Mittwoch, Oktober 30

Pedro Sánchez ebnet den Weg für eine Rückkehr des katalanischen Separatistenführers Puigdemont. Doch dieser erhebt immer neue Forderungen und bringt damit die Regierung ins Straucheln.

Vor wenigen Tagen hat Real Madrid den Supercup mit 4:1 gegen den FC Barcelona gewonnen. Auf der politischen Bühne ist jedoch gerade Katalonien in der Offensive. Es zwingt den spanischen Regierungschef Pedro Sánchez, das umstrittene Amnestiegesetz nachzubessern, damit der frühere katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont aus dem Brüsseler Exil nach Spanien zurückkehren kann, ohne eine Verhaftung befürchten zu müssen.

Zwar ist Puigdemont nicht mehr wegen «Rebellion» angeklagt im Zusammenhang mit der kurzzeitigen Ausrufung einer katalanischen Republik am 1. Oktober 2017. Doch in Spanien gibt es weiterhin einen Haftbefehl gegen ihn wegen «Veruntreuung öffentlicher Gelder und zivilen Ungehorsams» bei der Durchführung des Unabhängigkeitsreferendums vor gut sechs Jahren.

Der Regierungschef ist auf Puigdemonts Partei angewiesen

Dass Sánchez so sehr auf Puigdemont zugeht, hat damit zu tun, dass seine Regierung auf die Unterstützung der sieben Abgeordneten von Puigdemonts Partei Junts per Catalunya angewiesen ist. Das zeigte sich bereits vergangene Woche bei der ersten Abstimmung über ein Anti-Krisen-Massnahmenpaket der frisch gekürten Sánchez-Regierung, das dringend gutgeheissen werden musste, damit Madrid weitere EU-Fördermilliarden erhalten kann.

Junts hatte bis zum Schluss damit gedroht, dagegenzustimmen, falls die Regierung nicht auf neue Forderungen aus Katalonien eingehe. Im letzten Moment lenkte Junts nach einer Marathonsitzung ein, allerdings nur, weil Sánchez neue Kompetenzen für Kataloniens Regionalregierung in Aussicht stellte. Diese könnte künftig ein Mitspracherecht bei der Migrationspolitik in ihrer Region haben.

Dies ist ein wichtiges Thema, denn der Anteil der Einwanderer ist mit 16,3 Prozent in Katalonien innerhalb Spaniens am höchsten. In der Hauptstadt Barcelona liegt er gar bei über 22 Prozent. Normalerweise liegen die Kompetenzen beim Thema Zuwanderung bei der Zentralregierung in Madrid. Doch schon seit achtzehn Jahren drängen die Katalanen auf eine Änderung, bis anhin ohne Erfolg. Bisher besass Katalonien bereits die Zuständigkeit für Polizei und innere Sicherheit. Wenn jetzt auch noch die Zuwanderungspolitik hinzukäme, hätte die Region ähnliche Autonomiebefugnisse wie die kanadische Provinz Quebec.

Miriam Nogueras, Sprecherin von Junts, hatte schon vor Beginn der Legislaturperiode klargemacht, dass ihre Partei Pedro Sánchez auf keinen Fall automatisch unterstütze. Die Regierung müsse sich bei jeder Abstimmung die Zustimmung von Junts immer wieder neu erarbeiten, so Nogueras.

Die Opposition sieht darin Erpressung. Der Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo vom konservativen Partido Popular wird nicht müde, Sánchez vorzuwerfen, wegen sieben Stimmen die Würde der Nation verkauft zu haben. Soeben rief er seine Landsleute zu einer weiteren Grossdemonstration in Madrid am 28. Januar auf.

Auch das Baskenland will mehr Kompetenzen

Sánchez muss sich nicht nur auf neue Proteste auf der Strasse einstellen. Selbst in den eigenen Reihen sowie bei den Koalitionspartnern herrscht Unzufriedenheit. Eine Regierung könne sich nicht auf ein derartiges Feilschen einlassen, kritisierte Emiliano García-Page, Regionalpräsident von Kastilien-La Mancha und Sánchez’ grösster innerparteilicher Kritiker. Doch der Stein ist ins Rollen geraten. Auch andere kleine Parteien, die Sánchez unterstützen, verlangen neue Zugeständnisse. So will die bürgerliche baskische PNV nun ebenfalls die Zuwanderung allein steuern, um ihre Wähler bei der Stange zu halten.

Ebenso heikel für die Minderheitsregierung von Sánchez ist allerdings die Zerstrittenheit im linken Lager. Sein langjähriger Koalitionspartner Podemos hat mit seinen nur fünf Abgeordneten beim Abstimmungsmarathon der letzten Woche eine Reform des Arbeitslosengeldes zu Fall gebracht, die der Partei normalerweise gefallen müsste. Man ist bei Podemos verärgert darüber, dass man in der neuen Sánchez-Regierung mit keinem Ministerposten bedacht worden ist. Nachdem ein grosser Teil der einstigen Podemos-Wähler zur Sammelbewegung Sumar von Vizepräsidentin Yolanda Díaz übergelaufen ist, fühlt sich Podemos verraten und sinnt auf Rache.

Vor diesem Hintergrund muss Sánchez jeden Tag, den er im Amt überlebt, wie einen kleinen Sieg empfinden. Noch nie in der Geschichte der spanischen Demokratie musste eine Regierung derartige Balanceakte ausführen, um die Befindlichkeiten und Forderungen der «Verbündeten» zu erfüllen.

Doch das Ende der gegenwärtigen Regierung könnte bald erreicht sein. Das Amnestiegesetz wird vermutlich Ende April in Kraft treten. Dann wird Puigdemont zurückkommen und bei Sánchez auf die Erlaubnis für die Durchführung eines Referendums über die Abspaltung von Katalonien pochen. Das haben er und seine Mitstreiter immer wieder unmissverständlich klargemacht. Doch in diesem Punkt sind Sánchez von der Verfassung her die Hände gebunden. Spätestens dann dürften ihm die Unabhängigkeitsbefürworter die Unterstützung aufkündigen und Neuwahlen unumgänglich werden.

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