Montag, Oktober 7

In der Premier League wird bereits die Hälfte der Klubs von US-Geldgebern kontrolliert. Diese haben manchmal so eigenartige Ideen, dass sie beim Publikum Spott ernten.

Die Geschäftsinteressen von Briten und Amerikanern ziehen sich im Milliarden-Business Fussball an – und stossen sich zugleich ab. Dieses Spannungsfeld zeigt sich in Englands Premier League. Kürzlich gab der FC Everton bekannt, dass auch sein britisch-iranischer Besitzer Farhad Moshiri, dem 94 Prozent des Klubs gehören, seine Anteile an eine amerikanische Firma abtreten wird; an die in Texas sitzende Friedkin Group. Hinter jenem Konzern steckt der Hollywood-Filmproduzent Dan Friedkin, der die Geschäfte von seinem Vater übernommen hat. Dieser hatte das Milliardenvermögen durch die Distribution von Toyota-Autos aufgebaut.

Die Transaktion steht nur noch unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch mehrere Kontrollorgane: die Premier League, Englands Football Association und die britische Finanzmarktaufsichtsbehörde. Sollte der Deal ratifiziert werden, wovon bis zum Jahresende auszugehen ist, würden die amerikanischen Investoren die Hälfte der englischen Erstligisten mehrheitlich kontrollieren: also 10 von 20 Klubs, unter ihnen die Spitzenteams FC Arsenal, FC Chelsea, FC Liverpool und Manchester United – zuzüglich einer Minderheitsbeteiligung bei Manchester City. Die Dominanz geht so weit, dass sich angeblich ausschliesslich Unternehmen aus den USA ernsthaft um den Kauf des FC Everton bemühten. Der Verein wirtschaftete lange Zeit über seinen Verhältnissen und ist hoch verschuldet.

Auf der Suche nach neuen Kapitalgebern hatte sich Moshiri vor einem Jahr bereits mit der (ebenfalls amerikanischen) Firma 777 Partners verabredet. Doch die Kaufvereinbarung lief im Mai aus, nachdem die Premier League dem Takeover nie zugestimmt hatte. Im Raum stand, dass die Liga von 777 Partners einforderte, Evertons Darlehen zu begleichen und die Fertigstellung der sich im Bau befindenden Arena zu gewährleisten.

Allerdings tauchten zu jener Zeit auch öffentliche Zweifel an 777 auf. Es wurde berichtet, die Firma habe ein Team aus Umstrukturierungsexperten für die Unterstützung bei operativen Herausforderungen beauftragt. Jüngst hatte sich 777 mehrere Traditionsvereine aus verschiedenen Ländern einverleibt, unter ihnen den deutschen Zweitligisten Hertha BSC.

List of Premier League Club Owners 2024 | Who owns your club

Die Jahresumsätze gehen rasant auf die Milliardengrenze zu – aber die sportliche Unberechenbarkeit wirkt hemmend

Anschaffung und Führung von namhaften Klubs sind in England inzwischen so kostspielig geworden, dass sie nur noch von vermögenden Investorenriesen gestemmt werden können. Und kaum ein Land besitzt davon so viele wie die durchkapitalisierten USA. Der Reiz für die amerikanischen Investoren besteht in dem durch die Decke gehenden weltweiten Fan-Interesse an der Premier League, sie wollen es kommerzialisieren und dann monetarisieren.

Die Vereine in der oberen Tabellenhälfte haben in den vergangenen Jahrzehnten eine enorme Wertsteigerung erfahren, ihr Jahresumsatz geht rasant auf die Milliardengrenze zu. Grund dafür sind die kontinuierlich steigenden TV-, Sponsoren-, Merchandising- und Ticket-Erlöse. Trotzdem verbuchten in der Saison 2022/23 laut dem Deloitte-Finanzreport nur vier Vereine einen Gewinn. Zum Vergleich: Nach Angaben von Forbes arbeitet zurzeit jede relevante American-Football-Franchise in den USA profitabel, dasselbe gilt in den Vereinigten Staaten für viele Organisationen im Baseball, Basketball und Fussball.

Die Diskrepanz liegt am unterschiedlichen Sportsystem. Die amerikanischen Ligen kennen keinen Auf- und Abstieg, haben dazu Regulierungselemente wie Salary Caps, Trades und Drafts. In England ist der Erfolg weitaus weniger planbar, die finanzielle Bilanz hängt immerzu stark vom sportlichen Abschneiden ab. Die Qualifikation für die Champions League, in die meist nur die ersten vier Teams in der Tabelle einziehen, gleicht in jeder Saison einem Gang durchs Nadelöhr. Denjenigen Spitzenklubs, die es nicht hindurch schaffen, fehlen Einnahmen von etlichen Millionen.

Sportliche Unberechenbarkeit ist also der grösste Gegner der nach ständigem Profit strebenden Investoren. Auch deshalb beteiligten sich alle amerikanisch geführten englischen Spitzenvereine an der letztlich gescheiterten Einführung einer europäischen Superliga. Deren Konzept hätte in weiten Teilen dem der amerikanischen Ligen entsprochen. Der versuchte Coup, der das System in Europa aus den Angeln gehoben hätte, schreckte die britische Regierung auf. Sie kündigte daraufhin eine gesetzlich verankerte Gründung einer unabhängigen Aufsichtsbehörde an, die nun kurz bevorsteht. Ein solches Kontrollgremium soll auch den Einfluss der amerikanischen Kapitalgeber auf den englischen Fussball reduzieren, indem es das Geschäftsgebaren der Klubs überwacht: die Besitzer, die Lizenzierung, die Interessen der Fans und die Tradition.

Die zunehmende Ausschlachtung der Klubs ist ebenso in anderen Punkten zu beobachten. Chelseas Mitbesitzer Todd Boehly, der auch Anteilseigner bei den in Los Angeles beheimateten Dodgers (Baseball) und den Lakers (Basketball) ist, warb nach der Übernahme der Londoner 2022 für ein All-Star-Game in Englands Fussball. Die Idee erntete Spott. Der damalige FC-Liverpool-Trainer Jürgen Klopp kommentierte etwa süffisant, er sei sich nicht sicher, ob englische Fans es tatsächlich sehen wollten, wenn beispielsweise Spieler der stark rivalisierenden Klubs Manchester United, Liverpool und Everton auf einmal im gleichen Team agierten.

Der frühere Chelsea-Profi Pat Nevin soll seinen Klub vor einer weiteren Idee gewarnt haben, der Installation einer sogenannten Kiss Cam im Stadion, die in anderen Sportarten der Unterhaltung des Publikums während Spielpausen dient. «Nein, macht keine Kiss Cam», habe er Chelsea mitgeteilt, erzählte Nevin der BBC: «Das ist eine Kleinigkeit, aber ihr könnt euch nicht vorstellen, welche Reaktion ihr bekommen würdet.»

Eine Vision war, den Fans keine Stadion-Hot-Dogs mehr zu verkaufen, sondern Versicherungen

Londons Nischenklub Fulham plant derweil die Eröffnung der neuen Haupttribüne, die mit einer Sondergenehmigung ein Stück weit in die Themse hineingebaut worden ist. Sie enthält ein Boutique-Hotel, ein Michelin-Stern-Restaurant und einen Wellnessbereich mit Aussenpool auf dem Dach. Damit entspricht sie dem Stadion des NFL-Klubs Jacksonville Jaguars, dem auch der amerikanisch-pakistanische Fulham-Eigentümer Shahid Khan vorsteht. Josh Wander, einer der Mitgründer von 777 Partners, legte einst seine Vision dar, den Leuten irgendwann keine Stadion-Hot-Dogs mehr zu verkaufen, sondern Versicherungen und andere Finanzleistungen.

Das Ziel all dieser Ideen scheint es, die Fussballfans über die Leidenschaft zu ihren Klubs zu Konsumenten zu machen. Bis jetzt kommen die Engländer kurz vor Anpfiff eines Spiels ins Stadion und gehen mit Abpfiff wieder. Das Traditionspublikum steht der Amerikanisierung des englischen Fussballs mit Skepsis gegenüber. Das spitzt sich bei den deutlich steigenden Ticketpreisen zu. Jüngst kam es bei einigen von Amerikanern kontrollierten Klubs – Liverpool, Aston Villa, Fulham – zu Protesten. Die Anhänger des FC Liverpool stellten sogar in einem wichtigen Europacup-Spiel im April den Support ein.

In einem Essay der «New York Times» mit dem Titel «Als ein Haufen verdammter Amis den englischen Fussball holte …» kritisiert Pat Nevin die kommerzielle Entwicklung: Die Ausbeutung eines Vereins sei vielleicht in den USA in Ordnung, aber einem englischen Fan gehe diese ins Mark, kritisiert er. Beide Seiten werden sich in Zukunft wohl miteinander arrangieren müssen, denn das Interesse aus den USA an englischen Klubs hält an. Dem Vernehmen nach soll sich ein amerikanisches Konsortium um den Premier-League-Absteiger Sheffield United bemühen.

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