Donnerstag, September 19

Bis Ende September 2024 findet in Venedig die dritte Ausgabe der alle zwei Jahre stattfindenden Kulturveranstaltung Homo Faber statt, die sich als eine Hommage an die moderne Handwerkskunst versteht.

«Roboter mögen viele Berufe der Neuzeit obsolet machen. Umso wichtiger ist es, das zu fördern und zu erhalten, was nur der Mensch mithilfe seiner Hände erschaffen kann: das Kunsthandwerk.» Dies war die Grundidee von Johann Rupert und Franco Cologni, der Eminenz der Richemont-Gruppe, als sie die Michelangelo Foundation gründeten, um 2018 die erste Ausgabe der Ausstellung Homo Faber ins Leben zu rufen. Die diesjährige dritte Ausgabe steht unter dem Motto «The Journey of Life» und zeigt in einem Parcours durch die Räumlichkeiten des ehemaligen Klosters San Giorgio Maggiore, Sitz der Fondazione Giorgio Cini, Werke von Kunsthandwerkern der ganzen Welt.

Die Homo-Faber-Ausstellung findet bis zum 30. September 2024 im ehemaligen Kloster San Giorgio Maggiore in Venedig statt.

Die Räume sind thematisch gegliedert und versuchen, durch die gezeigten Objekte Stationen eines Lebens von der Geburt bis zur eventuellen Wiedergeburt widerzuspiegeln. Von spielerischen Objekten der Kindheit über blumige Kunstwerke der Verliebtheit, Tafelkunst für opulente Feiern bis zu spirituellen Werken gibt es rund 800 Objekte von 400 Kunsthandwerkern oder handwerklichen Betrieben zu bestaunen.

Atemberaubend ist nicht nur die Mischung aus Kreativität und technischer Fertigkeit – von Stickereien über Porzellan- und Glaswaren bis hin zu Möbelbau und Sattlerei –, sondern auch, wie die Objekte in den verschiedenen Räumlichkeiten präsentiert werden. Zuständig für die Szenografie waren die beiden Kreativdirektoren der Ausstellung, der Filmregisseur Luca Guadagnino und der Architekt Nicolò Rosmarini.

Unter der Fülle an Ausstellern entdeckt man hier viele spannende und kreative Talente, aber auch bekannte Traditionshäuser wie etwa die Porzellanmanufaktur Nymphenburg oder den Glasspezialisten Lobmeyr, zudem auch die eine oder andere Luxusmarke aus der Uhren-, der Schmuck- und der Modebranche – eine logische Konsequenz des Engagements der Michelangelo Foundation.

5 Highlights der Homo Faber 2024

Mini-Monets aus Email von Jaeger-LeCoultre

Mit dabei ist etwa die Uhrenmanufaktur Jaeger-LeCoultre, die auch Hauptpartner eines siebenmonatigen Förderprogramms zur beruflichen Integration von Handwerksabsolventen ist. In der lichtdurchfluteten Orangerie bringt einer der Spezialisten des «Métiers Rares»-Ateliers Miniaturbilder aus Email auf dem Wendegehäuse des Modells «Reverso» auf: Dabei werden bekannte Gemälde mit feinsten Pinseln auf eine briefmarkengrosse Fläche übertragen. Man kann dem Künstler dabei zusehen, wie er mithilfe eines Mikroskops die Farben auftupft, um den Impasto-Maleffekt zu erzielen, den Claude Monet mit dem Auftragen dicker Farbschichten erreichte, die Wasser dreidimensional wirken lassen.

Ein Handwerker der Uhrenmarke Jaeger-LeCoultre trägt Email-Pigmente für eine Miniaturmalerei für Uhren auf.

Da es sich bei den Farben um Email-Pigmente handelt, die Schicht für Schicht aufgetragen und jedes Mal bei Temperaturen um 800° Grad gebrannt werden, ist das Verfahren enorm aufwendig und stets mit dem Risiko verbunden, alles zu verlieren, da beim Brand alles Mögliche schiefgehen kann. Wenn sich das Email zu sehr verflüssigt, können die Farben verlaufen und das winzige Gemälde ruinieren. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die Pigmente beim Brand ihre Farbe verändern, weshalb der Künstler beim Applizieren viel Vorstellungskraft braucht.

Insgesamt benötigt der Künstler für ein Emailkunstwerk rund siebzig Stunden. Anlässlich der Homo Faber wählte Jaeger-LeCoultre drei Gemälde von Monet, die verschiedene Ansichten Venedigs zu unterschiedlichen Tageszeiten zeigen. Die Resultate haben eine leuchtende Strahlkraft, die eine Fotografie kaum wiederzugeben vermag. Auch auf der Zifferblattseite kommt ein seltenes Kunsthandwerk zum Zug: Die Zifferblätter der drei Uhren sind mit unterschiedlichen Mustern guillochiert und mit transparentem Email überzogen. Lediglich zehn Uhren pro Sujet wurden für den Verkauf angefertigt.

Tiger-Preziosen von Cartier

Auch die zur Richemont-Gruppe gehörende Schmuck- und Uhrenmarke Cartier ist während der Dauer der Homo Faber mit eindrücklichen Exponaten aus der Cartier Collection mit historischen Preziosen und einem Atelier-Teil mit Kunsthandwerkern zugegen. Goldschmiede arbeiten an ganz neuen Schmuckstücken, die für einmal nicht den für Cartier emblematischen Panther thematisieren, sondern Tigermotive.

Vor Ort wird etwa an einem individuell hergestellten Armreif gearbeitet, um die Entstehung zu demonstrieren. Besucherinnen und Besucher können dem Künstler über die Schultern sehen, wie er das Objekt aus einem Spezialwachs herausmodelliert, um welches später die Ausschmelzform gelegt wird.

Jedes Wachsmodell ist ein Unikat, das nur ein einziges Mal verwendet werden kann, denn vor dem Befüllen der Hohlform mit flüssigem Gold muss das Wachs durch Ausschmelzen entfernt werden. Nebenan arbeitet ein Steinfasser an einem Tiger aus Gold. Er hat die Figur bereits mit Bohrungen unterschiedlicher Grössen übersät und ist dabei, die Brillanten, die das Streifenmuster des Tiers bilden werden, zu sortieren. Zwei tropfenförmige Smaragde als Augen hat er bereits in den Kopf des Tiers gesetzt.

«Mystery Set»-Schmuck von Van Cleef & Arpels

Eine weitere Schmuckmarke, das für seine von der Natur inspirierten Preziosen bekannte Haus Van Cleef & Arpels aus Paris, zeigt eine andere, ganz eigene Spezialität: das unsichtbare Fassen von baguetteförmigen Edelsteinen im sogenannten «Mystery Set». Ein goldener Ring mit einem rubinbesetzten Schild dient als Demonstrationsobjekt. Das Schild ist durchbrochen und zeigt innen eine gitterförmige Struktur. Die beinahe würfelförmigen, blutroten Edelsteine besitzen an ihrem Unterteil von Hand eingeschliffene Rillen, die auf die einzelnen Schienen des Metallgitters geschoben werden. Die Rubine sind so präzis geschliffen, dass sie eine durchgängige Oberfläche bilden und nichts vom darunterliegenden Metall durchscheinen lassen.

Edelschuhe von Santoni

Im Salon «Dialogues» geht es um die Weitergabe von Handwerkskünsten von einer Generation an die nächste. Hier zeigt das in den ostitalienischen Marken beheimatete Familienunternehmen Santoni, wie seine exklusiven Schuhe entstehen. Gezeigt werden das Anfertigen und Anpassen der hölzernen Leisten, der Entwurf des Schuhs auf denselben, das Zuschneiden des Leders, das Nähen sowie das Einfärben und Polieren der fertigen Schuhe. An jeder Station arbeiten jeweils ein Lehrling und sein Meister, was unterstreichen soll, wie wichtig dem Unternehmen die direkte Weitergabe der spezifischen Fähigkeiten ist.

Von Hand eingefärbte Edelschuhe von Santoni.

Besonders aufsehenerregend ist die Herstellung des Modells «Uniqua Marco Polo», eines Schuhs mit zwei Schnallen aus 24 Karat Gold. Seinen Namen trägt er, weil sein Oberleder aus einem Stück gefertigt ist und deshalb keine Nähte aufweist. Das Blau des Schuhs ist vom Wasser der Lagunenstadt inspiriert und wird von Hand mit in Farbe getränkten Tüchern ins Leder einpoliert. Mithilfe dieser Methode lassen sich die feinen Schattierungen und Farbverläufe realisieren, für die Santoni bekannt ist.

Kristallglas von Lobmeyr

Die über 200 Jahre alte Wiener Glasmanufaktur Lobmeyr ist während der Homo Faber gleich in zwei Räumen vertreten: zum einen auf der etwa 30 Meter langen verspiegelten Tafel des Salons «Celebrations», gespickt mit feierlichen Tischobjekten aller Art – dort stehen die hauchdünn geblasenen, an Weihnachtskugeln erinnernden Bonbonnieren und Kugeldosen von Oswald Haerdtl, deren Deckel so präzise gearbeitet sind, dass man den Übergang kaum erahnt. Und zum anderen im Salon «Dialogues», wo die Besucher erfahren, wie es durch den regen Austausch zwischen Designern und Glasbläsern zu einigen der ikonischen Sets der Manufaktur kam. Exemplarisch ist etwa der schriftliche Austausch zwischen dem Architekt Adolf Loos und Lobmeyr, der zum Trinkservice No. 284 führte.

Exit mobile version