Bei einem «kleinen Parteitag» am Sonntag hielten Annalena Baerbock und Robert Habeck letzte Reden. Die Partei sucht ihren neuen Weg. Am umstrittensten ist weiter das Thema Migration.
Die kurze Zeit in der Regierung ist beendet, das Hineinregieren in die sich bildende neue Koalition unter Friedrich Merz ausgereizt, jetzt müssen sich die Grünen in ihre Rolle als Oppositionsfraktion hineinfinden. Zu diesem Zweck verbrachten sie den Sonntag in Berlin mit einem «kleinen Parteitag» im Westhafen – also just an jenem Ort, an dem sie 2021 in die Ampelregierung starteten. Dort verabschiedeten sie zugleich ihr Spitzenduo Robert Habeck und Annalena Baerbock.
Der scheidende Wirtschaftsminister Habeck ging in seiner Rede zwar auf Fehler ein, die gemacht worden seien, sah diese jedoch eher nicht bei sich selbst: «Andere hätten vermutlich mehr Grund, sich zu fragen, was in ihrem Wahlkampf schiefgelaufen ist», sagte der gescheiterte Kanzlerkandidat, der ein enttäuschendes Wahlergebnis von 11,6 Prozent einfuhr.
Habeck griff lieber die CDU an, bezeichnete deren Wahlkampf als unehrlich und irreführend und sagte ihren Wählern, sie hätten die Enttäuschung selbst gewählt. In Richtung Union sagte er, sie sei an der Vertrauenskrise ihrer Partei selbst schuld.
War jetzt länger Pause auf diesem Kanal. Und es wird auch noch ein bisschen dauern, bis es hier richtig weiter geht. Aber heute habe ich noch einmal zurückgeblickt und den Wahlkampf und meine Politik eingeordnet. Hier meine Rede vom grünen Länderrat für euch. ✌🏼 pic.twitter.com/Q2R0zKs13W
— Robert Habeck (@roberthabeck) April 6, 2025
Zudem beklagte Habeck eine «Normalisierung der AfD» im Wahlkampf. Die Kandidatenrunden im Fernsehen, bei denen Alice Weidel nach Details der «Remigration» gefragt worden sei, hätten etwas ermöglicht, was in einer Demokratie eigentlich nicht möglich sei, nämlich «faschistische und rechtsradikale Ideologie in einem ruhigen Ton im bürgerlichen Fernsehen vorzutragen», so Habeck. Er hatte sich im Dezember zunächst geweigert, in einer Runde mit Weidel aufzutreten.
«Sagen, wen man abschieben will»
Die AfD ist inzwischen die grösste Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag und liegt nach einer aktuellen Umfrage gleichauf mit der Union. Ihren Erfolg verdankt sie überwiegend der Unzufriedenheit der Deutschen mit der Migrationspolitik, zu deren spürbaren Effekten die stark gestiegene Kriminalität, die Explosion der Sozialleistungskosten und die Überlastung des Gesundheitssystems und des Wohnungsmarktes gehören, um nur einige Beispiele zu nennen.
Die Migration bleibt auch weiter beherrschendes Streitthema innerhalb der Grünen. Während junge Grünen-Mitglieder eine Rückkehr zu einer linkeren Migrationspolitik fordern, wünschen sich andere, insbesondere aus dem einflussreichen Landesverband Baden-Württemberg, härtere Positionen. Die Debatte nahm auch am Sonntag breiten Raum ein.
Die geschäftsführende Aussenministerin Annalena Baerbock berichtete, in ihrem Bundesland Brandenburg habe sich der Diskurs nach rechts verschoben, durch die AfD, aber auch durch CDU und SPD. Sie werde dort gefragt, warum die Grünen all die Islamisten ins Land liessen. «Da kommen wir nicht weiter, wenn wir sagen, wir brauchen eine humanere Flüchtlingspolitik», gab Baerbock ihrer Partei mit. Man müsse auch sagen, wen man abschieben wolle, «nämlich Schwerverbrecher und diejenigen, die unser Grundrecht mit Füssen treten».
Dröge will eine klare Brandmauer gegen die AfD
Baerbock rief in Erinnerung, wie viele Fachkräfte Deutschland brauche, und verschwieg, dass es sich bei den Hunderttausenden Migranten, die über das Asylrecht nach Deutschland kommen, zumeist gerade nicht um solche handelt. Während Habeck noch keine konkreten Pläne hat, steht Baerbocks nächster Karriereschritt fest: Sie zieht im Herbst mit ihren Töchtern nach New York und wird für ein Jahr Präsidentin der Generalversammlung der Vereinten Nationen.
Die Fraktionschefin Katharina Dröge warf dem designierten Kanzler Friedrich Merz vor, die Brandmauer gegen die AfD eingerissen zu haben. «Wir werden diese Haltelinie wieder mehr einfordern müssen», sagte Dröge. Auch sonst gab die 40-Jährige eine kämpferischere Richtung vor: «Vor allen Dingen waren wir zu nett aus meiner Sicht», sagte sie mit Blick auf den Klimaschutz und deutete damit einen Strategiewechsel an, weg vom konsensorientierten «Habeck-Stil», der auf Brückenbauen und gesellschaftliche Bündnisse setzte.