An der Wall Street läuft das grosse Geschäft mit Firmendeals und Finanzierungen wieder an. Das bringt die UBS in ein Dilemma – denn sie hat versprochen, die Finger von allzu riskanten Geschäften zu lassen.
Den amerikanischen Grossbanken geht es blendend. Allesamt haben sie dieser Tage mit ihren Quartalszahlen die Erwartungen der Analysten übertroffen. Und legen damit die Latte höher für die UBS – die einzige Schweizer Bank, die ihnen das Wasser reichen kann.
Der Branchenprimus JP Morgan Chase verdiente erneut fast 13 Milliarden Dollar in einem Quartal und überraschte mit einem starken Aktienhandel und einem widerstandsfähigen Zinsgeschäft. Goldman Sachs fokussiert sich nach einem abenteuerlichen Ausflug ins Geschäft mit Kleinkunden wieder aufs Kerngeschäft – das Investment Banking und die Betreuung von sehr reichen Kunden – und verzeichnete ebenfalls einen starken Gewinnzuwachs. Selbst Citigroup, die sich in einer schwierigen Restrukturierung befindet, hat positiv überrascht.
Und Morgan Stanley, der frühere Arbeitgeber von UBS-Präsident Colm Kelleher, vermeldete einen Quartalsgewinn von 3,2 Milliarden Dollar, 32 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Vermögensverwaltung und das Handelsgeschäft florierten, ebenso das klassische Investment Banking, also die Beratung von Unternehmen bei Übernahmen, Börsengängen und bei der Kapitalaufnahme.
Für die UBS sind das eigentlich gute Neuigkeiten, sie bringen aber auch ein Dilemma mit sich. Sie hat versprochen, ihr Investment Banking nicht zu sehr wachsen zu lassen – doch genau dieses riskante Geschäft dürfte für Banken nun wieder hochprofitabel werden.
Das Fed hat die Party noch nicht gestört
Immerhin überraschen die US-Banken an mehreren Fronten positiv. Erstens gelingt es ihnen besser als gedacht, mit dem neuen Zinsumfeld umzugehen. Die Notenbank Fed hat im September erstmals seit der Pandemie den Leitzins gesenkt, und zwar gleich um hohe 0,5 Prozentpunkte; weitere Senkungen werden folgen.
In der Regel nehmen die Einnahmen aus diesem Zinsdifferenzgeschäft ab, wenn das Zinsniveau fällt, wobei der Effekt stark von Kundenstamm und Geschäftsmodell der Bank abhängt.
Die Kunden fangen aber auch an, ihr Geld aktiv anzulegen, statt es nur auf dem Konto herumliegen zu lassen, was den Banken neue Gebühreneinnahmen verspricht. Gemäss Sharon Yeshaya, der Finanzchefin von Morgan Stanley, halten die Bankkunden indes immer noch relativ viel Geld in Cash. Potenzial sieht sie auch im Kreditgeschäft. Wenn die Zinsen fallen, könnten die Kunden mehr Schulden aufnehmen, was der Bank wiederum neue Einnahmen beschert.
Zweitens verdienen die US-Grossbanken wieder viel mehr Geld im Investment Banking. Das Geschäft mit Firmenübernahmen und Börsengängen hat mehr als zwei Jahre darniedergelegen. Die Unternehmen hatten zwar Pläne in ihrer Schublade, um Konkurrenten zu akquirieren oder unproduktive Sparten zu verkaufen, setzten sie aber nicht um.
Weil die amerikanische Wirtschaft trotz hohen Zinsen noch immer rundläuft und baldige Zinssenkungen winken, ist jetzt der Optimismus in die Chefetage von Corporate America zurückgekehrt. Die Firmenchefs nehmen die Pläne aus der Schublade. Die Banken erwarten daher, dass sie erst am Anfang einer Flut von Deals stehen, die ihnen hohe Gewinne versprechen.
Drittens konnten die Banken das unruhige Marktumfeld im dritten Quartal zu ihren Gunsten ausnutzen. Ende Juli sorgten sich die Anleger darum, dass sich der amerikanische Arbeitsmarkt zu stark abkühlen könnte, und erwarteten von der Notenbank sehr rasche Zinssenkungen. Im September änderten sie ihre Meinung abrupt wieder, weil die Arbeitslosigkeit in den USA tief geblieben ist und die Wirtschaft weiterhin stark wächst.
Dazwischen sorgte ein erstarkender Yen für einen kurzfristigen Markteinbruch vor allem in Japan und für abrupt einsetzende, milliardenschwere Kapitalflüsse. Die Banken profitierten von diesem Umfeld direkt im Handelsgeschäft und indirekt, weil ihre Kunden ihr Vermögen umschichteten.
Besonders Kunden, die nicht täglich an der Börse agieren, suchen in unsicheren Zeiten den Rat ihrer Bank. Sie erteilen dann nicht bloss Börsenaufträge, sondern schliessen umfassendere Vermögensverwaltungsmandate ab, die für die Banken auf Dauer sehr lukrativ sind.
Morgan Stanley – die US-Grossbank, die sich am ehesten mit der UBS vergleichen lässt – sammelte in ihrem Vermögensverwaltungsgeschäft im dritten Quartal 64 Milliarden Dollar an Neugeld ein und verwaltet insgesamt nun 6 Billionen Dollar. Zum Vergleich: Die UBS-Vermögensverwaltung zog im zweiten Quartal 27 Milliarden an neuen Kundengeldern an, das Total der verwalteten Gelder liegt bei 4 Billionen Dollar.
Was der Boom für die UBS bedeutet
Die UBS lässt sich nicht direkt mit den amerikanischen Grossbanken vergleichen; ihr Investment Banking und ihr Handelsgeschäft sind kleiner und weniger breit aufgestellt, dafür übertrumpft sie die Amerikaner bei der Vermögensverwaltung in Asien und Europa. In den USA betreut die UBS ebenfalls viele reiche Kunden, verdient damit aber weniger Geld.
Der UBS ist es zuzutrauen, dass sie im unsicheren Marktumfeld ebenfalls viele Neukunden anlocken konnte. Die Erfahrungen der amerikanischen Banken lassen zudem erwarten, dass auch die Kunden der UBS wieder verstärkt an der Börse handeln, Vermögensverwaltungsmandate abschliessen und Kredite aufnehmen könnten.
Die UBS könnte wie ihre Konkurrenz auch im Investment Banking positiv überraschen, wenngleich der Effekt auf das Gesamtergebnis kleiner ausfällt als etwa bei Goldman Sachs.
Die Goldgräberstimmung der amerikanischen Konkurrenz beim Investment Banking könnte die Diskussion erneut anfachen, welche Rolle dieses Geschäft bei der UBS einnehmen soll. Die Bank hat mit der Übernahme der Credit Suisse neue Kompetenz im Investment Banking ins Haus geholt, die sie auch für ihre vermögenden Privatkunden nutzbar machen will.
In der Schweiz sorgt man sich jedoch darum, dass die UBS wieder zu gross und zu riskant unterwegs sein könnte. Die Unternehmensspitze um den CEO Sergio Ermotti hatte auch deshalb stets betont, dass das Investment Banking nicht mehr als einen Viertel des Risikokapitals der UBS binden dürfe; und dass die Sparte in erster Linie der Vermögensverwaltung zudienen solle.
In den vergangenen zwei Jahren, als das Investment Banking eine ausgedehnte Flaute durchlebte, war es für die UBS einfach, sich diese Zurückhaltung aufzuerlegen. Wenn die Konkurrenten an der Wall Street wieder auf Rekordergebnisse zusteuern, wird es schwieriger, diese Selbstbeherrschung zu wahren.