Freitag, Januar 31

Sie hat die Entwicklung des Rockgesangs mitbestimmt. Am Donnerstag ist die britische Sängerin und Sechzigerjahre-Ikone 78-jährig gestorben.

Marianne Faithfull war der Inbegriff von Sixties-Glamour. Das lag nicht nur an ihren eigenen musikalischen Fähigkeiten, sondern auch an ihren intimen Bekanntschaften mit der Film- und Rock-Prominenz. Vier Jahre war sie mit Mick Jagger liiert. Mit den Beatles sang sie «Yellow Submarine». Und im Film «The Girl On A Motorcycle» (1968) schmuste sie mit Alain Delon.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Zum Pop-Star aber war sie selber bereits im Alter von siebzehn Jahren geworden, als sie 1964 mit ihrer reizvoll unterkühlten Darbietung von «As Tears Go By» die britischen Top Ten erklomm. Dem Erfolgsdruck begegnete sie danach durch Heroin. Beinahe hätte die Sucht ihr Leben früh schon zerstört.

Von Folk-Klubs zu den Stones

Marianne Faithfull kam am 29. Dezember 1946 in London auf die Welt. Ihr Vater dozierte italienische Literatur an der Universität, ihre Mutter entstammte dem ungarisch-österreichischen Adelsgeschlecht Sacher-Masoch. Marianne Faithfull war ein kränkliches Kind, sie litt an Tuberkulose.

Als Marianne Faithfull sechs Jahre alt war, trennten sich die Eltern. Danach lebte sie mit ihrer Mutter zusammen, was schwierig gewesen sein muss. «Wenn sich meine Eltern nicht getrennt hätten», sagte Marianne Faithfull später der Zeitung «Observer», «wäre ich ein anderer Mensch geworden. Ich hätte Männer weniger gehasst.»

Als Teenager begann Faithfull bereits in Folk-Klubs als Sängerin aufzutreten. Damals driftete sie gleich in den Dunstkreis der Rolling Stones. Der schnoddrige Stones-Manager Andrew Loog Oldham äusserte sich damals zwar abschätzig und sexistisch über den «Engel mit grossen Titten», was damals nicht ungewöhnlich war in der Rocker-Macho-Szene. Aber Oldham war es auch, der Mick Jagger und Keith Richards dazu drängte, für die junge Sängerin einen Song zu komponieren. Und tatsächlich verdankte Faithfull «As Tears Go By» den weltweiten Durchbruch.

Marianne Faithful - As Tears Go By

1965 heiratete Faithfull John Dunbar, den Besitzer der legendären Indica Gallery; im gleichen Jahr brachte sie ihren Sohn Nicholas zur Welt. Im Jahr darauf begann sie eine Affäre mit Mick Jagger. In seiner Villa geriet sie im Februar 1967 in eine Polizeirazzia. Der medial skandalisierte Vorfall habe sie zerstört, sagte sie selber: «Ein Mann, der Drogen nimmt, gilt als aufregend. Eine Frau, die Drogen nimmt, gilt hingegen als Schlampe und Rabenmutter.»

Die britische Presse verfolgte sie nach der Razzia gnadenlos. Obwohl von adliger Abstammung, war Faithfull in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Nun aber wurde ihr Lebenswandel als adlige Dekadenz ausgeschlachtet. «Ich werde das den britischen Medien nie verzeihen», meinte sie noch vor wenigen Jahren.

Ein Selbstmordversuch und eine Fehlgeburt gingen der Trennung von Mick Jagger im Mai 1970 voraus. Während dieser Zeit aber lancierte Faithfull auch eine vielversprechende Karriere als Schauspielerin. Theater- und TV-Rollen sorgten dafür, dass ihr Name während der siebziger Jahre nie ganz in Vergessenheit geriet.

1979 gelang Marianne Faithfull mit «Broken English» ein grosses Comeback als Sängerin. Ergriffen vom Geist und von der Nonchalance der Punk-Bewegung, sang sie sich in dem Lied den Zorn und die Verzweiflung vom Leib. Es wurde zu einem Standardwerk, an dem künftige Generationen von Sängerinnen und auch Sängern gemessen wurden.

Der Raubbau am eigenen Körper aber hat Spuren hinterlassen. Auch in der Stimme, die unterdessen nicht nur um eine Oktave gesunken war, sondern jetzt auch rauchig und brüchig klang. Gerade die Verbindung von Verletzlichkeit, Lebenserfahrung und Durchhaltewillen aber verlieh ihrem Gesang und den dreizehn Studioalben, die auf «Broken English» noch folgen sollten, eine eigentümliche Expressivität.

Mit «Ballad Of The Soldier’s Wife» – ein Beitrag an das vom Produzenten Hal Willner initiierte Album «Lost In The Stars: The Music Of Kurt Weill» – schlug die unterdessen drogenfreie Künstlerin 1985 eine Brücke zwischen Theater und Musik. Brecht und Weill bildeten fortan einen roten Faden ihrer Karriere.

Ein Album wie eine Herzoperation

In Dublin spielte sie 1991 die Piratenbraut Jenny in der «Dreigroschenoper», in Linz trat sie 2012 im Kurt-Weill-Stück «Die sieben Todsünden» auf, das sie bereits 1998 mit dem Wiener Radio-Symphonieorchester auf CD gebannt hatte.

Neben unterschiedlichen Theaterproduktionen brachte sie aber regelmässig neue Alben heraus, für die sie sich mit jüngeren Musikern zusammentat – mit PJ Harvey, Damon Albarn und Jarvis Cocker. «Negative Capability» hatte sie 2018 mit Nick Cave, Warren Ellis und Ed Harcourt produziert. Es sei ihr ehrlichstes Album, fand sie selber: «Sozusagen eine offene Herzoperation.»

In den letzten Jahrzehnten lebte Marianne Faithfull vornehmlich in Paris. Ihre Ehe mit dem Musiker Ben Brierly (The Vibrators) wurde 1986 aufgelöst, von 1988 bis 1991 war sie mit dem Schauspieler Giorgio Della Terza verheiratet. Immer öfter hatte die Sängerin mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. 2006 erkrankte sie an Brustkrebs. Sie litt überdies an Arthritis, was ihr das Schreiben zur Qual machte, wie sie nun oft klagte.

Am Donnerstag ist Marianne Faithfull in London 78-jährig gestorben. Die Todesursache wurde noch nicht bekanntgegeben.

Exit mobile version