Die Schweiz brauchte lange, bis sie die Fünftagewoche übernahm. Heute ist sie in der Bevölkerung beliebt, aber nicht mehr unantastbar.

Die klassische Fünftagewoche wird zunehmend hinterfragt. In den letzten Jahren häuften sich die Meldungen von Unternehmen, die zur Motivation des Personals eine Viertagewoche bei gleichbleibendem Lohn einführten.

Die Griechen allerdings schlagen genau die umgekehrte Richtung ein. Nach einer Gesetzesanpassung der Athener Regierung können sich einige Griechen nun entscheiden, statt fünf neu sechs Tage zu arbeiten.

Diese Massnahme soll dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Wäre sie auch ein Ansatz für die Schweiz?

Bequemliche Schweizer

Anders als in Griechenland brauchte es für die Rückkehr der allgemeinen Samstagsarbeit in der Schweiz keine Rechtsanpassung: Vom Gesetz her spricht nichts gegen eine Verrichtung der Arbeit am sechsten Wochentag.

Das Schweizer Arbeitsrecht definiert die Arbeitslast in Stunden pro Woche, einer Bewilligungspflicht ist nur die Sonntagsarbeit unterstellt. Der Samstag gilt als Werktag und könnte in der Theorie von Unternehmen eingefordert werden.

Gegenüber der NZZ bläst der Arbeitgeberverband dennoch nicht zur Samstagsoffensive. Zwar sei eine Offenheit gegenüber flexiblen Arbeitszeitmodellen zu begrüssen. Andere Massnahmen, primär die bessere Einbindung von Müttern und Pensionären in den Arbeitsmarkt, stünden zur Bekämpfung des Fachkräftemangels jedoch im Zentrum.

Der Arbeitgeberverband nimmt wahr, dass viele Schweizer an Samstagen gar nicht arbeiten wollen. Das zweitägige Wochenende ist eine Selbstverständlichkeit. Kaum jemand möchte es preisgeben.

Der arbeitsfreie Samstag, wie er heute für viele als unentbehrlich gilt, war im frühen 20. Jahrhundert jedoch eine regelrechte Arbeitsrevolution. Bis Schweizer Unternehmen die Idee der Fünftagewoche aus dem Ausland umsetzten, vergingen Jahrzehnte.

Konsumkapitalistisches Erfolgsmodell

Ihre Ursprünge hat die Fünftagewoche im amerikanischen Industriesektor des frühen 20. Jahrhunderts. Als wichtigster Vordenker gilt dabei der Automobilpionier Henry Ford: 1926 machte er den Samstag für seine Fabrikarbeiter zum freien Tag.

Ford begründete den Schritt mit dem Gedanken, dass weniger Arbeitszeit die Wirtschaft nicht zurückbinde, sondern sogar ankurble: Mehr Freizeit bedeute etwa mehr Kleidung für den Alltag sowie Ausflüge mit dem eigenen Fahrzeug – was für viele Fabrikarbeiter nicht so erschwinglich war, wie es Ford gegen aussen präsentierte.

Diese Logik des industriellen Konsumkapitalismus verschaffte der Fünftagewoche in Wirtschaftskreisen Akzeptanz.

Energiesparen mit der Fünftagewoche

In der Schweiz erfolgte der Wandel allerdings nur schleppend: Die Sechstagewoche sei in der Industrie noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts die Norm gewesen, sagt der Basler Historiker Bernard Degen. Einzig der Sonntag war heilig: Der siebte Tag wurde mit dem Fabrikgesetz von 1877 auf nationaler Ebene arbeitsfrei, nachdem einige Kantone die Sonntagsarbeit schon früher verboten hatten.

Abgewichen wurde von der Sechstagewoche nur in Kriegsjahren: In beiden Weltkriegen verdichteten viele Unternehmen die Woche von sechs auf fünf Produktionstage. Nur selten bedeutete dies jedoch eine Reduktion der Arbeitszeit: Aus Angst vor einer Produktionseinbusse wurden die Stunden vom Samstag oft nicht gestrichen, sondern auf die anderen Werktage verteilt.

Als 1945 die Kriegswirtschaft wieder zurückgefahren wurde, kam es laut Degen zu einer Zweiteilung der Arbeitsmodelle in der Schweizer Industrie. Während rund ein Viertel der Fabriken beim fünftägigen Produktionszyklus blieb, führte die Mehrheit die Sechstagewoche wieder ein. Eine 48-Stunden-Woche, verteilt auf sechs Arbeitstage, war nach dem Zweiten Weltkrieg am weitesten verbreitet.

Doch in der Nachkriegszeit änderte sich das. Die Löhne stiegen; man konnte sich weniger Arbeit leisten. Damit erfolgte ein gesellschaftliches Umdenken: «Das Bedürfnis nach mehr Freizeit wuchs und schuf so die Grundlage für den Durchbruch der Fünftagewoche», sagt Bernard Degen.

Praxis eilt dem Gesetz voraus

Degen verortet den Umschaltmoment in den späten 1950er Jahren: Um einer Volksinitiative des Landesrings der Unabhängigen (LdU) mit der Forderung einer 44-Stunden-Woche den Wind aus den Segeln zu nehmen, vereinbaren Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in vielen Branchen Gesamtarbeitsverträge.

Die Initiative scheiterte 1958, doch viele Unternehmen näherten sich der geforderten Marke dennoch schrittweise an und verzichteten samstags auf den Werkbetrieb.

Als das neue Arbeitsgesetz von 1964 die Obergrenze für Arbeitnehmer im industriellen Bereich bei 46 Stunden ansetzte, war diese Marke von den meisten Arbeitgebern ohnehin schon unterboten.

Nicht überall kam das gut an: Die NZZ lobte im Dezember 1964 in einem Artikel das «emsige Treiben» der Fabrikarbeiter in Japan, wo die «Fünftagewoche-Mentalität» der Europäer noch nicht angekommen sei.

Doch die Fünftagewoche war in der Schweiz nicht mehr zu stoppen und schwappte dann auch in andere Lebensbereiche über. An Volksschulen hielt sich der Samstagsunterricht in vielen Kantonen noch bis in die 1990er Jahre, wurde aber mit dem Wandel der Zeit ebenfalls abgeschafft.

Heute gilt der Samstag rechtlich zwar nach wie vor als Werktag, ist in vielen Branchen aber gängig als arbeitsfreier Tag. Detailhändler und Dienstleister wie Coiffeure, bei denen die Freizeit der Kundschaft das Geschäft direkt ankurbelt, bieten Angestellte zwar an Wochenenden zum Dienst auf, verschieben den freien Tag aber in den meisten Fällen auf einen anderen Wochentag und halten der Fünftagewoche somit die Stange.

Die Zeichen stehen auf Individualisierung

In der jüngeren Geschichte fällt jedoch auf, dass allzu starre Arbeitszeitmodelle auch hierzulande auf dem Rückzug sind. Ausdruck davon ist etwa der rasante Anstieg der Teilzeitarbeit: Während 1960 nur 4 Prozent aller Erwerbstätigen im reduzierten Pensum angestellt waren, belief sich der Anteil 2023 auf rund 38 Prozent.

Es lassen sich aber auch gegenläufige Tendenzen beobachten: Im Baugewerbe kommt es beispielsweise immer häufiger vor, dass selbständige Handwerker aufgrund des Fachkräftemangels zusätzlich auch am Samstag Aufträge annehmen.

Die Fünftagewoche ist eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Das 21. Jahrhundert bietet mehr Flexibilität – nach unten wie auch nach oben.

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