Samstag, April 12

Das Bundesverwaltungsgericht lässt die Zugabe von Heublumenpulver zu, damit die Löcher im Emmentalerkäse wieder grösser werden. Einblicke in einen fast schon philosophischen Rechtsstreit.

Natürlich beschäftigt sich das Bundesverwaltungsgericht auch mit Käse. Gerade die kleinen und feinen Dinge des Lebens haben es ja in Sachen Streitpotenzial in sich. Zum Beispiel Emmentaler. Seit zwanzig Jahren nämlich schwinden die Löcher im exportstärksten Käse der Schweiz.

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Dieser Löcherschwund müsse unbedingt abgewendet werden, finden die Emmentaler-Produzenten. Es ginge um nichts weniger als «die Sicherung eines Schweizer Kulturguts», wie Urs Schluechter, Direktor von Emmentaler Switzerland, in einer Mitteilung schreibt. Denn: Ist ein Emmentaler ohne Löcher überhaupt ein Emmentaler?

Als Wundermittelchen schlägt Emmentaler Switzerland «Lochansatzpulver» vor, einen natürlichen Zusatzstoff aus Heublumen. In Deutschland und Frankreich wird das Pulver längst angewendet. Doch das Bundesamt für Landwirtschaft versperrt sich. Also reichten die Emmentaler Käseproduzenten im Dezember 2023 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein.

Nun hat das Gericht entschieden. Das 17-seitige Urteil gibt Einblick in eine beinahe rechtsphilosophische Debatte über die Löcher im Emmentaler. Und erinnert so an den Lachanfall von alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz, der 2010 über die absonderlichen Zuständigkeiten des eigenen Politikbetriebs gestolpert war und es nicht mehr fertigbrachte, das Wort «Bünderfleisch» auszusprechen.

Mehr Hygiene, weniger Löcher

Jedenfalls: Die Löcher im Emmentaler haben mit Dreck zu tun. Seit der Einführung moderner Melkmaschinen gelangen weniger Heupartikel durch die Luft in die Milch. Und die braucht es, damit die bei der Gärung entstehende Luft die Käselöcher bildet. Den Löchern ist es in der modernen Käserei sozusagen zu sauber. Deswegen wollen die Käseproduzenten Lochansatzpulver aka Heublumenpulver einsetzen, die Milch also künstlich verunreinigen.

Aber was ist nun wichtiger: Hygiene oder Käselöcher? Technik oder das Ursprüngliche? Und vor allem: Ab wann ist ein Emmentaler ein Emmentaler?

Das Bundesamt für Landwirtschaft argumentierte, dass Heublumenpulver keine traditionelle Zutat sei. Es gelte ein Gleichgewicht zwischen Tradition und Innovation herzustellen. In den Augen des Bundesamts würde das Heublumenpulver den Emmentaler industrialisieren. Und schliesslich steht Schweizer Käse für Tradition, Ursprünglichkeit, Swissness.

Die Emmentaler-Produzenten hingegen warfen dem Amt Romantisierung und Ideologie vor. Es gehe nicht darum, die Reputation des Käses zu gefährden, sondern die Tradition der grossen Löcher zu erhalten.

«Die prägende Lochung des Emmentalers»

Und tatsächlich sind die Löcher im Käse nicht zu unterschätzen. Im Artikel 5 des Emmentaler-Pflichtenhefts ist eine «regelmässige, saubere, runde bis leicht ovale Lochung, mehrheitlich 2 bis 4 cm gross» als «organoleptische Eigenschaft» vorgeschrieben. Die Löcher erregen also die Sinne und helfen dabei, den Käse wiederzuerkennen. In einer Umfrage aus dem Jahr 2024 verbanden 93 Prozent der befragten Schweizerinnen und Schweizer Käselöcher direkt mit Emmentaler.

Das Bundesverwaltungsgericht entschied sich am Freitag für das Lochansatzpulver und damit für eine Art künstliche Verschmutzung der Milch. Zwar sei das Heublumenpulver kein traditionelles Mittel, wie es im Urteil heisst, aber es stelle ein «ursprüngliches, traditionelles Merkmal» von Emmentaler wieder her: die grossen Löcher.

Bei gewissen Käsereien drohe die «prägende Lochung und Identität von Emmentaler» verlorenzugehen. Und weiter: Wo natürlicherweise genug Käselöcher entstünden, solle kein unnötiges Heublumenpulver eingesetzt werden. «Sonst», so das Gericht, «werden die Löcher zu zahlreich.»

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