht gegeben.

Die vorgezogenen Neuwahlen für das französische Parlament könnten erhebliche Auswirkungen auf die Euro-Zone haben. Präsident Emmanuel Macron hatte nach der Niederlage seiner Partei und dem klaren Sieg des rechten Rassemblement national bei den Europawahlen überraschend eine vorgezogene Wahl zur Assemblée nationale angekündigt. Das mögliche Ergebnis, nämlich ein neuer Premierminister aus dem sehr rechten oder sehr linken politischen Lager, würde die mühsam stabilisierte Währungsunion wohl erneut stark unter Druck setzen.

Die Euro-Länder drückt eine hohe Schuldenlast

Um eine unvollendete Währungsunion wie die Euro-Zone funktionsfähig zu halten, in der es zwar eine gemeinsame Geld-, aber keine gemeinsame Fiskalpolitik gibt, benötigen die Mitglieder aufgrund der unterschiedlichen nationalen Kulturen und Interessen einen hohen politischen Willen zur Kooperation. Dieser war in den vergangenen Jahren meist vorhanden – und dennoch musste erst die Europäische Zentralbank (EZB) als Ausputzer einspringen, um 2012 die Schuldenkrise zu beruhigen. Der Wille zur Kooperation dürfte aber in den kommenden Jahren durch das Erstarken der politischen Ränder in Europa abnehmen.

Parteien vom rechten (und linken) Rand wehren sich nämlich meist noch stärker gegen die in den Maastricht-Verträgen vereinbarten finanzpolitischen Vorgaben als ihre Pendants aus der Mitte. Oft würden sie ohnehin ein Europa der Vaterländer gegenüber einer immer enger zusammenrückenden EU mit Zentralregierung in Brüssel präferieren. Sie sehen den Wert der EU vor allem im Freihandel und wollen die volle nationale Handlungsfreiheit in der Haushaltspolitik behalten. Dazu passt allerdings eine gemeinsame Währung wie der Euro kaum.

Das Erstarken der politischen Ränder in Frankreich, Italien und etlichen anderen Ländern der Euro-Zone geschieht ferner zu einem Zeitpunkt, in dem die Staatsschulden ohnehin sehr hoch sind und die Einhaltung der Maastricht-Kriterien für viele Mitglieder in weiter Ferne liegt. Deshalb hat die EU-Kommission jüngst sogar Defizitverfahren gegen Frankreich, Italien und weitere Euro-Zonen-Mitglieder eingeleitet, und der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte bereits vor einer strukturellen Schwäche der öffentlichen Finanzen im Hexagone.

Drei Sicherheitsnetze für die Euro-Zone

Das ist eine sehr schwache Basis für die bisherigen Wahlversprechen der äussersten Rechten und Linken in Frankreich, etwa die Rücknahme von Macrons Rentenreform. Die Versprechen würden laut der Denkfabrik Institut Montaigne auf beiden politischen Seiten mit jeweils gut 100 Milliarden Euro an zusätzlichen Ausgaben zu Buche schlagen. An den Finanzmärkten wird diese Entwicklung genau verfolgt, weshalb jüngst die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen deutlich gestiegen sind und es am französischen Aktienmarkt einen Dämpfer gab.

Für den Zusammenhalt der Euro-Zone gibt es inzwischen drei Sicherheitsnetze. Erstens sollten sich idealerweise alle Mitglieder an die vertraglich vereinbarten Haushaltskriterien halten. Das hat sich allerdings von Anfang an als illusorisch erwiesen. Zweitens wurden in der Staatsschuldenkrise und der Zeit danach Rettungsschirme geschaffen. Für diese stehen alle Mitgliedsländer ein. Glaubwürdig sind aber nur jene mit einer einigermassen soliden Haushaltspolitik wie zum Beispiel Deutschland, die Niederlande und Österreich.

Drittens hält die EZB inzwischen mehrere Staatsanleihe-Kaufprogramme parat, um die Schuldenstaaten vor dem Druck der Finanzmärkte zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik abzuschirmen. Dass die EZB aber tatsächlich auch einer Regierung erneut als Retter in der Not zu Hilfe eilt, die politisch sehr weit rechts steht, sollte man nicht als gegeben ansehen. Die Notenbank könnte ausserdem auch Hilfen mit strengen wirtschaftlichen Konditionen versehen – was in Frankreich oder Italien wohl auf grosse Empörung stossen würde.

Die EZB benötigt politische Rückendeckung

Die Rettungsschirme und die EZB-Kaufprogramme benötigen zudem letztlich die politische Unterstützung der wirtschaftlich soliden Mitgliedsländer. Doch auch in diesen haben die Kräfte am rechten politischen Rand stark zugenommen. Bei ihren Vertretern gibt es viel weniger Wohlwollen für die Unterstützung von ökonomisch weniger soliden Euro-Ländern, die meist im Süden der Währungsunion liegen.

Nimmt im Euro-Raum jedoch sowohl bei den Nehmer- als auch den Geberländern die Kooperationsbereitschaft ab, könnte das Endspiel um den Erhalt des Euro beginnen. Wenngleich allen Beteiligten sicherlich die politische Bedeutung und auch die Vorteile einer gemeinsamen Währung bewusst sind, ist der Ausgang des Spiels ungewiss.

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