Mittwoch, Oktober 9
Nachgewürzt

Wolfgang Fassbender


Saisonale Küche

Statt immer nur Champignons auf dem Teller servieren gehobene Küchen eine breitere Palette an Pilzen. Denn aus Krauser Glucke, Pioppino und Maronenröhrlingen entstehen einzigartige Gerichte.

Es mag teilweise auf die Jahreszeit zu schieben sein, dass ich in den vergangenen Wochen jede Menge Pilze zu essen bekam. Gerade gibt es nämlich jede Menge Morcheln. Weil das Frühjahr vielerorts recht nass war, mangelt es nicht an den würzigen Pilzen, die seit eh und je beliebt sind in der Gastronomie.

Gleich mehrfach bekam ich sie in Verbindung mit Spargel – mal ganz kurz gedünstet, mal in einer Suppe geschwenkt, mal gefüllt. Die Hohlkörper eignen sich sehr gut dazu, gefüllt zu werden. Mit Pilzmousse oder mit einer ungestopften Gänseleber bzw. einer Ersatzversion der Foie gras.

Meine Morchel-Spargel-Kombinationen der Spitzenklasse erlebte ich in den letzten Wochen in zweien der besten Restaurants Deutschlands: bei Klaus Erfort und in der «Esplanade». Ein Gang besser als der andere! Wenig verwunderlich ist auch, dass Heiko Nieder im «Dolder» Morcheln anbietet (mit Emmentaler, Kerbel und Meerrettich).

Warum Pilze lange missachtet wurden

Morcheln gibt es nur in einem eng beschränkten Zeitraum frisch zu kaufen. Und Steinpilze sind, ein klassischer Herbstpilz, auch nicht ständig verfügbar. Gibt es weder das eine noch das andere respektive sind deren Preise zu hoch, weichen die meisten Köche auf pilzige Langeweile aus: weisse Champignons aus der Zucht, ihre braunen Verwandten sowie die Wiesenchampignons.

Austern-Seitlinge und Shiitake konnten sich lange nicht durchsetzen, auch mit Eierschwämmli wussten viele renommierte Küchenchefs nur selten etwas anzufangen. Und was die vielen unterschiedlichen Waldpilze angeht: Man muss zuverlässige Quellen haben und fähig sein, giftige von essbaren zu unterscheiden.

Langfristige Planung ist kaum möglich. Und die Trüffel, im Winter weiss oder schwarz, zuvor als Sommer- oder Herbsttrüffel verfügbar, ist vor allem ein teurer Aromengeber. Eine ganze Trüffel im Teigmantel, vor einigen Jahrzehnten noch ein Klassiker der französischen Hochküche, wird auch in der «Auberge de l’Ill» nur noch selten zubereitet.

Gäste fragen immer häufiger nach Pilzen

Das Angebot an Zuchtpilzen ist vielfältiger denn je. Durch die steigende Nachfrage an fleischlosen Gerichten, ist in den letzten Monaten etwas in Bewegung geraten. Alexander Herrmann und Tobias Bätz servieren im Restaurant Aura in Franken einen Igelstachelbart mit Pilzcreme, Zitronenschale und Lärchenöl.

Im Hamburger «Atlantic» habe ich neulich Portobello, einen gross gewachsenen Champignon, in Teriyaki-Jus gegessen. Anschliessend gab es Kastanien-Seitlinge mit einem Äquivalent der Belper Knolle. Das Fleisch habe ich keine Sekunde vermisst.

Die neue Lust am Stachelbart

Wer in der Schweiz herausragende Pilze im Restaurant verzehren will, geht beispielsweise zu Tanja Grandits, wo in der Saison manchmal ganze Körbe voller Steinpilze durch die Gasträume getragen werden.

Auch in der «Wirtschaft im Franz» gibt es gute Pilze, und in der Zürcher «Maison Manesse» steht gerade ein Gericht mit dem Zitronen-Austernseitling auf dem Menu. Gerade bei den Seitlingen gibt es spannende Varianten, die sich ganzjährig einsetzen lassen.

Riesenboviste, bei Pilzsammlern begehrt, sind zwar nur selten auf den Speisekarten der gehobenen Gastronomie zu finden, die Krause Glucke kommt dafür wesentlich öfter zum Zuge. Als Beilage zum Lamm habe ich letzteren Pilz gerade erst im Restaurant Bagatelle in Trier essen können. Nicht nur der Aromatik, sondern auch der Textur wegen ist sie eine interessante, manchmal dem Gemüse vorzuziehende Zutat. Der Südliche Ackerling, auch Samthaube oder Pioppino genannt, ist dagegen noch wenig auf den Speisekarten der Gastronomie anzutreffen: schade!

Welcher Wein passt zu Pilzgerichten?

Fragt sich nur, welchen Wein man zu Pilzgerichten der feinsten Art trinken soll. Die meisten Sommeliers sind sich einig, dass nicht zu junger Riesling ebenso gut passen kann wie weisser oder roter Burgunder mit einigen Jahren Reife.

Auch Jura-Wein kann spannend ausfallen, ein Sherry ist oft genial. Ob Süsse im Wein zu schmecken darf, hängt selbstverständlich von den Zutaten ab. Geheimtipp: Madeira der Sercial-Art, also fast trocken!

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