Der Aktienkurs des Solarmodul-Herstellers hat sich innerhalb eines Monats mehr als vervierfacht. Allerdings fehlt diesem Kursanstieg eine solide Grundlage, weil langfristig keine vielversprechenden Perspektiven erkennbar sind.

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Noch im November sah sich der Schweizer Solarmodul-Hersteller Meyer Burger mit riesigen Herausforderungen konfrontiert. Der wichtigste Kunde, das US-Unternehmen D.E. Shaw Renewable Investments (Desri), kündigte den Rahmenvertrag, der rund 90% des für 2025 und 2026 geplanten Umsatzes ausgemacht hätte.

Gleichzeitig betrug die Liquidität per Ende September nur noch 80 Mio. Fr. – angesichts einer Verschuldung von fast 400 Mio. Fr. und einem negativen Free Cash Flow ein alarmierender Wert.

Minus 99% auf 0.49 Fr. betrug der Kursverlust seit Jahresbeginn – bevor sich der Aktienkurs ab Anfang Dezember mehr als vervierfachte. Anfang Januar 2025 liegt der Kurs bei 2.36 Fr.

Der Kursanstieg erfolgte, nachdem sich das Unternehmen aus Thun eine Überbrückungsfinanzierung in der Höhe von 39,48 Mio. $ gesichert hatte. Diese Finanzspritze soll die notwendige Liquidität bereitstellen, um mit Anleihegläubigern und Desri endgültige Vereinbarungen zu treffen. Ziel ist eine nachhaltige Restrukturierung und langfristige Stabilität.

Zweifel an der Rettung sind angebracht. Seit dreizehn Jahren schreibt Meyer Burger Verlust und vernichtet dabei kontinuierlich Aktionärskapital – im Mai 2011 lag der Aktienkurs noch bei 1400 Fr. Auch die 2020 eingeleitete Neuausrichtung – vom Photovoltaik-Maschinenbauer hin zum Produzenten von Solarmodulen – brachte nicht die erhoffte Trendwende.

Meyer Burger fehlt die Grösse

Der ehemalige CEO Gunter Erfurt betonte mir gegenüber noch im Juni 2023, dass Meyer Burger die Lokomotive der europäischen Solarindustrie sei. Er hob die Überlegenheit der eigenen Heterojunction-Technologie hervor und machte chinesisches Preisdumping sowie mangelnde politische Unterstützung für den ausbleibenden Erfolg verantwortlich. Inzwischen ist Erfurt nicht mehr im Amt – im September übernahm Verwaltungsratspräsident Franz Richter den CEO-Posten.

Die führenden Mitbewerber sind gemessen am Umsatz mindestens um den Faktor 10 grösser, und die chinesische Konkurrenz hat technologisch und qualitativ stark aufgeholt, was die Wettbewerbsfähigkeit von Meyer Burger im anhaltenden Preiskampf weiter schmälert.

«Meyer Burger erreicht nicht die kritische Grösse. Die Produktionskosten des Unternehmens sind im globalen Konkurrenzvergleich nicht wettbewerbsfähig», sagt mir im Gespräch Bernd Laux, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank. Die Lieferung von Solarzellen aus Deutschland für die Modulproduktion in Goodyear, USA, führt dazu, dass Meyer Burger bzw. die Kunden nur einen Bruchteil der IRA-Steuergutschriften (Inflation Reduction Act) in den USA erhalten.

Zudem ist höchst ungewiss, ob die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unter der nächsten Regierung in den USA bestehen bleiben. Präsident Trump könnte beispielsweise die Anreizsysteme für Investitionen in erneuerbare Energien überarbeiten, etwa durch Reduzierung oder Abschaffung der Steuervergünstigungen.

«Die Solarzellen aus Thalheim in Sachsen-Anhalt sind unter den aktuellen Marktbedingungen die wirtschaftlichste Option für die Modulproduktion in den USA», entgegnet Anne Schneider, Kommunikationschefin von Meyer Burger. Zu möglichen Änderungen unter der Trump-Administration will sie sich nicht äussern, betont jedoch: «Medienberichte und Expertenmeinungen deuten darauf hin, dass die IRA-Steuergutschriften bestehen bleiben sollen.»

Die angespannte Situation von Meyer Burger präsentiert sich im Absatzvolumen von Solarmodulen, welches sich im Umsatz spiegelt, sowie im operativen Unternehmensergebnis (Ebit). Beide Kennzahlen zeigen ungeschminkt die anhaltenden Herausforderungen des Unternehmens.

Aktionäre als grosse Verlierer

«Die Wahrscheinlichkeit, den Desri-Vertrag zu retten, schätze ich auf maximal 50%», sagt ZKB-Analyst Laux. Selbst im Fall einer Wiederaufnahme des Vertrags dürften die Konditionen für Meyer Burger weniger vorteilhaft ausfallen als ursprünglich. Die gegenwärtigen Marktbedingungen sind deutlich schwieriger als noch vor zwei bis drei Jahren, als der Vertrag abgeschlossen wurde – die Marktpreise sind um 50 bis 80% gesunken, und Desri hat keinen Anreiz für Grosszügigkeit.

Die Kommunikationsverantwortliche von Meyer Burger will sich auf Anfrage nicht zu Details der Verhandlungen äussern, solange diese nicht abgeschlossen sind. Sie verweist aber auf Aussagen von CEO Franz Richter gegenüber der Nachrichtenagentur AWP, wonach die Chancen für einen neuen Vertrag mit Desri bei «über 50%» liegen.

Sollte Desri einen neuen, deutlich vorteilhafteren Vertrag aushandeln, ist zudem nicht auszuschliessen, dass auch der zweite Grosskunde, Ingka – der grösste IKEA-Einzelhändler –, eine Nachverhandlung des Vertrages anstrebt. Die vereinbarte Abnahmemenge beträgt etwa ein Fünftel der von Desri.

Eugen Perger, Head Equity Strategy bei Research Partners, sieht im Gespräch mit mir drei Interessengruppen, die noch am Überleben von Meyer Burger interessiert seien: Desri, die eine Absicherung gegenüber den chinesischen Lieferanten braucht; die Inhaber der Wandelanleihe sowie die Aktionäre. Dabei haben die Wandelobligationäre die grösste Macht und können die Bedingungen einer Umschuldung so diktieren, dass die bisherigen Aktionäre praktisch alles verlieren. Ein Überleben von Meyer Burger sei zugleich nur wahrscheinlich, wenn das Unternehmen zu einer Inhouse-Produktionslinie von Desri degradiert wird, meint Perger.

Fundamentaler Wert fehlt auch bei Vertrag mit Desri

Zur Misere hinzu kommt, dass Meyer Burger derzeit fast 400 Mio. Fr. an Finanzschulden hat, von denen ein erheblicher Teil 2027 und der Rest 2029 zur Rückzahlung fällig wird. Die Finanzierung dieser Rückzahlungen ist ohne frische Liquidität kaum realisierbar. Die einzige derzeit denkbare Alternative wäre eine Umwandlung von Schulden in Eigenkapital (Debt-to-Equity-Swap).

«Die angekündigte beabsichtigte weitere Finanzierung und die Schaffung einer nachhaltigen Finanz- und Kapitalstruktur sind Gegenstand laufender Verhandlungen, zu denen wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht äussern können», kommentiert Unternehmenssprecherin Schneider die Schuldensituation.

Die Zeit drängt: Bis Mitte Januar 2025 muss zumindest eine Refinanzierung stehen, denn dann muss die Brückenfinanzierung zurückgezahlt sein.

Für Laux besitzen die Meyer-Burger-Aktien daher insgesamt kaum noch einen fundamentalen Wert, selbst wenn ein möglicher Desri-Vertrag den Fortbestand des Unternehmens für einige Zeit sichert.

Besser nicht gutes Geld schlechtem hinterherwerfen

«Meyer Burger hat die Stärke der eigenen Marke überschätzt, gleichzeitig die Konkurrenz aus China und das tatsächliche Marktpotenzial in Europa unterschätzt», betont Perger. Zudem habe die Politik während des Ukraine-Kriegs zur überzogenen Euphorie rund um Meyer Burger beigetragen, indem sie die Bedeutung der Solarenergie für Europas Zukunft überhöht dargestellt habe.

Den jüngsten Kursanstieg auf über 2 Fr. halte ich in der Gesamtbetrachtung für ein Strohfeuer – Ausdruck fehlgeleiteter Hoffnungen vieler Aktionäre, die gutes Geld schlechtem hinterherwerfen. Es wäre an der Zeit, zu erkennen, dass sich die vielbeschworene Technologieführerschaft von Meyer Burger auch in einem Wachstumsmarkt nicht automatisch in nachhaltigen Geschäftserfolg ummünzen lässt.

Die Solarenergie wird zweifellos weiter ausgebaut, und die Energiewende schreitet voran. Dennoch wäre es nicht verwunderlich, wenn Meyer Burger – wie einst die deutschen Solarpioniere – vom Markt verschwinden würde. Für Investoren gibt es bessere Alternativen, auch im Westen, wie etwa das US-Unternehmen First Solar.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Manuel Boeck

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