Wer hätte gedacht, dass man sich an Anzügen so erfreuen kann? Für einmal herrschte auf den Treppen der sonst modisch überbordenden Met Gala so etwas wie Demut. Das hatte mit dem diesjährigen Motto zu tun.

Manchmal kommt es einem so vor, als hätte die grosse Treppe zum Metropolitan Museum of Art in New York City jeden ersten Montag im Mai ein paar Tritte mehr. Denn an diesem Tag findet jeweils die Met Gala statt, diese von «Vogue»-Chefin Anna Wintour angeführte Benefizveranstaltung, die Aufmerksamkeit und vor allem auch Geld sammelt für das eigenfinanzierte Kostüminstitut des Museums. Modelabels kaufen Tickets oder gar ganze Tische, die sie mit ihren besten und beliebtesten Markengesichtern und «Freunden des Hauses» besetzen. Dieses Jahr kamen so rekordhohe 31 Millionen Dollar zusammen.

Auf der langen Treppe also, dem Hauptschauplatz des Abends, posieren die geladenen, von Wintour gebilligten Gäste in ihren feinsten Roben. Statt einfach besonders glitzernd oder besonders eng zu sein, folgen sie einem Dresscode, der an die neue Ausstellung des Instituts angelehnt ist: In «Superfine: Tailoring Black Style», kuratiert von der Autorin und Professorin Monica L. Miller, werden dieses Jahr 3oo Jahre «Schwarzer Stil» aufgezeichnet, aufgehängt an der Figur des Dandys of Color. Wie die ersten Dandys im England des 18. Jahrhunderts nutzte dieser das Sich-Anziehen als Kunstform und Selbstverwirklichung.

Eine Ausstellung mit Gewicht

Es ist die erste Ausstellung des Kostüminstituts, die sich auf «Designers of Color» fokussiert. Dass die Trump-Regierung derzeit grossflächig Diversitätsinitiativen streicht und Museen mit Budgetkürzungen droht, verleiht ihr noch mehr Gewicht als sonst.

Gezeigt wird, was Kleidung alles sein kann: ein Symbol der Erniedrigung, aber auch eines von Macht, Widerstand, Freiheit. Neben der samtenen, mit Gold eingefassten Uniform eines Sklaven aus dem Maryland der 1840er Jahre wird etwa auch eine mit falschen Luxuslogos bedruckte Lederjacke von Dapper Dan ausgestellt, dem bevorzugten Schneider von Gangstern und Hip-Hop-Stars im Harlem der achtziger und neunziger Jahre.

Der an die Ausstellung angelehnte Dresscode für den Abend lautete «tailored for you». Wie wörtlich man diese modische Anleitung nehmen soll, ist jedes Jahr ein streitbarer Punkt. «Garden of time» kumulierte 2024 in einer unübertroffenen Menge von Blumenkleidern, und 2023 kamen «in honor of Karl» nicht wenige Gäste als Karl Lagerfeld himself (oder als seine Katze Choupette).

Co-Vorsitzende der Met Gala waren dieses Jahr der Schauspieler Colman Domingo, der Musiker A$AP Rocky, der Musiker und Louis-Vuitton-Designer Pharrell Williams und der Rennfahrer Lewis Hamilton.

Der Anzug im Rampenlicht

So geschah dieses Mal etwas Interessantes: Der Anzug, auf dem Teppich der Met Gala oft als langweilig und sicher verschmäht, erhielt fast die gesamte Aufmerksamkeit. Nadelstreifen und Broschen waren unausweichlich. Nicht einmal Anna Wintour tauchte ohne Revers auf.

Bestes Beispiel war, wie meistens, Rihanna, die in letzter Minute und mit Babybauch auf dem Teppich erschien. Ihr Look von Marc Jacobs spielte mit vielen Markern des Dandytums: ein Hut mit breiter Krempe von Stephen Jones, ein gestärkter Kragen, eine gepunktete Satin-Krawatte, eine Wolljacke mit breitem Revers und ein Rock mit Nadelstreifen, dessen hinten angehängtes Jackett zu einer Art Turnüre gebunden war. An den Füssen trug sie schwarz-weisse Brogues, spitz zulaufend und perfekt.

Den ganzen Abend über wurde der Anzug auseinandergenommen und neu zusammengesetzt: Die Musikerin Doechii trug zu ihrem Frack eine kurze Hose, alles mit Louis-Vuitton-Monogrammen übersät (sogar auf ihrer Wange klebte eines). Die Schauspielerin Zoe Saldana erschien in einem Entwurf des Designers Thom Browne, dessen Neuinterpretationen von klassischer Männermode an dieser Met Gala äusserst beliebt waren.

Fesselnd war das Kleid aus grauer Double-Face-Wolle der Schauspielerin Myha’la (sie nutzt nur ihren Vornamen und ist aus der Serie «Industry» bekannt). Es stammt vom Designer Raul Lopez und rahmt ihr Gesicht absichtlich ein, wie es auf historischen Porträts von Heiligen oft der Fall ist. Ihre Beine stecken in – leider etwas nass gewordenen – Timberlands aus Seidenmoiré, dem archetypischen New Yorker Schuh und einem Wahrzeichen des Hip-Hops.

Federn und Muscheln

FKA Twigs war einer der vielen Gäste, die für Inspiration zur amerikanischen Kabarettistin Josephine Baker schauten. Sie sei «der Inbegriff des weiblichen Dandy», sagte die Sängerin gegenüber der britischen «Vogue», denn «sie hatte eine Haltung, die anzog und abstiess». Ihr mit Swarovski-Steinen, Federn und einer Stola aus Seidenchiffon verziertes Flapper-Kleid stammt von der britischen Designerin Grace Wales Bonner.

Wales Bonner kleidete unter anderem auch Lewis Hamilton ein, der wie so viele Gäste auf kleine Details mit grosser Bedeutung setzte. Die Ärmel seines Mantels säumten Kauri-Muscheln, die in Afrika und Ozeanien lange als Währung benutzt wurden. Dass sein Ensemble elfenbeinfarben ist, soll laut seinem Stylisten Eric McNeal «Reinheit und Status» vermitteln.

Buchstäblich oder abstrakt?

Auch Zendaya und Diana Ross kamen in Schattierungen von Weiss. Zendaya erschien in ihrem Anzug von Louis Vuitton ungewohnt zurückhaltend, was manche als enttäuschend und andere als Zeichen von Respekt wahrnahmen. Tatsächlich ist es, achtet man auf die Instagram-Story ihres Stylisten Law Roach, wohl angelehnt an das weisse Hochzeitsensemble von Bianca Jagger aus 1971.

Wie dem auch sei: Zendaya machte bald für Diana Ross und ihre über fünf Meter lange Schleppe Platz. Es war das erste Mal seit über 20 Jahren, dass die Sängerin an der Met Gala teilnahm. Ihr Kleid wurde in Zusammenarbeit mit dem nigerianischen Designer Ugo Mozie entworfen, und die Schleppe zierten die Namen ihrer Kinder und Grosskinder.

Andere nahmen das Tailoring-Thema beim Wort und verwiesen auf die Schneiderkunst selbst. Die Schauspielerin Jenna Ortega kam in einer Balmain-Robe aus metallenen Messbändern. Ihr Berufskollege Jeremy Pope hingegen, gestylt von Law Roach, setzt auf eine Jacke aus Leinen von Maison Margiela aus dem Jahr 1997 und damit auf ein Stück Modegeschichte: Sie imitiert eine Kleiderpuppe der Marke Stockman und spielt so auf die Anfänge eines jeden Kleidungsstücks an.

Arie der Accessoires

Die wirklichen Stars des Abends waren aber die Accessoires. Broschen, Zigarren, Zigaretten, Schirme, Schirme mit Pistolenhenkel (A$AP Rocky), Stöcke, Baseball-Caps, ein Klavier (André 3000), Ringe und allerlei Hüte schmückten fast jeden Look. Auf den Anzug des Musikers Questlove, designt von Gabriela Hearst, waren 30 000 Perlen in einem Nadelstreifenmuster angenäht.

Manche zollten mit ihren Accessoires noch buchstäblicher Tribut. Der Fächer der Schauspielerin Tessa Thompson war bedruckt mit dem Antlitz des Moderedaktors André Leon Talley, der als schwarzer Pionier in der Modewelt auch in der Ausstellung vertreten ist. Und der Autor Jeremy O. Harris trug einen musealen Ring des Juweliers Benjamin Hawkings in der Form eines Fabergé-Eis und bemalt mit einem Porträt von: sich selbst. Wenn nicht an der Met Gala, wann dann?

Das alles für eine Met Gala, die etwas leiser war als sonst. Spektakuläre Stunts und Outfitwechsel gab es kaum. Stattdessen fokussierte man sich auf Details mit Bedeutung und wählte Designer mit Bedacht, ohne auf Spass und Witz zu verzichten. Das tat diesem mittlerweile überlebensgrossen Anlass gut und bewegte dazu, in der Bilderflut auch einmal näher hinzuschauen. Fast ein wenig so, als wäre man im Museum.

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