Mittwoch, März 19

John Thorrington, Sportdirektor im Los Angeles FC, hat grosse Pläne mit den Grasshoppers. Er erklärt seine Netzwerk-Strategie, die von Zürich bis Uruguay Erfolg bringen soll.

Herr Thorrington, wie kommt man in Los Angeles auf die Idee, in der Schweiz einen Fussballklub zu kaufen?

Wir haben nicht in der Schweiz irgendeinen Fussballklub gekauft. Wir haben uns entschieden, in den Grasshopper-Club Zürich zu investieren.

Gut. Anders gefragt: Warum kauft man in Los Angeles in der Schweiz GC, den seit vielen Jahren defizitären Zürcher Klub mit wenig Publikum, ohne eigenes Stadion?

Erlauben Sie, dass ich kurz erkläre, wer wir sind: Der Los Angeles FC (LAFC) ist seit der Gründung vor zehn Jahren mehr als eine weitere Franchise in der nordamerikanischen Liga MLS. Der LAFC möchte eine globale Marke im Fussball werden: Das ist das Selbstverständnis der Besitzer, das ist unser Selbstverständnis im Klub. Das bedeutet, dass wir schon seit längerem weltweit Gespräche führen auf der sportlichen, wirtschaftlichen oder der finanziellen Ebene über Partnerschaften und Kooperationen. Weil im Klubfussball Europa das Zentrum ist, gehen wir nach Europa.

Und da haben Sie GC gefunden?

Es gab hier verschiedene Möglichkeiten, die aber nicht zu uns gepasst haben. Im Zuge der Gespräche und Verhandlungen haben wir viel über den Klub gelernt und festgestellt, dass GC für unsere Strategie ideal ist.

Was bedeutet: GC ist «ideal für unsere Strategie»?

Sie kennen die äusseren Parameter: Die Schweizer Liga bietet einen vergleichsweise einfachen Weg, sich für den Europacup zu qualifizieren. Das gilt auch für die Spieler. Zürich ist eine wunderbare Stadt, sie ist gut zu erreichen, ist ein Wirtschaftsstandort und bietet ein gutes geschäftliches Umfeld. Und mit GC hat Zürich einen Fussballklub mit Tradition und Geschichte. Mir ist wichtig: Unser Engagement ist keine Einbahnstrasse. Wir geben nicht einfach vor, was sich bei GC ändern muss. Die Idee ist, dass auch wir umgekehrt von GC lernen.

Was genau wollen Sie denn von GC lernen?

Grundsätzlich arbeiten wir kooperativ. Es geht um die übergeordnete Idee, dass wir einen Pool von jungen Spielern aufbauen in einer Struktur, in der sich Talente entwickeln können bis auf das höchste Level. Unser Investment bei Wacker Innsbruck gehört dazu, unser Klub Racing de Montevideo in Uruguay. Das sind unterschiedliche Klubs, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben. Es geht um Synergien, Austausch, gegenseitiges Lernen. Für GC gilt, dass wir mehr junge Spieler entwickeln wollen.

LAFC-Sportdirektor

John Thorrington

Der 45-Jährige ist seit der Gründung 2015 Sportdirektor im Los Angeles FC. Thorrington leitet die Sportabteilung im LAFC neben dem Geschäftsführer Larry Freedman. Er führte den Klub vor einem Jahr zur Meisterschaft in der Major League Soccer (MLS), in dieser Saison in den Final. Thorrington hat armenische Wurzeln, wuchs in Kalifornien auf und durchlief die Fussball-Ausbildung bei Manchester United. Bei Bayer Leverkusen schaffte er es bis in die zweite Mannschaft. Der Mittelfeldspieler wechselte nach England zu Huddersfield und spielte danach in der MLS für Chicago, Vancouver und DC United.

Wie kann GC von «Red & Gold» profitieren, Ihrem Joint Venture mit dem FC Bayern München?

Das wird sich zeigen. «Red & Gold» ist ein Teil der angesprochenen Strategie, einen Talentpool aufzubauen. Wichtig ist, dass die Leute in den Staffs einander kennen, sich austauschen und die Grundlinien in der Arbeit übereinstimmen. Das ist eine langfristige Angelegenheit. Aber der Weg stimmt. Wir planen bereits einen Transfer von Montevideo zum LAFC, Nachwuchsspieler von unserer Akademie in LA haben in München trainiert und umgekehrt.

Der LAFC ist ein Star-Klub. Sie haben Gareth Bale, Giorgio Chiellini oder Hugo Lloris nach Kalifornien geholt. Wann kommen Stars auch zu GC?

So funktioniert das nicht. Ich will nicht wegwischen, dass uns die genannten Stars geholfen haben. Aber ich will betonen, dass die berühmten Spieler auch unsere Talente besser machen, es geht nicht nur um die Aussendarstellung. Aber wenn Sie sagen, der LAFC sei ein Star-Klub, ist das eine interessante Frage, weil sie mich an unsere Anfangszeit in Los Angeles erinnert.

Thank You, Gareth Bale

In welcher Hinsicht?

Es ging um die Frage: Wer wollen wir sein? Los Angeles ist eine Stadt der Stars, die Menschen wollen Stars. Es klingt vielleicht abstrakt, aber wir stellen eigentlich die gleiche Frage in Zürich. Was ist GC? Hier ist der Kontext ganz anders, weil GC ein reiches Erbe hat, dem wir grossen Respekt zollen. Die Frage stellt sich vielleicht so: Was wollen die Menschen sehen, damit sie sich mit dem Klub, seiner Geschichte und Tradition wieder identifizieren können und das Gefühl haben, GC repräsentiere etwas, das mit ihnen zu tun hat? Das wollen wir herausfinden, mit Gesprächen, offenen Ohren und wachen Augen. Deshalb werden wir hier vor Ort anwesend sein.

Das klingt gut. Trotzdem nochmals zurück zur Eingangsfrage: Wer hat Ihnen GC empfohlen?

Niemand. Als GC auf unserem Radar erschien, musste mir niemand GC erklären. Vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren war ich Spieler in Europa. Es gab nur einen Namen, der für den Schweizer Fussball stand: Grasshopper-Club Zürich! Bei mir machte es sofort «klick», als der Name GC fiel. Ich weiss, meine Erinnerung ist schon länger her. Aber wir wollen die Erinnerung aktivieren: in der Gegenwart und in der Zukunft.

Das braucht Geld. Ihre Vorgänger haben in dreieinhalb Jahren gegen 50 Millionen Franken ausgegeben. Spielt Geld überhaupt keine Rolle, weil der LAFC ein Klub von reichen Besitzern ist?

Geld spielt eine Rolle, absolut. Wir sind finanziell und wirtschaftlich äusserst diszipliniert. Es gibt zwei Sichtweisen: Was sind Kosten – und was sind Investitionen. Es ist sehr klar für uns, dass wir klug investieren werden, um den Klub voranzubringen. Wir wissen, dass es dafür Investitionen braucht.

Wie viel werden Sie investieren?

Ich nenne keine Zahlen. Ich bin für den Sport verantwortlich.

Dann fragen wir so: Werden Sie in die Mannschaft investieren?

Wir investieren in die richtigen Bereiche. Auch in die Mannschaft. Was auf dem Platz geschieht, beeinflusst das, was neben dem Platz passiert. Das heisst, sportlicher Erfolg erhöht das Interesse. Das bringt den Kreislauf mit mehr Zuschauern, mit Sponsoren und so weiter in Gang. Darauf liegt kurzfristig das Augenmerk.

Ein erster Schritt wäre ein Platz im Europacup. Muss die Mannschaft dieses Ziel in dieser oder in einer der nächsten Saisons erreichen?

Das will ich so nicht beantworten. Aber wir sehen, dass die Unterschiede zwischen den Klubs in der Liga nicht sehr gross sind. Wir wollen Fortschritte erzielen, auch in dieser Saison. Und wir werden sehen, was für uns in diesem Transferfenster noch möglich sein wird. Klar ist: Nach Transferschluss nimmt der Staff sofort die Planungen für den Sommer und die Zeit danach in Angriff. Wir gehen Schritt für Schritt in dem Bewusstsein, dass unsere Ambitionen gross sind.

Seit der Übernahme ist Harald Gärtner der Chef im sportlichen Bereich von GC. Wer ist Gärtner, und was ist seine Aufgabe?

Die Fussballwelt ist klein. Harald spielte einst mit unserem Coach Steven Cherundolo in Hannover. Harald bringt seine Expertise ein, wenn es um Fragen im europäischen Markt geht. Wir stehen in engem Kontakt. Er hat uns geholfen bei unserem Engagement in Österreich. Seine Aufgabe ist es, bei den Anpassungen im Kader mitzuhelfen und sein Know-how einzubringen.

Sie suchen auch einen CEO, angeblich soll es ein Schweizer werden.

Das Kriterium «Schweizer» ist nicht entscheidend, aber es wäre ein zusätzliches Plus. Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten werden Gewicht haben. Ich bin in LA aufgewachsen, das ist für den LAFC ein Vorteil. So ist es auch in Zürich. Entscheidend ist aber, die richtige Person zu finden.

Mit Chicago Fire besitzt ein weiterer MLS-Klub mit dem FC Lugano einen Verein in der Schweiz. Welche Rolle spielen die Erfahrungen von Chicago für Ihr Vorgehen bei GC?

Keine direkte. Was ich sagen kann: Die Besitzer der MLS-Klubs treffen sich regelmässig und sind zum Teil auch geschäftlich verbunden. Auf dieser Ebene gab es zwischen Chicagos Besitzer Joe Mansueto und unseren Besitzern sicherlich Austausch über die Schweizer Liga, die sportlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten. Ich habe natürlich auch Kontakte zu Leuten, die den Fussball in der Schweiz kennen und wissen, wie die MLS funktioniert. Raphael Wicky zum Beispiel, er ist ein guter Freund von mir, ich kenne ihn seit seiner Zeit als Spieler in Los Angeles. Ich habe mich informell mit einigen Leuten im sportlichen Bereich ausgetauscht.

Sie haben am Sonntag das Derby im Stadion besucht. Was bleibt?

Ich war nicht alleine, auch der LAFC-Geschäftsführer oder einer der Besitzer waren im Stadion. Natürlich war es ein schöner Abend, die Energie im Stadion, der späte Siegtreffer . . . Aber sehen Sie, mir ist klar, dass das Stadtderby nicht der Alltag war im Stadion, sondern ein aussergewöhnliches Spiel. Ich habe die Partie vor allem mit den Augen des Sportdirektors gesehen und mich gefreut, dass etwa die taktische Umstellung von unserem Trainer Bruno Berner in der Pause funktioniert hat. Und klar: Wir haben gewonnen und drei wichtige Punkte geholt gegen eine Mannschaft aus der oberen Tabellenhälfte.

Die Mannschaft aus der oberen Tabellenhälfte ist der FC Zürich. Der FCZ dominiert die Stadt. Wie wollen Sie GC wieder in der Stadt verankern und sichtbar machen?

Auch diese Frage erinnert mich an die gleichen Diskussionen, die wir zu Beginn in LA geführt haben. Wie wollt ihr euren Platz erobern neben diesem einen Klub, der so erfolgreich ist? Ich glaube, wir sind sehr geschickt darin, auf die Menschen zuzugehen: Was wollen die Leute, was fehlt? Voraussetzung ist immer: Der Klub gehört den Menschen. Das gilt auch für GC und seine Geschichte. Wir sind Diener des Klubs.

Dennoch: Über allem steht der Erfolg. Sie setzen sich grossem Druck aus.

Glauben Sie mir, in Los Angeles gibt es nur eine Option: Erfolg. Du musst gewinnen, immer, es gibt keine Alternative. In Los Angeles ist so viel los, in jeder Sportart gibt es zwei grosse Klubs, es gibt erfolgreiche College-Teams – wir wissen, was Erfolgsdruck bedeutet. Wir und die LAFC-Besitzer haben bewiesen, dass wir damit umgehen können.

Woher nehmen Sie eigentlich Ihre Zuversicht?

Als wir vor zehn Jahren angefangen haben, den LAFC aufzubauen, ging in LA mit Chivas USA gerade ein MLS-Klub pleite. Alle sagten: Warum macht ihr das, ihr seht doch, dass es nicht funktionieren kann. Wir haben die Zweifler überzeugt, dass sie falschlagen. Es hat funktioniert. Sehen Sie, unsere Besitzer haben in ihren Geschäftsfeldern bewiesen, dass sie sehr erfolgreich sind. Und wir als LAFC haben bewiesen, dass wir erfolgreich sind.

Ihr Optimismus fasziniert.

Ich werde immer wieder als ewiger Optimist bezeichnet. Das stimmt. Aber ich bin auch Realist, wenn ich Sachverhalte einzuschätzen habe.

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