Was bis anhin über die Antwort der Terrororganisation bekannt ist und wie es jetzt weitergeht. Der Überblick.
Am Dienstagabend kam der Moment, auf den die Welt seit knapp zwei Wochen gewartet hatte: Die Hamas hat eine offizielle Antwort auf den israelischen Waffenstillstandsplan vorgelegt. Der amerikanische Präsident Joe Biden hatte den dreistufigen Vorschlag zwölf Tage zuvor präsentiert. Dieser sieht zunächst eine sechswöchige Waffenruhe und anschliessend einen kompletten israelischen Abzug aus dem Gazastreifen sowie einen Austausch aller israelischen Geiseln gegen Hunderte palästinensische Gefangene vor. In der letzten Phase soll der Wiederaufbau des zerstörten Küstenstreifens beginnen.
Die Hamas hat den israelischen Vorschlag nicht uneingeschränkt angenommen, sondern einzelne «Änderungen» eingereicht. Ein anonymer israelischer Regierungsvertreter wertete diese Anmerkungen in einer ersten Reaktion als eine Ablehnung des von Biden präsentierten Waffenstillstandsplans – die USA äusserten sich ebenfalls skeptisch.
Was ist über die Hamas-Antwort bekannt?
Am Dienstagabend schickten die Hamas und der Palästinensische Islamische Jihad ihre offizielle Antwort an die Vermittler Ägypten und Katar. Laut den Angaben besteht die Priorität beider Terrororganisationen darin, den Krieg vollständig zu beenden. Israel will hingegen die Möglichkeit behalten, die Kämpfe zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen. Die wichtigsten Punkte der Rückmeldung im Überblick.
- Kompletter israelischer Abzug: Die Hamas fordert den Rückzug der Israeli auch aus Rafah und von der Grenze mit Ägypten, dem sogenannten Philadelphi-Korridor. Das wird für Israel nur schwer zu akzeptieren sein, denn dieser Landstrich war in den vergangenen Jahren eine wichtige Schmuggelroute für die Hamas, über die sie weiter Nachschub erhielt.
- Neuer Zeitraum: Die Islamisten aus dem Gazastreifen wollen, dass im Vorhinein festgelegt wird, wann die Kampfhandlungen endgültig enden. Im ursprünglichen Vorschlag ist nur die erste Phase zeitlich begrenzt, danach soll weiter verhandelt werden, bis sich die beiden Seiten auf einen permanenten Waffenstillstand einigen.
- Eindeutige Garantie: Bereits nach Bidens Präsentation des Waffenstillstandsplans hatten hochrangige Mitglieder der Hamas gesagt, sie könnten eine Waffenruhe nur akzeptieren, wenn Israel eine schriftliche Zusage gebe, die Kämpfe später nicht wieder aufzunehmen.
Wie reagiert Israel?
Israel hat bisher noch nicht offiziell auf die Antwort der Hamas reagiert. Wenige Stunden nach der Rückmeldung der islamistischen Organisation zitierten Medien allerdings einen anonymen israelischen Beamten mit der Aussage, die Antwort der Hamas komme einer Ablehnung des israelischen Vorschlags gleich. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich bei dem Beamten um Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu handelt – kaum ein anderes Regierungsmitglied wird die Antwort der Hamas so schnell zu Gesicht bekommen haben.
In den vergangenen Tagen hat Israel immer wieder erklärt, der von Biden präsentierte Vorschlag erlaube es, alle Kriegsziele zu erfüllen: die Rückkehr aller Geiseln sowie die komplette Zerstörung der Hamas. Es ist aber nur schwer vorstellbar, wie beides zusammen möglich ist, falls Israel dem Abkommen zustimmt. Die Geiseln könnten freikommen, doch die Hamas dürfte überleben.
Ebenso ist klar, dass eine Zustimmung Netanyahus den Zusammenbruch seiner Regierungskoalition bedeuten würde. Netanyahus rechtsextreme Partner haben mehrfach angekündigt, die Regierung zu verlassen, sollte Israel den Vorschlag akzeptieren. Seit dem Austritt des gemässigten Oppositionspolitikers Benny Gantz ist der israelische Ministerpräsident noch stärker auf sie angewiesen. Auch das erklärt die zögerliche, anonyme Reaktion Israels auf die Antwort der Hamas.
Wie geht es jetzt weiter?
Ähnlich wichtig wie die israelische Reaktion ist jene der USA. Die USA haben ein grosses Interesse daran, den Gaza-Krieg so bald wie möglich zu beenden, da ihre Unterstützung für Israel sie zu Hause und in der arabischen Welt erheblich unter Druck setzt.
In Katar äusserte sich der amerikanische Aussenminister Antony Blinken am Mittwoch enttäuscht. «Mit einigen Änderungen können wir arbeiten, mit anderen nicht», sagte er. «Ein Vorschlag lag auf dem Tisch, der praktisch identisch mit dem Hamas-Vorschlag vom 6. Mai war – ein Abkommen, hinter dem die ganze Welt steht und das Israel akzeptiert hat.» Die Hamas hätte einfach zustimmen können, stattdessen habe sie fast zwei Wochen gewartet und viele Änderungen vorgeschlagen, die über frühere Forderungen hinausgingen. Blinken hinterfragte deswegen öffentlich, ob die Hamas überhaupt an einer Einigung interessiert sei.
Ein Waffenstillstand im Gazastreifen scheint in greifbarer Nähe. Doch derzeit sieht es aus, als scheitere eine Einigung weiterhin – nicht nur wegen der israelischen Innenpolitik, sondern vor allem wegen neuer Maximalforderungen der Hamas.

