Dienstag, Oktober 8

Hier gibt es gleich Ärger. Daran lässt der Mann mit dem hellen Hemd und der dunklen Sonnenbrille keinen Zweifel. Er sitzt auf einem Holzschemel, neben ihm stapeln sich Pfannen, Kochkellen, Mikrowellen.

Ein roter Toyota Starlet? Vor seinem Küchenladen? «Nie gesehen», sagt er unfreundlich und wendet sich ab. Die Botschaft des Ladenbesitzers ist unmissverständlich: Verschwindet!

Es ist kurz vor Mittag auf diesem riesigen, staubigen Markt im Nordosten Nigerias. Die Sonne steht wie eine glühende Blechscheibe am wolkenlosen Himmel, selbst im Schatten sind es über dreissig Grad.

Eigentlich wollten wir ja nur eine einfache Frage beantworten: Was geschieht mit unseren alten Autos, wenn sie rostig, kaputt oder aus der Mode sind?

Diese Frage führte uns ins Chaos: zu windigen Händlern, in verrauchte Werkstätten, auf riesige Terminals am Antwerpener Hafen. Oder eben auf die staubigen Strassen von Nigeria.

Doch nun droht die lange Recherche in Jimeta zu scheitern, in dieser westafrikanischen Kleinstadt mit ihren zwielichtigen Schwarzmarkt-Wechselstuben. Damit könnte das Rätsel um das rote Auto für immer ungelöst bleiben.

Wir haben schnell gemerkt: Der Occasionshandel tickt anders als andere Branchen. Während jede Banane über Herkunft, Sorte und Anbaumethoden Auskunft geben muss und jeder Plastikteller strengen Schadstoffvorschriften unterliegt, verschwinden in der Schweiz und der EU jedes Jahr über 3,5 Millionen Gebrauchtwagen. Einfach so.

Weil sie keiner von uns vermisst.

Viele werden illegal exportiert. Illegal deshalb, weil sie Abfall sind, Abfall auf vier Rädern. Eigentlich müssten solche verkehrsuntauglichen Autos in Europa verschrottet werden, denn sie unterliegen dem Umweltschutzgesetz und der Abfallverordnung. Stattdessen rollen unzählige Occasionen am Ende ihres Lebens in Afrika herum – und sorgen dort für Umweltprobleme und Verkehrstote.

So wie der rote Toyota in Jimeta. Seine Reise beginnt zehn Monate zuvor – auf einem Kiesplatz in der Agglomeration von Zürich.


Das rostige Traumauto

Über Monate hatten wir versucht, an einen geeigneten alten Occasionswagen zu kommen. Vergeblich. Erst im April 2023 gelingt es. Unser Traumauto steht auf einem Hinterhof unweit der Autobahn: ein roter Toyota Starlet, Baujahr 1996, Kilometerstand: 230 000. Der Lack ist von der Sonne verblichen. Da ein Kratzer, dort eine kleine Beule. Und Rost, vermutlich überall.

Dieses Auto, das hier im Niemandsland zwischen Asylzentrum und Landi-Filiale steht, soll uns also aufzeigen, wozu weder das zuständige Bundesamt noch die wortkargen Autohändler in der Lage waren, nämlich: Wie landen unsere Schweizer Schrottwagen in fernen Ländern?

Unser Plan: das Auto kaufen. Einen GPS-Tracker darin verstecken. Das Auto wieder verkaufen – und auf Google Maps verfolgen, wohin die Reise geht.

An diesem Vorhaben sind wir fast verzweifelt. Wir scheiterten an Kaufversuchen im Internet, an gebrochenen Versprechungen von Verkäufern oder an professionellen Händlern, die immer schneller waren als wir.

Wir haben sogar den alten Suzuki eines Freundes mit einem Sender ausgestattet. Auf dem St. Galler Strassenverkehrsamt hat man ihm gesagt, die Rostlaube schaffe die Fahrzeugprüfung auf keinen Fall, sie sei höchstens noch einen Kebab wert. Also verkauften wir das Auto über Ricardo. Für 510 Franken – 42 Kebabs. Doch der Wagen landete nicht im Export, sondern im Kanton Jura. Vermutlich war das dortige Strassenverkehrsamt gnädiger, und der Käufer konnte den Suzuki nochmals einlösen.

Wir wollten nicht aufgeben. Denn mittlerweile hatten wir gelernt, dass andere japanische Marken beliebter waren als Suzukis, also suchten wir nach Nissans, Hondas. Und vor allem nach Toyotas.

Das Resultat dieser Suche ist der rostrote Toyota Starlet in der Agglo von Zürich. Auf die Frage, ob man ihn noch einmal einlösen könne, sagt der Händler mit dichtem Bart, breitem Lachen und einer fernöstlich klingenden Züritüütsch-Variante: «Kein Problem. Man muss ihn nur ein bisschen polieren.»

Für 700 Franken in bar (58 Kebabs) wechselt der Wagen den Besitzer. «Ich habe nicht erwartet, dass ich dieses Auto in der Schweiz verkaufen würde», sagt der Händler, als er den Schlüssel übergibt. «Normalerweise gehen die in den Export, meist nach Westafrika – da sind Toyotas beliebt.»

Sehr gut. Endlich haben wir einen Köder, dem mit grosser Wahrscheinlichkeit eine lange Reise bevorsteht.

Erst beim Losfahren wird klar, in welch schlechtem Zustand der 27-jährige Toyota wirklich ist. Die Bremsen quietschen, die Sitzpolster sind verblichen, an mehreren Stellen sogar gerissen. Und auf der Fahrerseite fehlt das Gurtschloss. Sicheres Fahren ist mit diesem Wagen nicht möglich.

Das Auto muss zum Glück nur wenige Kilometer weit fahren. An den Stadtrand von Zürich. Zu einem schmutzigen Parkplatz hinter zwei übelriechenden Müllcontainern.

Hier suchen wir nach einem geeigneten Ort, um unseren Tracker zu verstecken. Das Gerät ist so gross wie eine Zigarettenschachtel. Es ist mit einer SIM-Karte ausgestattet und sendet den Standort via Mobilfunknetz direkt auf unsere Bildschirme. Mehrmals pro Tag. Der Akku hält etwa ein Jahr. Wir schrauben das Gehäuse der Kupplung auf und zurren den Tracker mit zwei Kabelbindern fest.

Doch wir wollen uns nicht nur auf einen Tracker verlassen. Also bauen wir in der Verschalung des Kofferraums noch einen Airtag ein, einen Tracker von Apple. Er ist so gross wie ein Zweifränkler und sendet seinen Standort nicht direkt über das Mobilfunknetz, sondern über jedes iPhone, das sich in der Nähe befindet.

Dass dieser Airtag uns retten wird, wissen wir jetzt noch nicht.


Das grosse Misstrauen

Wir schreiben den sonnenverblichenen Toyota im Internet aus. Diesmal aber auf einer speziellen Plattform, speziell für Autoexporteure. Wir warten. Und warten. Sonderlich beliebt scheint unser Starlet nicht zu sein. Nur einmal steckt eine Visitenkarte am Fenster unseres parkierten Wagens. Von einem Occasionshändler.

Bis sich jemand meldet, versuchen wir, mehr über den Gebrauchtwagenmarkt zu erfahren. Doch die Branche ist verschwiegen. Die Händler haben oft Wurzeln im Nahen Osten oder auf dem Balkan. Ihre Kumpelhaftigkeit weicht Misstrauen, sobald wir uns als Journalisten zu erkennen geben.

Einmal finden wir einen gesprächsbereiten Autoverkäufer, in Biel. Doch vor Ort ist der Mann abweisend. Er müsse los, sagt er gleich nach der Begrüssung. Ein Kunde warte, er sei den ganzen Tag weg.

Wir rufen einige der grösseren Autoexporteure an. Aber auch hier ist die Ablehnung gross. Entweder legt man bereits vor der ersten Frage auf. Oder es heisst, mit Afrikaexporten habe man nichts zu tun («ein Drecksgeschäft») – obwohl auf der Website damit geworben wird.

Irgendwann will doch einer reden. Einer, der die Branche kennt wie wenige andere. Seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen. Er sagt: «Ich bin seit vierzig Jahren in diesem Business. Was da abgeht, ich sage Ihnen . . . Das können Sie sich gar nicht vorstellen.» Alles laufe über Beziehungen, vor allem in die Länder, aus denen die Händler stammten.

Das grosse Geld stecke aber nicht dahinter, sagt der Insider. «Diese Autos sind absolute Schrottis. Dreht man den Schlüssel im Zündschloss um, leuchten sämtliche Kontrolllampen auf.»

Um an genügend Gebrauchtwagen heranzukommen, sind die Händler auf sogenannte Scouts angewiesen. «Sie patrouillieren in der ganzen Schweiz, gehen von Garage zu Garage oder fahren durch Wohngebiete, immer auf der Suche nach gut verkaufbaren Autos, die ohne Nummernschilder herumstehen.»

Wird ein Scout fündig, kontaktiert er den Händler. Dieser entscheidet, was er offerieren darf. Der Scout selbst bekommt eine Erfolgsprovision. Pro Auto sind es laut Insider etwa 300 Franken, für ein Grossfahrzeug wie einen Bagger oder einen Lastwagen 800 Franken.

Am Ende bringt ein Transporter die Occasionen zum Händler – auf einen der zahlreichen Autokiesplätze der Schweiz, wo das Unkraut aus dem Boden schiesst und das Elend auf rostigen Rädern herumsteht. «Buchhaltung ist hier Ansichtssache», sagt der Insider. Einige Deals würden offiziell abgerechnet, andere nicht.

Was er damit meint: Die Occasionsbranche ist anfällig für Geldwäsche. Das bestätigen auch Strafermittler. Stark beschädigte Gebrauchtwagen können schon einmal für 8000 Franken abgerechnet werden – obwohl sie nicht einmal in gutem Zustand diesen Wert hätten. Damit gelangt dreckiges Geld aus dem Drogenhandel in den regulierten Finanzkreislauf.

«Im Auto-Business gilt nur ein Gesetz: Wer etwas will, bekommt es. Egal, was», sagt der Insider. Ein Spruch, an den wir noch mehrmals denken müssen.

Wildwest im Occasionshandel.


Die böse Vorahnung

Eine Whatsapp-Nachricht bringt auch uns etwas näher an diese Welt heran. Ein Exporteur meldet sich. Er hat Interesse am roten Toyota. Aber nur kurz. «Was, bloss drei Türen?», schreibt er. «Zu unbeliebt.» Er springt ab. Ein zweiter Händler ist da etwas lockerer. Beim Preis aber bleibt er hart. Mehr als 100 Franken sei die Kiste nicht wert. 8 Kebabs? Einverstanden.

An einem warmen Junimorgen 2023 fährt ein Kleintransporter mit Luzerner Kennzeichen auf den übelriechenden Starlet-Parkplatz. Der Händler, der aus dem Nahen Osten stammt, steigt aus. Er schaut sich den Wagen an und ist erstaunt: «So ein altes Auto habe ich schon lange nicht mehr gekauft», sagt er. Der Mann überreicht eine Hunderternote und fährt den Starlet auf die Ladefläche seines Transporters.

Was mit dem Toyota nun passieren wird? «Der reist nach Afrika», sagt der Händler. Er selbst sei dort Autoimporteur gewesen, in Togo, als junger Mann. «Das war ein Abenteuer, und man konnte gutes Geld verdienen», erklärt er, während er den Wagen auf der Ladefläche befestigt. Dann fährt er davon.

Bye-bye, Starlet.

Zurück im Büro, starren wir auf den Bildschirm. Wir sehen einen blauen Punkt auf einer Schweizer Karte: unser Toyota. Er bewegt sich gerade in Richtung Innerschweiz. Dort bleibt er stehen, auf dem Parkplatz eines Autohändlers, mit Aussicht auf die Autobahn.

Mehrere Wochen vergehen, ohne dass etwas passiert. Doch dann meldet sich der Tracker plötzlich aus einer anderen Ecke der Schweiz, einem kleinen Ort im Kanton Thurgau. Unser Starlet steht gerade in einer Werkstatt, die Autos verschrottet. Wir ahnen nichts Gutes.

Wird das Bauerndorf zu seiner Grabstätte?

Die böse Vorahnung scheint sich zu bestätigen: Am 31. Juli 2023 senden unsere beiden Tracker das letzte Signal aus dem Thurgauer Ort. Dann herrscht Funkstille.

Wir sind ernüchtert. Aber gleichzeitig auch etwas erleichtert: Offenbar gibt es noch Leute, die vernünftig sind. Und Schrottis wie den blassroten Toyota gesetzeskonform entsorgen.

Damit gehört unser Starlet anscheinend nicht zu den 130 000 Gebrauchtwagen, die gemäss Zollstatistik jedes Jahr die Schweiz verlassen. Ebenso wenig ist er einer von über einer Million Occasionen, die die EU offiziell jährlich exportiert. Unser Auto ist offenbar auch nicht eines jener zahlreichen Fahrzeuge, die jährlich einfach verschwinden.

Eine gute Nachricht. Eine verrostete Dreckschleuder ohne Sicherheitsgurt weniger, die in Afrika herumfährt.

Gemäss einer umfassenden Uno-Studie verkommt der Kontinent nämlich zu einer Deponie für Gebrauchtwagen aus Industriestaaten. Von rund 23 Millionen Occasionspersonenwagen, die zwischen 2015 und 2020 aus den USA, den EU-Staaten, Japan und Südkorea ins Ausland exportiert wurden, landete rund die Hälfte in Afrika.

Die günstigen Fahrzeuge haben aber nicht nur schlechte Seiten. In vielen Ländern des Kontinents machen sie einen Autokauf für viele überhaupt erschwinglich. Und sie decken ein Mobilitätsbedürfnis ab, das sich sonst nicht befriedigen liesse. Doch viele dieser Gebrauchtwagen sind in einem ähnlich schlechten Zustand wie unser Starlet – mit fatalen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit vor Ort.


Die unerwartete Auferstehung

Seit der Enttäuschung mit den toten Trackern sind einige Wochen vergangen. Unser Starlet bleibt verschwunden. Wir sind sicher, dass wir ein neues Auto suchen müssen. Schon wieder.

Ende September 2023 bestellen wir einen neuen Tracker und einen neuen Airtag. Doch als wir unser iPhone zur Hand nehmen, um den Apple-Sender zu installieren, erleben wir eine Überraschung: Auf der Karten-App erscheint ein blauer Punkt mit der Beschriftung «Starlet».

Starlet lebt?

Starlet lebt!

Wir zoomen heran und sehen: Unser Toyota ist in Afrika.

Zoom.

In Nigeria.

Zoom.

Auf der Hauptstrasse vom Atlantik her, unterwegs von Lagos in Richtung Norden.

Wir lachen ungläubig und versuchen, den professionellen Tracker zu reaktivieren. Doch der bleibt tot. Ein Glück, haben wir damals den Airtag im Kofferraum verbaut.

Wir sehen, wie sich der blaue Punkt in den kommenden Tagen weiter Richtung Nordosten bewegt – und schliesslich an einem Ort namens Jimeta zur Ruhe kommt. Eine nigerianische Kleinstadt mit rund 200 000 Einwohnern, umgeben von Acker- und Weideflächen. Und von Boko Haram, der islamistischen Terrormiliz.

Im Jahr 2015 verübte Boko Haram auf einem Markt in der Stadt einen Bombenanschlag. Seither hat sich die Sicherheitslage zwar verbessert, aber noch immer kommt es gelegentlich zu Attentaten. Und jüngst kämpfte die Region mit einer Hungerkrise.

Wer aber ist der neue Besitzer unseres Starlets, und wozu wird er den Wagen brauchen?

Auf Satellitenbildern gehen wir den Standorten nach, die der Airtag uns sendet: eine islamische Buchhandlung, ein Geschäft für Haarverlängerungen, eine Apotheke mit dem Namen «God’s Favor Medicine Store».

Wir tauchen ein in eine Stadt, deren Farbton Rot ist. Rot vom Wüstensand. Auf Google Street View schauen wir den grossen Markt an, auf dem der Toyota immer wieder anzutreffen ist. Wir sehen die schmalen, löchrigen Nebenstrassen, durch die er offenbar gefahren ist. Mehr erfahren wir aber nicht.

Wir brauchen Hilfe vor Ort – und suchen nach einem Journalisten aus Jimeta. Wir stossen auf Yakubu Dakléshelleng Musa. Unser Auftrag für ihn ist simpel: Finde das Auto.

Yakubu spaziert von nun an regelmässig durch den grossen Markt und die Strässchen, auf der Suche nach unserem Toyota. Doch Wochen verstreichen, ohne dass der Journalist das Auto sichtet. Yakubu sagt am Telefon, wir müssten Geduld haben; das sei wie die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Wie ist das möglich?, fragen wir uns. Kann es wirklich so schwer sein, einen roten, kleinen 1990er Starlet zu finden?

Kann es, wie wir später selbst merken werden.

In der Zwischenzeit versuchen wir herauszufinden, wie zum Teufel unser Schrotti in Nigeria landen konnte. Wir gehen den letzten Spuren nach, die der Toyota in der Schweiz hinterlassen hat.

Als Erstes rufen wir dort an, wo der Starlet nach unserem Verkauf gelandet ist: beim Autohändler in der Innerschweiz mit dem Parkplatz an der Autobahn.

Das Telefon klingelt. «Ja?» – «Wir haben ein Auto verkauft, das bei Ihnen gelandet ist und dann nach Afrika exportiert wurde. Was ist damit passiert?» – «Afrikaexport? Mache ich nicht mehr, suchen Sie einen anderen Händler.» – «Aber es steht doch so auf der Website?» – Aufgelegt.

Also bleibt nur noch eine Station: das thurgauische Bauerndorf, von wo der Starlet seinen letzten Schweizer Standort geschickt hat.

Eine Landstrasse führt zwischen grünen Wiesen und Apfelbäumen ins Dorf. Von irgendwoher bimmeln Kuhglocken. Idyllischer kann ländliche Idylle nicht sein.

Wo aber ist dieser Autoverwerter, wo sind seine alten Boliden?

Das Navi sagt: Ziel erreicht. Doch zu sehen sind nur verwinkelte 30er-Zone-Strässchen und Gartenzwerge. Am Rand einer kleinen Zufahrt aber stehen ein paar alte Autos, die meisten in erbärmlichem Zustand. Man sieht ihnen an, dass sie am Ende ihres Lebens angekommen sind.

Das hier scheint tatsächlich mehr Verwertung als Export zu sein.

Weiter hinten befindet sich eine Scheune mit gestapelten Autowracks. Am Boden liegen Glassplitter und abgesprengte Farbreste. Ein Arbeiter schleift gerade an einem Stück Metall herum. Es sprühen Funken, es riecht nach Lack. An der Eingangstür stehen arabische Schriftzeichen, mit Kreide hingeschrieben. Aus einem Lautsprecher dröhnt fernöstliche Musik.

Hätte ein Bauer nicht gerade ein «Grüezi» von der Fahrerkabine seines Traktors gerufen, man wähnte sich im Nahen Osten.

Im hinteren Teil der Scheune befindet sich ein Büro, das mit Glaswänden abgeschirmt ist. Im Halbdunkel ist ein Mann in seinen Sechzigern zu erkennen, mit Glatze und buschigem Schnauz. Er sitzt an einem Schreibtisch und versucht gerade, die Verpackung einer Druckerpatrone zu öffnen. Zwischen dem Zeigefinger und dem Mittelfinger seiner rechten Hand klemmt eine angezündete Zigarette.

Frage: Was ist aus dem roten Toyota Starlet geworden, der sich zuletzt von hier gemeldet hat und nun in Nigeria herumfährt?

Beginn eines zähen Gesprächs.

«Toyota? Starlet? Kann mich nicht erinnern. Wann?»

«Im Juli 2023.»

«Im Juuuli?»

Der Mann zieht an seiner Zigarette und bläst den Rauch wieder aus.

«Ist lange her. Ich habe viele Autos hier. Und Toyotas sind beliebt für Export.»

«Machen Sie denn keinen Export? Das steht doch auf der Website.»

«Nein, nein. Ich mache Autoverwertung, bei mir sind nur Fahrzeuge, die 100 bis 200 Franken wert sind.»

Er legt die eingepackte Tintenpatrone auf den Tisch und klopft die Asche von der Zigarette. Das zähe Gespräch findet ein zähes Ende.

Viel hat es nicht gebracht. Sicher ist nur, dass der kleine Starlet hier vorbeigekommen war, bevor er in Afrika gelandet ist. Dass er von diesem Ostschweizer Bauerndorf aus losreiste, um auf den chaotischen Strassen Nigerias zu landen. Von blühenden, saftigen Wiesen in den Saharastaub Jimetas.

Aber wie?

Die typische Route nach Afrika führt über einen der grossen Häfen Europas. Konvois mit mehreren Transportern fahren die Occasionen von den Kiesplätzen dieses Landes in Richtung Meer. Auf riesigen Docks laden sie die Autos ab. Dort stehen die Gebrauchtwagen dann herum, bis einige hundert von ihnen zusammenkommen. Vorher lohnt es sich nicht, sie zu verschiffen.

Wie gross diese Docks sind, zeigt ein Augenschein am Euroterminal von Antwerpen – dem grössten Hafen Europas für den sogenannten Fahrzeugumschlag.

Der Weg dorthin führt über gigantische Autobahnen, von denen aus die Wirtschaft Europas beliefert wird. Und von wo aus jene Produkte exportiert werden, die auf diesem Kontinent ausgedient haben: die Gebrauchtwagen.

An den Docks sind durch einen Maschendrahtzaun zahlreiche Rotkreuz-Autos älteren Jahrgangs zu sehen. Alles Toyotas. Landcruiser, Hi-Ace, Hilux. Grosse, geländegängige Fahrzeuge, gemacht für die Schotterpisten Afrikas.

Immer wieder kommen Transporter an, beladen mit jeweils sechs Autos. Mit dabei: viele alte Gebrauchtwagen.

Das Terminal ist gut abgesichert. Überall Zäune, in der Mitte ein Sicherheits-Checkpoint. Frage an die Sicherheitsfrau: Ob man sich das Deck einmal anschauen könne? Die empörte Antwort: «No, of course not?!»

Es bleibt nur der Blick durch den Zaun. Aus der Ferne ist ein Transportschiff von Grimaldi Lines zu sehen. Es wird gerade beladen. Die Reederei gehört zu den grossen Akteuren von Roro-Verschiffung. Roro steht für Roll-on, Roll-off. Hier werden die Occasionen direkt auf die Schiffe gefahren, ohne dass man sie in Container verpacken muss. Diese Frachter sind schwimmende Parkhäuser.

Wie oft fahren diese Schiffe gebrauchte Autos nach Afrika? Und wie funktioniert dieser Export genau? Eine Anfrage dazu lässt Grimaldi Lines unbeantwortet. Dasselbe gilt für das Euroterminal in Antwerpen.

Eine Internetrecherche jedoch zeigt, dass Grimaldi Lines einmal pro Woche von Antwerpen aus die Westküste Afrikas anfährt – unter anderem mit Halt in Lagos, der grössten Stadt Nigerias. Falls unser Toyota tatsächlich hier auf ein Roro-Schiff verladen wurde, hätte er zwölf Tage auf See verbracht, bevor er im westafrikanischen Land von Bord gerollt wäre.


Die rätselhafte Aggression

Es ist November 2023, und wir erhalten endlich gute Nachrichten aus Nigeria. Der Journalist Yakubu schreibt via Whatsapp: «Ich habe den Wagen gefunden. Am Samstag bin ich erneut auf dem Markt gewesen, und da stand ich plötzlich vor dem Auto.»

Yakubu schickt wenige Bilder. Der Wagen stehe an einem heiklen Ort, erklärt er, fotografieren sei dort schwierig.

Auf den Fotos sehen wir einen roten Toyota Starlet. Er steht am Rand einer staubigen Strasse. Im Kofferraum liegt ein grosser, weisser Sack, der Deckel ist mit einem Seil fixiert. Das Modell scheint zu passen, es ist ein 1990er Starlet und sieht aus wie unser Auto aus Zürich.

Aber ist es wirklich dasselbe Fahrzeug? Wir schauen genauer hin. Da ist der gleiche gelbe Aufkleber am Armaturenbrett mit der Aufschrift «160 km/h». Da ist dieselbe Musterung auf der Türschutzleiste. Und derselbe Kratzer an der Vordertür. Von Yakubu erfahren wir, dass am Fenster hinten links ein grüner, runder Abgastest-Sticker klebt – wie bei unserem Starlet. «Das sieht man hier sonst nicht», schreibt er.

Gewissheit gibt uns schliesslich die Ortung. Yakubu hat den Wagen dort gefunden, von wo der Airtag schon mehrfach einen Standort geschickt hat. Wir kommen zu dem Schluss: Das ist unser Toyota!

Yakubu erzählt uns, wie er ins Küchenwarengeschäft ging, vor dem unser Starlet stand. Er gab sich als Kunde aus. Der Ladenbesitzer und der Starlet-Fahrer, ein etwas älterer Mann, plauderten gerade miteinander.

Der junge Journalist brachte sich ins Gespräch ein und wechselte ein paar Worte mit ihnen. «Smalltalk, nichts Verfängliches.» Einige Tage später kehrte er zurück. Diesmal war der Starlet nicht da.

Yakubu fragte den Ladenbesitzer nach dem Wagen. «Der Mann wurde plötzlich laut», erklärt er. «Seine Reaktion war merkwürdig aggressiv.» Der Ladenbesitzer habe bestritten, das Auto zu kennen. «Es schien, als hätte er etwas zu verbergen.»

Wir fragen uns: Wer sitzt hinter dem Steuer des kleinen, roten Wagens? Wie kam der Fahrer zu diesem Wagen? Wie viel hat er bezahlt – und wer hat daran verdient?


Der seltene Einblick

Es sind komplexe Fragen, die wir vom Schreibtisch aus nicht beantworten können. Wir merken: Um herauszufinden, wie der Handel mit unseren alten Autos in Afrika tatsächlich funktioniert, braucht es einen persönlichen Augenschein vor Ort – eine Reise nach Nigeria. Sie beginnt in Lagos, dieser 20-Millionen-Megacity an der Atlantikküste. Hier blüht der Gebrauchtwagenmarkt wie sonst nirgends in diesem Land.

Es ist Februar 2024, und die Dimensionen dieses Geschäfts sind bereits bei einer Autofahrt durch die Strassen von Lagos ersichtlich. Durchs Fenster blickt man in die Vergangenheit. Rundherum stehen Fahrzeuge dicht an dicht, Fahrzeuge, die man bei uns seit zehn Jahren nicht mehr auf der Strasse sieht. Es sind so viele, dass der Verkehr hier regelmässig zusammenbricht.

«Go slow» nennen das die Nigerianer. Vier Stunden verbringen sie laut Weltbank pro Tag im Stau – mehr als in jeder anderen Stadt der Welt. Und jeden Tag kommen neue Altwagen dazu. Sie sind überall, stehen auf Plätzen, unter Brücken, an Bahngleisen. Deutsche Marken, asiatische Marken, alle ohne Nummernschild, alle verkaufsbereit.

Es ist kein Zufall, dass unser Toyota in Nigeria gelandet ist. Das Land mit seinen rund 230 Millionen Einwohnern gilt seit langem als eine Art Palliativstation der globalen Autoindustrie. Über ein weitverzweigtes Netz von Zwischenhändlern gelangen die Fahrzeuge hierher.

Laut offizieller Statistik kommen jährlich rund 200 000 Gebrauchtwagen an, die meisten aus den USA und der EU. Gemäss Schätzungen, die den regen Autoschmuggel mit den Nachbarländern Benin und Togo einberechnen, sind es mindestens doppelt so viele.

Zwar dürfen importierte Autos nach nigerianischem Recht höchstens fünfzehn Jahre alt sein. Doch laut einer Uno-Studie überschreiten mehr als die Hälfte der importierten Autos diese Alterslimite. Auch unser mittlerweile 28-jähriger Starlet ist also illegal nach Nigeria gelangt. Er ist damit nicht die Ausnahme, sondern die Norm.

Dass Recht und Realität in dieser Branche oft weit auseinanderliegen, gilt jedoch nicht nur für Afrika. Auch in Europa bleiben die Vorgaben für den Autoexport oft Theorie. Eindrücklich gezeigt hat das vor einigen Jahren eine unangekündigte Inspektion der niederländischen Behörden am Hafen von Amsterdam.

Achtzig Prozent der Occasionsautos, die dort wenig später auf ein Schiff hätten verladen werden sollen, erfüllten die lokalen Auflagen nicht. Und jedes zehnte Auto, das inspiziert wurde, war in den Niederlanden als verschrottet gemeldet worden.

Ein seltener Lichtblick in einer Branche, die im Dunkeln operiert.

Trotzdem bleiben engmaschige Kontrollen die Ausnahme – in der Schweiz genauso wie im Rest Europas. Für die Behörden hat das Thema keine Priorität.

Und das aus drei Gründen: Europa wird seine alten Autos los. Die Händler verdienen damit Geld. Und die korrupten nigerianischen Behörden profitieren davon, wenn sie das Gesetz nicht durchsetzen.

Leslie Adogame beschäftigt sich schon lange mit den Schäden, die unsere Schrottis in seinem Land anrichten. Der Umweltwissenschafter sagt in seinem Büro in Lagos: «Das sind Autos, die in Europa und den USA als nicht mehr fahrtüchtig gelten. Natürlich hat es Konsequenzen, wenn sie hier noch Jahre weiterverwendet werden.»

Zahlen der Weltgesundheitsorganisation bestätigen dies: Nirgends sterben gemessen an der Bevölkerungsgrösse mehr Menschen bei Verkehrsunfällen als in Afrika. In Nigeria sind es pro Jahr über 41 000 – und damit mehr Menschen, als die Stadt Schaffhausen Einwohner hat.

Ebenso gravierend sind die Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima. Adogame sagt: «Die exportierenden Staaten drängen zu Hause auf sauberere Fahrzeuge. Aber sie interessieren sich nicht dafür, was mit ihren dreckigen Altwagen geschieht.» Fürs Klima ist es jedoch einerlei, ob die Abgase in Afrika oder in Europa ausgestossen werden.


Die meterhohen Autogedärme

Die Recherche vor Ort zeigt, dass die alten Occasionen hier sogar noch schmutziger und umweltschädlicher sind, als sie es bei uns jemals waren, denn: Vielen fehlt der Katalysator, also jener Filter, der die Abgase reinigt.

Er enthält wertvolle Edelmetalle. Platin etwa, Palladium oder Rhodium.

Darum machen sich in Nigeria manche Mechaniker und Importeure am Unterboden der Occasionen zu schaffen. Sie schneiden die Filter weg und setzen stattdessen ein normales Rohr ein. Das ist hier zwar nicht verboten. Es trägt jedoch dazu bei, dass manche nigerianische Städte zu den am meisten verschmutzten der Welt gehören. Die Folge laut Weltbank: über 11 000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr.

Wie gross das Problem ist, sieht man auf dem Lapido-Markt in Lagos – einem Ort, den man als Ausländer besser nicht ohne Begleitung besucht. Die kriminellen Gangs der Gegend sind berüchtigt, das Treiben der Händler überwältigend. An jeder Ecke läuft man an aufgetürmten Abgasrohren vorbei, mannshoch. Die Haufen sehen aus wie Autogedärme.

Adogame führt durch ein kleines Gässchen. Der Boden ist mit Motorenöl überzogen, links und rechts stapeln sich Autofelgen und gebrauchte Reifen. Daneben stehen die Katalysatorenhändler.

Einer von ihnen kommt näher, ein kleingewachsener Mann mit Hemd und heiserer Stimme. Adogame weiss, dass man sich hier besser nicht als Journalist zu erkennen gibt. Deshalb tritt er als Investor mit Begleitung auf. Der Händler ist ziemlich redselig. Er kaufe die Katalysatoren meist den Autoimporteuren oder den Händlern ab, seltener den Besitzern selbst.

Und dann?

«Die meisten klopfen wir aus», sagt er, «gleich da hinten.» Der Mann führt zu einer Weggabelung. Dort hämmert gerade einer auf die Öffnung eines Katalysators. Ein, zwei, drei, vier Mal. Aus dem Innern der Verschalung fällt eine gräuliche, wabenähnliche Masse. Die Edelmetalle Platin, Palladium und Rhodium. Der Wert: 120 bis 300 Franken pro Katalysator – je nach Gewicht und Qualität.

Wurde auch unser Starlet manipuliert und zur noch grösseren Dreckschleuder gemacht?


Das bittere Wiedersehen

Reise nach Jimeta. Eine alte, halbleere Airbus-Maschine steuert auf die Kleinstadt im Nordosten Nigerias zu. Der Wüstenstaub liegt wie eine zähe Wolke über der Gegend, die karge Landschaft ist erst kurz vor der Landung erkennbar: weite Steppen, unterbrochen von vereinzelten Dörfern, am Horizont eine sanfte Hügelkette.

Auf der Fahrt vom kleinen Flughafen ins Hotel ist eine Stadt zu sehen, die eigentlich ein grosses Dorf ist. Unzählige kleine, einstöckige Backsteingebäude stehen neben einigen Geschäftshäusern. Viele Strassen sind ungeteert, Hühner und Ziegen ziehen durch die Quartiere.

Am nächsten Tag findet das Treffen mit Yakubu statt, einem schlanken Mann mit jugendlichem Gesicht, breitem Lachen und exzellentem Englisch. Der 25-Jährige studiert an einer lokalen Universität Journalismus, seinen Lebensunterhalt verdient er, indem er Drehbücher schreibt für Nollywood, die nigerianische Filmindustrie. Sein Vorbild? «Shakespeare», sagt Yakubu, ohne zu zögern, «ich habe alles von ihm gelesen.»

Er zeigt den grossen Markt in Jimeta. Auf der Fahrt fällt auf: In dieser Stadt wimmelt es von Toyota Starlets. Allein am ersten Tag sind Dutzende zu sehen, vor allem unser Neunziger-Jahre-Modell ist beliebt.

Ja, es ist wirklich so schwer, hier unser Auto zu finden.

Auf dem Markt, der ungefähr so gross ist wie 25 Fussballfelder, bieten Verkäuferinnen und Händler Flipflops, Sonnenschirme oder grillierte Maiskolben an. «Es gibt nichts, was du hier nicht findest», sagt Yakubu, während er an den Ständen vorbeischlendert.

Am östlichen Rand des Marktes, in einer ruhigen Strasse, bleibt er stehen. «Dort», sagt er und zeigt in einiger Entfernung einen Laden. «Von dort kamen die meisten Tracker-Signale, und dort habe ich das Auto gefunden.»

Sicher zehn Mal sei er hierhergekommen, erzählt Yakubu. Nervenaufreibend sei das gewesen – und nicht ohne Risiko. Er zeigt auf die andere Strassenseite: «Gleich gegenüber sind die Geschäfte der Devisenhändler. Sie bieten Wechselgeld zum Schwarzmarktkurs an. Manche sagen, sie seien auch in andere Geschäfte verwickelt.»

Der Versuch, mit dem Ladenbesitzer ins Gespräch zu kommen, scheitert. Nun wird klar, was Yakubu meinte. Die hektische Gestik des Mannes, seine nervösen, kurzen Antworten, seine Behauptung, weder Yakubu noch den roten Starlet je zuvor gesehen zu haben: All das wirkt abweisend, ja bedrohlich. Es ist klar: Von hier sollte man wirklich schnell verschwinden.

Die anschliessende Suche nach dem Toyota im Gewühl der Marktfahrer bleibt ergebnislos. Auch auf dem grossen Parkplatz beim Eingang ist das Auto nicht zu finden.

Doch bei der Rückkehr in die Geldwechslerstrasse zwei Stunden später: Treffer! Der Starlet aus der Schweiz steht vor dem Küchengeschäft. Yakubu ist sich sicher, er kennt das Nummernschild.

Der Puls steigt. Der erste Reflex: Nichts wie hin, es sind nur zwanzig Meter zum Wagen. Doch Yakubu interveniert: «Das ist zu gefährlich!» Offensichtlich wolle hier niemand Fragen beantworten. «Hier willst du dir keine Feinde machen.»

Die Geldhändler könnten schnell eine Schlägertruppe aufbieten, wenn sie sich bedrängt fühlten. Einige von ihnen stünden über dem Gesetz und handelten entsprechend.

Das klingt nicht gut, also Rückzug. Ein paar heimlich gemachte verwackelte Bilder sind alles, was uns von unserem Starlet bleibt.

Die Enttäuschung ist gross. Erst die weite Reise von 4000 Kilometern, und nun trennen uns nur wenige Meter von unserem Starlet. Aber es passt zu dieser Branche, in der so vieles vage, obskur und rätselhaft bleibt.

Es folgt der Abschied von Yakubu. Er bleibe an der Sache dran, sagt er. Und er werde sich melden, wenn er mehr herausfinde.

Vor der Heimreise gibt es noch eine weitere ungeklärte Frage: Wie viel hat unser 100-Franken-Wagen hier ungefähr gekostet? Einer, der die Antwort kennt, ist Gambo Musa. Er empfängt in einem düsteren Büro unweit des Marktes von Jimeta. Musa arbeitet für den lokalen Zweig der Fahrergewerkschaft, einer einflussreichen Institution in Nigeria. Er sagt: «Deutlich mehr als noch vor einigen Jahren.» Umgerechnet 1700 Franken – 141 Kebabs.

Jetzt wird klar, weshalb es ein gutes Geschäft war, unseren Toyota aus Zürich von den Kiesplätzen in der Schweiz an einen Hafen zu bringen, ihn nach Lagos zu verfrachten und von dort 1300 Kilometer ins Landesinnere zu fahren.

Alte Starlets seien nach wie vor sehr beliebt, sagt Musa. «Sie sind immer noch günstiger als die meisten anderen Autos. Und vor allem brauchen sie wenig Benzin.» Für viele hier ist das genau das Richtige.


Die fatale Gleichgültigkeit

Die Rückreise in die Schweiz ist von einem seltsamen Gefühl begleitet. Es ist eine Reise aus einem Land, das unter unseren Schrotthaufen leidet. Und eine Reise zurück in ein Land, dem das offenbar egal ist.

Das bestätigt eine Anfrage beim Schweizer Bundesamt für Umwelt.

Sind sie sich des Problems bewusst? Die lapidare Antwort: Die geltenden Exportkriterien würden bei Kontrollen «konsequent angewendet». – Aber was ist mit den Zehntausenden Occasionen, die jährlich verschwinden? – «Es dürfte sich zum grossen Teil um abgemeldete Fahrzeuge handeln, die bei Garagen, Occasionshändlern und Schrottplätzen stehen. Insofern ergeben sich daraus keine umwelt- und klimapolitischen Implikationen.»

Etwas weiter ist die Europäische Union. In Brüssel arbeitet man zurzeit an einem Gesetz, das den Gebrauchtwagenhandel stark verändern könnte. Sollten die Vorschläge der Kommission angenommen werden, dürften aus den Mitgliedstaaten künftig keine Autos mehr exportiert werden, die den europäischen Mindestnormen nicht entsprechen.

Doch bis das Realität wird, dürfte es noch Jahre dauern. Und ob das neue Gesetz tatsächlich angewendet werden würde, ist nach unserer Recherche ebenso unklar.

Bis dahin werden jährlich weitere Schrottis das Land verlassen und nach Afrika reisen. So wie unser Starlet.

Wir melden uns ein letztes Mal bei Yakubu.

«Was ist passiert seit unserem Besuch in Jimeta?»

Yakubu: «Ich habe einen Freund eingespannt. Er hätte dem Besitzer des Küchenladens etwas näherkommen sollen. Aber es sieht so aus, als wolle der Mann lieber alleine bleiben. Sorry.»

Auch unser Airtag hat mittlerweile den Geist aufgegeben. Was wirklich mit unserem Toyota Starlet passiert ist und welches Schicksal ihm blüht, wird eines der vielen Geheimnisse dieser Branche bleiben.

Recherchiert und umgesetzt mit Unterstützung von Journafonds.
Mitarbeit Video-Nachbearbeitung: Florentin Erb.

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