Donnerstag, November 7

Seit den 1960er Jahren gehörten die Stimmen der Afroamerikaner fast ausschliesslich den Demokraten. Das ändert sich nun – und erklärt einen Teil von Trumps Erfolg.

Donald Trump hat mehr Stimmen von Schwarzen und Latinos erhalten als irgendein republikanischer Kandidat, seitdem 1964 die Bürgerrechtsgesetze (Civil Rights Act) in Kraft traten. Dies, obwohl er auch in diesem Wahlkampf nicht auf rassistische Anspielungen und Äusserungen verzichtete. Von den afrikanischen «Scheisslochländern», über die Katzen essenden Haitianer bis – kurz vor dem Urnengang – zu dem «Abfallhaufen» Puerto Rico.

Es gibt seit den sechziger Jahren keinen amerikanischen Spitzenpolitiker, der sich hemmungsloser und oft auch abwertend über die Herkunft von Amerikanern und Eingewanderten geäussert hat, als Trump. Dennoch bestätigt sich jetzt der Trend: Etwa ein Viertel der schwarzen Männer haben Trump gewählt. Das ist eine Verdoppelung gegenüber der Wahl 2016 und ein historischer Rekord.

Aber im Umkehrschluss bedeutet das auch: Drei Viertel der schwarzen Männer gaben ihre Stimme Kamala Harris. Bei den schwarzen Frauen sind es sogar 90 Prozent. Diese Mehrheitsverhältnisse darf man nicht aus den Augen verlieren, wenn es darum geht, die Gründe für diese Entwicklung zu suchen.

Gesichert ist dabei nur etwas: Es gibt ein ganzes Bündel von Ursachen für den Trend, nicht die eine Erklärung. Aber für die amerikanische Demokratie und das Profil der beiden Parteien könnte die zunehmende Abkehr der «farbigen Stimmen» von den Demokraten bedeutsam sein. Nicht als Gezeitenwende, sondern als Erosion: «Black Magic ist Vergangenheit», schreibt das Magazin «The Atlantic» und meint damit die früher fast einstimmige Unterstützung schwarzer Wähler für die Demokraten. Die schwarze Wählerschaft sei kulturell konservativer und wirtschaftlich liberaler als die heutige Demokratische Partei.

Das sind drei Gründe für den wachsenden Erfolg Trumps bei Schwarzen und Latinos:

  • Inflation und Gang der Wirtschaft: Zwar sinkt die Inflationsrate in den USA mittlerweile, aber das Preisniveau ist seit 2020 um 20 Prozent angestiegen. Das bedeutet einen Einschnitt an Lebensqualität für viele und hat die Stimmung der Konsumenten vor allem im unteren und mittleren Einkommensdrittel verschlechtert. Und dort befindet sich eine überproportional grosse Zahl von Schwarzen und Latinos. Etwa 80 Prozent von ihnen erklären, mit der wirtschaftlichen Lage und ihren Aussichten unzufrieden zu sein. Und viele glauben, Trump sei besser geeignet als Harris, ihre ökonomische Lage zu verbessern. Sie trauen ihm mehr Wirtschaftskompetenz zu. Dafür scheint nur schon sein Erfolg als Geschäftsmann zu bürgen
  • America first: Das internationale Engagement der USA in Konflikten jenseits der Meere ist unpopulär. Statt Geld und Waffen in die Ukraine und nach Israel zu schicken, sollten die Probleme im eigenen Land endlich gelöst werden. Das ist die Kernbotschaft von «America first», und sie stösst bei Schwarzen und Latinos auf Zuspruch. Am deutlichsten bei jungen Männern. Vielen leuchten die Massnahmen ein, mit denen Trump seine Vision umsetzen will: die neuen Zölle, mit denen er die heimische Industrie vor der Konkurrenz aus Asien und Europa schützen will. Und ebenso die Vervollständigung der Mauer im Süden an der Grenze zu Mexiko, um die Einwanderung von Migranten zu stoppen. Denn die vielen Neuankommenden werden gerade auch in dieser Gruppe als Konkurrenten um knappe öffentliche Güter und sogenannte «black jobs» betrachtet. Schliesslich findet auch Trumps Versprechen, «law and order» durchzusetzen, Anklang bei jenen, die überproportional Opfer von Gewalt sind.
  • Trump ist «fun»: Gemessen an den Kandidaten der letzten Jahrzehnte ist der Wahlsieger für das höchste Amt der USA eine aussergewöhnliche Figur. Das betrifft seine Sprache, sein Verhältnis zum Recht, zu bürgerlichem Anstand, zu den Frauen. Genau das macht ihn für viele unwählbar – wie gesagt: auch für die Mehrheit der Schwarzen und Hispanics. Aber für eine wachsende Zahl junger Männer aus dieser Gruppe ist das Phänomen Trump nicht per se ein Skandal. Sie sind mit ihm aufgewachsen, und viele sind fasziniert von seinem unkonventionellen Stil, seiner «Politik des Mittelfingers». Die rassistischen Äusserungen, sagen sie, solle man nicht zu ernst nehmen. Zumal viele seiner Sprüche auch lustig seien. Trump ist mehr «fun» als Harris. Mit dem woken Denken, das bei vielen Demokraten angesagt ist, können sie nichts anfangen. Mit Trump, dem Macho, dagegen schon. Das Erbe und der Kanon der Bürgerrechtsbewegung sind für diese Gruppe nicht mehr sakrosankt. Ihre politische Loyalität gehört nicht mehr automatisch dem demokratischen Lager, sie ist wechselhaft.
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