Donnerstag, April 24

Die Zahlen verdeutlichen, wie der Sturz des syrischen Diktators Asad, der Rückzug der Uno aus Mali und das Abkommen mit Tunesien die Ankünfte beeinflussen und woher trotzdem überraschend viele Migranten kommen.

An den Aussengrenzen der EU ist der Jahresauftakt ungewöhnlich ruhig verlaufen. Von Januar bis März registrierte die Grenzschutzagentur Frontex nur rund 33 600 irreguläre Grenzübertritte – etwa ein Drittel weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dabei fällt auf: Der Rückgang betrifft alle wichtigen Routen, über die Migranten bis anhin irregulär nach Europa gelangen.

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In Deutschland macht sich der Rückgang bereits bemerkbar

Der Rückgang irregulärer Migration auf der östlichen Mittelmeer-Route und dem Westbalkan hat vor allem einen Grund: Es kommen deutlich weniger Syrer. Sie stellten in den vergangenen Jahren den Grossteil der irregulären Migranten auf diesen Routen – insbesondere in den Rekordjahren 2022 und 2023. Doch schon im Oktober 2024 sank die Zahl der Ankünfte massiv.

Einen Monat später starteten die Jihadisten ihre Offensive und stürzten das Asad-Regime in Damaskus. Die EU und auch die Schweiz sistierten die Bearbeitung laufender Asylgesuche. Seither sinkt die Zahl der syrischen Migranten weiter.

Zwar ist die Lage in dem Land weiterhin instabil: Noch vor wenigen Wochen töteten jihadistische Milizen Hunderte Alawiten – die Minderheit, zu der auch Asad gehört. Dennoch kommen jetzt wieder so wenige Syrer irregulär in die EU wie letztmals vor sechs Jahren.

Der Rückgang fällt nicht nur der Frontex an den EU-Grenzen auf, auch beliebte Zielländer wie Deutschland spüren ihn deutlich. Dort sank die Zahl der Asylanträge von Syrern im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf weniger als die Hälfte. Das ist mit ein Grund, warum Deutschland derzeit nicht mehr Europas Spitzenreiter bei Asylanträgen ist. Auch die Schweiz verzeichnet seit Jahresbeginn einen Rückgang von Asylgesuchen aus dem Land im Nahen Osten.

Die Kanarischen Inseln erlebten einen Ansturm aus Westafrika

Nicht nur an den östlichen Aussengrenzen der EU kommen weniger Migranten irregulär über die Grenzen. Auch im Westen hat sich die Lage in den ersten Monaten des Jahres beruhigt. 2024 hatte die irreguläre Migration von Westafrika und Marokko aus auf die Kanarischen Inseln einen neuen Höchststand erreicht.

Einer der Haupttreiber der Migrationsbewegung war die Gewalteskalation im westafrikanischen Mali. Nachdem die Uno ihre zehnjährige Friedensmission Ende 2023 beendet und sämtliche Blauhelme abgezogen hatte, eskalierte der schwelende Krieg zwischen islamistischen Terrorgruppen und den malischen Streitkräften erneut. Viele Malier sahen in der Flucht den einzigen Ausweg. Mali wurde zu einem der wichtigsten Herkunftsländer auf dieser Migrationsroute.

Ein Jahr später hat sich die Lage im Land kaum beruhigt. Der Konflikt besteht fort, und eine politische Stabilisierung ist nicht in Sicht. Doch die Dynamik der Fluchtbewegung hat sich verändert: Die Zahl malischer Migranten auf dem Weg nach Europa ist deutlich gesunken. Auch Senegalesen und Mauretanier machen sich derzeit weniger auf den Weg von der westafrikanischen Küste nach Europa.

Ein Grund für den Rückgang ist die schärfere Kontrolle entlang der Küste. Spanien und die Frontex haben gemeinsam aufgerüstet: Patrouillenschiffe und Aufklärungsflugzeuge sind verstärkt im Einsatz, nicht nur vor den spanischen Inseln und Marokko, sondern auch in den Hoheitsgewässern von Senegal, Mauretanien und Kap Verde.

Ihre Befugnisse wurden jüngst ausgeweitet. Die EU und Spanien investieren zudem Milliardenbeträge in diese Länder, um Menschen von der Flucht nach Europa abzuhalten.

Ob sich diese auf die gefährliche Atlantikroute wagen, hängt aber nicht nur davon ab, wie streng kontrolliert und wie viel investiert wird. Auch die Wetterbedingungen auf hoher See, hohe Preise für Schlepper und das Risiko, auf der langen und gefährlichsten Route nach Europa vom Ozean verschluckt zu werden, hält manche zurück.

Tunesien stoppt irreguläre Migranten rigoros

Dass für viele Migranten aus Subsahara-Afrika nur noch die Route über Westafrika bleibt, hat auch politische Gründe. Die EU und die Grenzstaaten Spanien und Italien haben mit Marokko und im Juni 2023 auch mit Tunesien Abkommen geschlossen, die beide Länder verpflichten, irreguläre Migration zu stoppen.

Während die Vereinbarungen mit Rabat bereits seit Jahren greifen, setzt Tunis die neue Partnerschaft nun rigoros um. Im Gegenzug für Millionenzahlungen sorgt die tunesische Regierung dafür, dass die Seegrenze Richtung Italien weitgehend abgeriegelt ist.

Nicht nur Migranten aus Subsahara-Afrika werden seit dem Abkommen gestoppt, auch viele Tunesier kommen nicht mehr irregulär in die EU. Stattdessen steigen ihre Chancen, legal einreisen zu können. Die Zahl der irregulären Übertritte von Tunesiern ist deshalb eingebrochen: von rund 5400 im August 2023 auf jüngst nur noch etwa 150. Möglich macht das die Vereinbarung mit der EU, die Visaerleichterungen und legale Beschäftigung für tunesische Staatsbürger beinhaltet.

Aus Südasien kommen dafür mehr

Dennoch landen über die zentrale Mittelmeer-Route nach wie vor Tausende irreguläre Migranten in der EU. Die grösste Gruppe bilden in den letzten Jahren Zuwanderer aus Bangladesh. Das hat sich auch in diesem Jahr nicht geändert. Mit knapp 1500 Ankünften pro Monat kamen Anfang 2025 doppelt so viele Bangalen nach Italien wie ein Jahr zuvor.

Viele von ihnen landen zunächst in Ägypten, von dort bringen sie Schlepper über Libyen nach Italien. Angelockt werden sie mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Erfolgsgeschichten in den sozialen Netzwerken und aus dem Bekanntenkreis tun das Übrige. Inzwischen hat sich in Italien eine grosse Diaspora etabliert, die jeden Monat weiterwächst.

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