Seit Jahren droht ein rutschender Berghang das kleine Bündner Dorf zu verschütten. Eine Umsiedlung wird nun immer wahrscheinlicher.

Im November 2024 musste die Brienzer Bevölkerung ihre Heimat bereits zum zweiten Mal verlassen. Ein rutschender Berghang droht das kleine Dorf im Kanton Graubünden zu begraben. Die etwa achtzig dort wohnhaften Personen dürfen seit der Evakuierung nur sporadisch in ihre Häuser zurückkehren.

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Sie fragen sich, wann und ob sie sich je wieder in ihrem Dorf niederlassen können. Daniel Albertin, der Brienzer Gemeindepräsident, lieferte ihnen am Donnerstagabend einige Antworten – und stellte eine schwierige Frage.

Keine Rettung in Sicht

Die Mehrzweckhalle der Schule in Tiefencastel war voll besetzt. Albertin und mehrere Spezialisten für Naturgefahren waren anwesend, um die Bevölkerung über die Zukunft von Brienz zu informieren.

Gute Neuigkeiten gab es nur spärlich. Die Gefahrenstufe in Brienz wurde von Rot auf Orange heruntergesetzt. Ab Montag können evakuierte Bewohner, sowie Besitzer von Zweitwohnungen, von 9 bis 19 Uhr in ihre Wohnungen und Häuser zurückkehren. Wann sie dort wieder übernachten dürfen, ist ungewiss.

Noch ungewisser ist der Blick auf die nächsten fünf bis zehn Jahre, wie diverse Analysen der Experten zeigen. Sicher ist einzig, dass die Probleme bleiben.

Der Entwässerungsstollen, der zurzeit gebaut wird, kann das Dorf nicht retten. Er verlangsamt zwar das Rutschen des Dorfes, hat aber keinen Einfluss auf die sogenannte «Schutthalde», im Berghang oberhalb des Dorfes. Das erklärte der Geologe Andreas Huwiler vom kantonalen Amt für Wald und Naturgefahren.

Die Schutthalde reagiert extrem sensibel auf Schneeschmelze, Niederschläge und Steinschläge. Huwiler sagt: «Auch wenn das Dorf wieder bewohnt werden kann, ist davon auszugehen, dass es wieder zu Evakuierungen kommen wird.» Bei Starkniederschlägen könnte dies beispielsweise mehrmals pro Jahr notwendig sein.

Auch das Plateau oberhalb der Schutthalde ist instabil. Der Frühwarndienst könne einen drohenden Absturz des Plateaus frühzeitig erkennen und zuverlässig Evakuierungen einleiten. Huwiler rechnet mit mehreren Evakuierungen in den nächsten fünf bis zehn Jahren.

Ab 2030 wird die Schutthalde voraussichtlich kein Problem mehr darstellen, da sie bis dann in flaches Gebiet abgerutscht sein wird. Aber: Die Gefährdung durch das Plateau bleibt bestehen.

Ein Nutzungsverbot wird diskutiert

Die erhoffte langfristige Entspannung der Lage bleibt also aus. Gemeindepräsident Daniel Albertin stellt zum ersten Mal seit acht Jahren die Zukunft des Dorfes infrage. «Jetzt sind wir am Punkt angelangt, an dem wir uns Gedanken machen, ob es richtig ist, in Brienz um jeden Preis weiter leben zu wollen. Wir müssen, ob wir wollen oder nicht, auch über ein Nutzungsverbot sprechen.»

Bereits seit Monaten beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit Plänen zur Umsiedlung. Die Raumplaner haben bereits mehrere Dörfer in der Talgemeinde Albula/Alvra als mögliche neue Standorte definiert. Dazu gehören unter anderem Tiefencastel, Alvaneu und Vazerol. Bauen sich die umsiedelnden Eigentümer im Kanton Graubünden ein neues Haus oder erwerben eines, so beteiligen sich Bund und Kanton an den Kosten.

Gemeindepräsident Daniel Albertin versucht, darin das Positive zu sehen. «Aus finanzieller Sicht haben wir gute Nachrichten. Wir haben eine Lösung für die Einheimischen und einen Lösungsansatz für Zweitheimische.»

Noch ist der Wegzug aus Brienz freiwillig. Interessierte können sich noch bis Ende September für eine präventive Umsiedlung anmelden.

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