Millie Bobby Brown wehrt sich gegen Online-Kommentare, sie sehe mit Anfang 20 aus wie 40. Die Schauspielerin ist nicht die erste, die sich vorwerfen lassen muss, sie sähe älter aus, als sie ist.
«Komm und lass dich mit mir botoxen.» Oder: «Wie man eine Anti-Aging-Hautpflegeroutine aufbaut» – auf Tiktok werden unzählige Videos zur Alterungsprävention geteilt und millionenfach angeschaut. Viele der Beiträge richten sich aber nicht etwa an Personen mittleren oder fortgeschrittenen Alters, sondern an junge Menschen in ihren Zwanzigern.
Die ältesten Mitglieder der Gen Z sind mittlerweile Ende zwanzig – längst keine Teenager mehr also, sondern erwachsene Frauen und Männer. Und seit einiger Zeit hält sich in den sozialen Netzwerken und auch in diversen Zeitungen hartnäckig die These, dass Angehörige der Gen Z unvorteilhafter in die Jahre kommen als ihre Vorgängergeneration, die Millennials. Damit wurde jüngst auch die Schauspielerin Millie Bobby Brown konfrontiert.
«Warum altern Gen-Z-ler wie Millie Bobby Brown so schlecht?», fragte etwa die «Daily Mail». Der Text zitiert «Fans», die etwa schreiben, Brown sehe eher wie 40 als wie 21 aus. «Das ist kein Journalismus, sondern Mobbing», kontert Brown in einem Instagram-Video.
Millie Bobby Brown ist vor allem durch ihre Rolle als Eleven in der Netflix-Serie «Stranger Things» bekannt geworden. Als die Serie startete, war sie 12 Jahre alt – heute ist sie 21. «Ich bin vor den Augen der Welt aufgewachsen, doch aus irgendeinem Grund scheinen die Menschen nicht mit mir zu wachsen. Stattdessen tun sie so, als sollte ich in der Zeit eingefroren bleiben», sagt sie im Video. Und stellt klar: «Ich weigere mich, mich für mein Erwachsenwerden zu entschuldigen.»
Älterwerden in Zeiten von Social Media
Millie Bobby Brown ist nicht die Erste, die sich wegen ihres vermeintlich älteren Aussehens Kommentare anhören muss. Vom Reality-TV-Star Kylie Jenner kursierten im vergangenen Jahr Fotos, auf denen sie deutlich älter als ihre damaligen 26 Jahre aussehen soll. Der Influencer Jordan Howlett, der auf Tiktok 14 Millionen Follower hat, erzählt in einem vor einem Jahr viral gegangenen Video, dass man seine Mutter immer wieder für seine jüngere Schwester halte. Und als er neulich den Schauspieler Dwayne «The Rock» Johnson um ein Autogramm bat, soll dieser zu ihm gesagt haben: «Die Zeiten waren viel schwieriger, als wir noch Kinder waren, stimmt’s?» Johnson ist über 50 Jahre alt, Howlett war damals 26.
Auf Tiktok oder Youtube diskutiert man über die möglichen Gründe des vermeintlich schnellen Alterns. Die einen sehen das Problem bei E-Zigaretten, Stress oder dem permanenten Blaulicht der Bildschirme.
Andere behaupten, dass beliebte Mode- und Styling-Trends dazu beitrügen, dass Angehörige der Generation Z reifer aussähen. Ein Beispiel dafür ist der «Old Money»-Kleidungsstil: Polohemden, Bundfaltenhose oder Blazer in gedeckten Farben werden mit traditionellen Accessoires wie Perlenketten oder Seiden-Halstüchern kombiniert.
Aber nicht nur das Blaulicht der Screens, sondern auch das, was darauf abgebildet ist, spielt eine Rolle. Soziale Netzwerke beeinflussen, wie man sich selbst und andere wahrnimmt. Und sie prägen die Generation Z wie kaum eine Generation vor ihr. Was früher mit dem engsten Umfeld besprochen wurde, teilt man heute mit der Online-Welt.
So fragt die Fitness-Influencerin Riley Cat in einem Tiktok-Video ihre Follower: «Wie alt sehe ich aus?» Der Clip wurde über 16 Millionen Mal aufgerufen. In den rund 85 000 Kommentaren reichen die Schätzungen von Ende 20 bis Anfang 40. In einem späteren Video enthüllt Cat: Sie ist 24 Jahre alt. Viele zeigen sich davon schockiert. Jemand schreibt: «Ich bin 32, und du siehst aus, als könntest du meine Mutter sein.» Das Video ist eines von vielen auf der Plattform, in denen Nutzerinnen und Nutzer von der Online-Community wissen wollen, wie alt sie denn nun aussähen.
Laut Daniel Süss, Professor für Mediensozialisation und Medienkompetenz an der Universität Zürich und an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, fördern die sozialen Netzwerke den permanenten Vergleich und können Ängste rund ums eigene Aussehen verstärken. Mit ihrem Aufkommen habe der Wunsch nach Perfektion zugenommen. Vermeintliche Makel oder Abweichungen vom Schönheitsideal würden laut Süss sofort wahrgenommen und lösten das Gefühl aus, sie umgehend beheben zu müssen. Er fügt hinzu: «Das wird aber genauso in der Werbung für Mode und Kosmetik vermittelt.»
Paradoxerweise werden aber gerade kosmetische Behandlungen wie solche mit Botox von einigen dafür verantwortlich gemacht, dass junge Menschen älter wirken, als sie sind.
Baby-Botox im Trend
Botox-Injektionen dämpfen die Muskelaktivität und sorgen dafür, dass sich zum Beispiel keine Stirnfalten oder Krähenfüsse seitlich der Augen bilden. Das ist vor allem bei Personen ab vierzig beliebt. Doch auch junge Menschen entdecken die Methode für sich. Mit dem sogenannten Baby-Botox sollen Faltern verhindert werden, noch bevor sie entstehen.
Aus der Statistik der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) geht hervor, dass der Einfluss von sozialen Netzwerken auf das Selbstbild zugenommen hat. 2024 gaben über 20 Prozent der unter 30-Jährigen an, dass soziale Netzwerke ihren Wunsch nach persönlicher Veränderung verstärkten. 2021 waren es noch 9 Prozent gewesen. Die Statistik verzeichnet auch eine steigende Beliebtheit von Botox-Injektionen bei Personen unter 30 Jahren. 2024 machten sie 7,1 Prozent der Behandlungen aus und belegten somit den 5. Platz – Spitzenreiter sind Brustoperationen und Intimkorrekturen.
Auch Florian Sandweg, Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie und Mitglied des Vorstands der DGÄPC, empfängt Patientinnen und Patienten in seiner Praxis, die gezielt nach Ergebnissen fragen, die sie auf Tiktok oder Instagram gesehen haben. Junge Menschen, die das Gefühl haben, älter auszusehen, als sie sind, hatte er aber bisher nicht.
Dass Botox einen älter wirken lassen kann, sieht er eigentlich nur in einem Fall: wenn zu viel gespritzt wird. «Wenn ich jemandem sämtliche Mimik nehme, kann ich mir vorstellen, dass die Person dann älter wirkt, einfach weil das Gesicht dann weniger animiert ist», sagt Sandweg. Im Jargon heisst das dann «Botox-Face». Er stellt jedoch fest, dass Jüngere, im Gegensatz zu Älteren, im Normalfall eine eher leichte Wirkung anstreben.
Gegenbewegung zu mehr Body-Neutrality
In den sozialen Netzwerken werden nicht nur makellose Haut, Make-up und Mode zelebriert – man inszeniert auch Dehnungsstreifen, Cellulite oder Narben. Was jedoch auffällt bei all den Trends und Bewegungen: Die Ästhetik steht oft im Fokus. Visuelle Plattformen wie Instagram oder Tiktok dürften ihren Teil dazu beitragen, dass man sich heutzutage so intensiv mit seinem Aussehen auseinandersetzt.
Ein Konzept, das sich dem entgegenstellt, ist die Body-Neutrality. Sie möchte den Fokus weglenken vom äusseren Erscheinungsbild. Man soll sich nicht stetig fragen: Ist mein Körper schön? Stattdessen soll man ihn wertschätzen für das, was er leisten kann – einen durchs Leben zu tragen.
Auch Daniel Süss sieht in seiner Forschung eine Gegenbewegung: weg vom Streben nach Perfektion – hin zu mehr Natürlichkeit und Authentizität. Immer mehr junge Menschen fragten sich: Will ich bei all diesen Trends wirklich mitmachen, oder will ich aussteigen? Laut ihm nehmen die Jugendlichen selbst den Druck der sozialen Netzwerke wahr und wollen etwas dagegen unternehmen. Süss sagt: «Im Laufe der Biografie verändert sich das Verhältnis zum eigenen Alter.» Es sei gut möglich, dass sich die Generation Z in Zukunft vom sozial aufgebauten Druck werde lösen können.
Die Schauspielerin Millie Bobby Brown erhielt online viel Zuspruch dafür, dass sie sich gegen die Kommentare über ihr Äusseres wehrt. «Ich werde mich nicht dafür beschämen lassen, wie ich aussehe, wie ich mich kleide oder wie ich mich präsentiere», sagt Brown in ihrem Video. Darauf hat auch die Autorin des «Daily Mail»-Beitrags reagiert: In einem Tiktok-Video entschuldigte sie sich bei Brown.