Der hypothekarische Referenzzins, an dem sich die Mieten in laufenden Mietverhältnissen orientieren, ist von 1,25 auf 1,5 Prozent gestiegen. Bereits kommende Woche könnten die ersten Formulare mit Mietzinserhöhungen ins Haus flattern.
Was aufgrund der Zinsentwicklung absehbar war, ist eingetroffen: Der vom Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) vierteljährlich veröffentlichte hypothekarische Referenzzinssatz liegt neu nicht mehr bei 1,25 Prozent, sondern bei 1,5 Prozent. Dies hat das BWO am Donnerstagmorgen bekanntgegeben.
Der Referenzzins ist massgebend für die Entwicklung der Mieten in bestehenden Mietverhältnissen. Mit dem neuen Referenzzins haben die Vermieter nun das Recht, bei Mietverhältnissen, die auf dem bisherigen Satz von 1,25 Prozent basieren, die Mieten zu erhöhen. Der Anstieg des Referenzzinses um einen Viertelprozentpunkt erlaubt eine Erhöhung des Mietzinses um 3 Prozent.
Aber was passiert nun? Ist davon auszugehen, dass die Vermieter von ihrem Recht Gebrauch machen und die Mieten tatsächlich erhöhen? Und wenn ja: Wann kommt der Anstieg? Welche Formalien – von denen das Mietrecht nur so strotzt – sind bei Mietzinsanpassungen zu beachten?
Ja, die Mieten werden steigen. Dort, wo es zulässig ist, werden die Vermieter die Mietzinsen grösstenteils nach oben anpassen. Das haben Nachfragen der NZZ bei einem Dutzend grossen Vermietern ergeben.
Zulässig ist die Erhöhung bei jenen Mietverhältnissen, die auf dem bisherigen Referenzzins von 1,25 Prozent basieren. Bei den befragten Vermietern sind dies zwischen 50 und 75 Prozent der Mietverträge. Das BWO geht laut dem Direktor Martin Tschirren davon aus, dass die Erhöhung bei ungefähr der Hälfte der Mietverhältnisse zulässig ist.
Betroffen sind alle Mietverhältnisse, die nach dem 1. März 2020 abgeschlossen wurden. Ab dann war der Referenzzins von 1,25 Prozent gültig.
Aber auch bei Mietverhältnissen, die schon länger laufen, kann es nun zu Mietzinserhöhungen kommen. Wenn der Vermieter sämtliche früheren Referenzzinssenkungen weitergegeben und die Miete nach unten angepasst hat, dann dürfte nun der Moment sein, an dem der Mietzins wieder erhöht wird. Letztmals gesunken – damals von 1,5 auf 1,25 Prozent – ist der Referenzzins im März 2020: Wer dann oder danach eine Mietzinssenkung verlangt und bekommen hat, bei dem dürfte es nun nach oben gehen.
Wer herausfinden möchte, ob das eigene Mietverhältnis betroffen ist, findet die entsprechenden Angaben im Mietvertrag. Dort steht, auf welchem Referenzzins das Mietverhältnis basiert. Wichtig sei allerdings zu beachten, ob es seit dem Abschluss Veränderungen beim Mietzins gegeben habe, betont Monika Sommer vom HEV Schweiz. Relevant sei die letztmalige Veränderung des Mietzinses.
Wenn der Referenzzinssatz um 0,25 Prozentpunkte steigt, erlaubt dies eine Erhöhung des Mietzinses um 3 Prozent. Bei einer Nettomiete von 2500 Franken wären das 75 Franken.
Da jedoch die Vermieter zusätzlich zur referenzzinsbedingten Erhöhung auch 40 Prozent der Teuerung und allgemeine Kostensteigerungen geltend machen dürfen, ist es gut möglich, dass der Aufschlag nicht nur 3 Prozent, sondern 4,5 oder 5 Prozent oder noch mehr beträgt. Wenn beispielsweise seit der letzten Mietzinsanpassung 3 Prozent Teuerung aufgelaufen sind, macht dies 1,2 Prozent. Zusammen mit den Kostensteigerungen von 0,5 oder 1 Prozent ergeben sich 1,7 bis 2,2 Prozent.
Eine Mietzinserhöhung ist nicht von heute auf morgen erlaubt, sondern erst auf den nächsten Kündigungstermin und unter Einhaltung der Kündigungsfrist und einer zehntägigen Bedenkfrist. Als Mieter soll man die Chance haben, zu kündigen, falls man mit der Mietzinserhöhung nicht einverstanden ist oder einem die Wohnung zu teuer wird.
Eine Erhöhung ist also frühestens per ersten Oktober 2023 möglich.
Wer die Miete erhöhen will, muss dafür unbedingt ein kantonal genehmigtes Formular verwenden (bei Mietzinssenkungen ist das nicht notwendig). Die Mietzinserhöhung muss zudem klar begründet sein. Das kantonale Formular informiert den Mieter auch über seine rechtlichen Möglichkeiten, die Erhöhung bei der Schlichtungsbehörde anzufechten.
Ist eine Erhöhung per 1. Oktober 2023 geplant, sollte das Formular mit der Mietzinserhöhung sinnvollerweise spätestens am 10. Juni 2023 per Einschreiben der Post übergeben werden. Damit ist auch die siebentägige Abholfrist gewährleistet. Anderenfalls kann die Mietzinserhöhung erst auf den nachfolgenden Kündigungstermin erfolgen. Falls im Mietvertrag die Kündigungstermine März, Juni und September vereinbart sind, wäre das der 1. April 2024.
Ein Einschreiben ist wichtig, um im Streitfall beweisen zu können, dass der Mieter die Mitteilung rechtzeitig erhalten hat.
Entscheidend ist der Referenzzinssatz, auf dem das Mietverhältnis basiert. Ist es der bisherige Satz von 1,25 Prozent, dann ist die Erhöhung legitim.
Mieter können geltend machen, wenn ihnen frühere Senkungen des Referenzzinssatzes nicht weitergegeben wurden. Wenn Unsicherheiten bestehen, können sie Mieterhöhungen durch die Schlichtungsbehörde überprüfen lassen.
Laut dem Mieterinnen- und Mieterverband kann ein Mieter eine Erhöhung innerhalb von dreissig Tagen bei der Schlichtungsbehörde des Wohnbezirks anfechten. Der entsprechende Brief muss laut dem Verband von allen Personen, die im Mietvertrag aufgeführt sind, unterschrieben sein. Das Verfahren vor den Schlichtungsbehörden ist kostenlos.
Prinzipiell müssen weder Vermieter noch Mieter etwas tun. Bei einem Anstieg des Referenzzinssatzes gibt es – wie auch bei einer Senkung – keinen Automatismus.
Es ist auch nicht so, dass das Recht, die Mietzinsen anzupassen, nach einer gewissen Zeit verfällt. Wer als Vermieter seine Mieten vorläufig noch nicht erhöhen will, kann das auch zu einem späteren Zeitpunkt tun.
Etwas gibt es aus Vermietersicht allerdings zu bedenken: Wer seinen Mietzins über längere Zeit nicht erhöht, schafft sich dadurch möglicherweise Probleme beim nächsten Mieterwechsel. Ein neuer Mieter kann den Anfangsmietzins anfechten, wenn dieser mehr als 10 Prozent über dem Mietzins des Vormieters liegt. Der gut gemeinte Plan, bestehende Mieter zu schonen und sich die Mietzinserhöhungen für den nächsten Wechsel aufzusparen, könnte damit durchkreuzt werden.
Private Vermieter haben mit ihren Mietern manchmal aber auch Übereinkommen, dass sie die Miete bei Veränderungen des Referenzzinssatzes weder in die eine noch in die andere Richtung anpassen. In solchen Fällen werden manchmal Mietverträge mit mindestens fünfjähriger Mindestdauer abgeschlossen und die Mietzinsen an die Teuerung gekoppelt.
Ja, auch Mieter in Genossenschaften sind betroffen, denn die Kostenmiete ist unmittelbar mit dem hypothekarischen Referenzzinssatz verknüpft. Aufgrund des genossenschaftlichen Gleichbehandlungsprinzips betrifft dies sämtliche der Kostenmiete unterliegenden Mietverhältnisse.
«Es ist den Genossenschaften generell zu empfehlen, die Mieten laufend anzupassen und Erhöhungen nicht aufzuschieben», erklärt Christian Portmann, ein Experte des gemeinnützigen Wohnungsbaus. «Liegen die effektiven Finanzierungskosten über dem hypothekarischen Referenzzinssatz, führt dies zu einem strukturellen Defizit.» Ein generelles Aufschieben sei eher kontraproduktiv, denn dann drohe mieterseits plötzlich ein «Mietzinsschock». Zur Linderung von Härtefällen können viele Baugenossenschaften auf einen eigenen Solidaritätsfonds zurückgreifen.
Ja. Mindestens ein weiterer Anstieg auf 1,75 Prozent ist absehbar. Die Ökonomen der Credit Suisse gehen davon aus, dass dies bereits in einem halben Jahr, Anfang Dezember, der Fall sein wird. Das BWO hält einen weiteren Anstieg im kommenden Winter immerhin für möglich.
Wie es danach weitergeht, hängt von der Inflation ab und davon, wie stark die Schweizerische Nationalbank ihren Leitzins noch weiter erhöht.
Der Referenzzins basiert auf dem Durchschnittszinssatz, der für Hypotheken in der Schweiz bezahlt werden muss. Hypotheken sind heute und wohl auch auf absehbare Zeit nicht mehr für unter 2 Prozent erhältlich, so dass der Durchschnittssatz weiter steigen wird. Durchaus möglich also, dass es 2024 zu weiteren Erhöhungen des Referenzzinses kommen wird.