Mittwoch, März 19

In der Pandemie schuf Deutschland ein Füllhorn zur Rettung von Unternehmen über 600 Milliarden Euro. Davon profitierte auch der Reisekonzern FTI, doch jetzt ist ein Grossteil des Geldes verloren. Auch deshalb ist es richtig, die Firma nicht erneut zu alimentieren.

Es ist inzwischen auch in Deutschland schlechte Tradition: Die Regierung neigt zur publikumswirksamen Rettung bekannter oder grosser Unternehmen, wenn diese finanziell in Not geraten sind, wogegen täglich viele kleine Unternehmen unbeachtet untergehen.

Das ist in vielerlei Hinsicht falsch, beispielsweise aus ordnungspolitischen und wettbewerblichen Gründen und auch aus Erwägungen der Fairness gegenüber kleinen und mittleren Firmen. Deswegen ist es gut und richtig, dass Berlin dem Reisekonzern FTI nun nicht zu Hilfe eilt.

Steuerzahler verlieren eine halbe Milliarde Euro

Der Höhepunkt der staatlichen Rettungsmanie wurde in der Corona-Krise erreicht, als Berlin ein Füllhorn über 600 Milliarden Euro in Form des Wirtschaftsstabilisierungsfonds geschaffen hat, um Unternehmen ohne langwierige Prüfung mit Geldern der Steuerzahler zu helfen. Auch FTI bekam während der Pandemie insgesamt Mittel und Kreditgarantien über weit mehr als eine Dreiviertelmilliarde Euro. Gut 500 Millionen Euro davon müssen die Steuerzahler nun wohl endgültig abschreiben.

Insgesamt fällt die Bilanz der Corona-Rettung gemischt aus. Während der Staat mit seinen Engagements bei der Lufthansa und dem Reisekonzern TUI viel Geld verdiente, hat er mit den Hilfen für den Warenhauskonzern Galeria, FTI sowie für etliche weniger bekannte Firmen Geld verbrannt. Die Bundesregierung hatte wohl immerhin aus den Verlusten der einst teuren Rettung der Commerzbank gelernt und die Hilfen diesmal so aufgesetzt, dass Gewinne wahrscheinlicher waren als bei früheren Unterstützungsmassnahmen.

Im Fall von FTI hat Berlin laut Medienberichten am Wochenende weitere Hilfen abgelehnt, wenngleich es diesmal «nur» um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag gegangen sein soll. Doch warum sollten die Steuerzahler einspringen, wenn mit der ägyptischen Milliardärsfamilie Sawiris der bisherige Mehrheitseigner und auch das potenzielle Käuferkonsortium um den US-Investor Certares das nicht wollten?

Ablehnung weiterer Staatshilfen war geboten

Die Ablehnung weiterer Staatshilfen war ordnungspolitisch geboten und operativ wenig problematisch. Ein Eingriff des Staates ins Marktgeschehen ist nur in Ausnahmen angezeigt; in der Regel muss er sich heraushalten. Das gilt auch aus Gründen der fairen Konkurrenz. Europas grösster Reisekonzern TUI, dessen Aktienkurs seit Montag in der Spitze um 17 Prozent gestiegen ist, hat bereits mit Argusaugen beobachtet, ob der Staat womöglich wettbewerbsverzerrende Hilfen leisten könnte.

Darüber hinaus ist die Insolvenz von FTI gut handhabbar. Die Reisebranche ist kein strategisch wichtiger Sektor, und es gibt mehr als genug Reiseanbieter, mit denen die Menschen künftig ihre Ferienwünsche erfüllen können. Zudem wurde nach der letzten grossen Pleite eines Reiseveranstalters, nämlich von Thomas Cook, der Deutsche Reisesicherungsfonds (DRSF) geschaffen, durch den die Käufer von Pauschalreisen gut gesichert sind. Wer nur einzelne Leistungen gebucht hat, dürfte jedoch Verluste erleiden.

Für die rund 11 000 Mitarbeiter von FTI ist die Insolvenz sicher ein Schock und eine Zäsur in ihrem Berufsleben, doch angesichts des grossen Arbeits- und Fachkräftemangels in Deutschland, nicht zuletzt im Dienstleistungssektor, sollten sie gute Chancen haben, eine neue sowie gut dotierte Beschäftigung zu finden. Und möglicherweise kann der Insolvenzverwalter sogar Teile des Konzerns fortführen, wenngleich das in der Reisebranche als schwierig gilt.

FTI als Beispiel für die Zukunft

Die Hilfen während der Pandemie mag man insofern toleriert haben, als auch gesunde Unternehmen unverschuldet in Not geraten sind und der Staat diese Not durch strenge Massnahmen dann auch noch erheblich verschärft hat. Allerdings hätte Berlin das Geld nicht mit der Giesskanne verteilen dürfen, sondern die Beamten hätten bei der Vergabe der Mittel viel genauer hinschauen müssen. Manches Unternehmen hatte schon vor der Pandemie mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen. Das galt laut Beobachtern auch für Galeria und FTI. Bei diesen war zu ahnen oder zu befürchten, dass die Gelder verlorengehen.

In normalen Zeiten ist hingegen äusserste Zurückhaltung bei der Rettung von Firmen geboten. Hier könnte FTI aus staatlicher Sicht als positives Beispiel für die Zukunft dienen, mit dem die schlechte Tradition der Staatsinterventionen endet. Es ist aber zu befürchten, dass der Sinneswandel stark mit den leeren Bundeskassen zusammenhängt. Sollten diese dereinst einmal wieder gefüllt sein, ist der Anreiz zur Rettungsaktion wieder ungleich grösser.

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