Die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft hat in den vergangenen zwölf Jahren drei WM-Medaillen gewonnen. Doch was kommt nach der heutigen Generation? Nicht viel.

Es war ein zufälliges Zusammentreffen, eine jener Begebenheiten, die einen aufhorchen und nachdenklich werden lassen: Am Donnerstagabend war beim letzten Test der Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft auf Schweizer Eis vor dem Start der Weltmeisterschaft Andres Ambühl in Kloten feierlich verabschiedet worden. Der mittlerweile 41-jährige Davoser wird seine Karriere in diesem Frühjahr beenden und wurde den grossen Leistungen entsprechend gefeiert.

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Am Morgen zuvor war aus Dallas die Nachricht eingetroffen, dass die Schweizer U-18-Nationalmannschaft an der Weltmeisterschaft in den USA nach einer 4:5-Niederlage im Penaltyschiessen gegen Norwegen abgestiegen ist. Es war die fünfte Niederlage im fünften Spiel. Unter den Resultaten sind unter anderem ein 0:10 gegen die USA und ein 3:10 gegen Schweden. Nach neunzehn Jahren in der A-Klassigkeit müssen die Schweizer erstmals wieder zurück in die B-Gruppe.

Glanz und Elend im Schweizer Eishockey

Glanz und Elend liegen im Schweizer Eishockey derzeit nahe beisammen. Noch vor einem Jahr wäre das Team von Patrick Fischer an der WM in Prag beinahe Weltmeister geworden. Im Final gegen den Gastgeber Tschechien fehlte möglicherweise nur etwas mehr Mut zum historischen Sieg. Immerhin blieb am Ende die dritte WM-Silbermedaille für die Schweiz in den letzten elf Jahren. Möglich gemacht wurden diese Resultate von einer aussergewöhnlichen Spielergeneration um ihren Captain Roman Josi.

Vor drei Wochen feierte Swiss Ice Hockey die letztjährige Silbermedaille im OYM von Cham mit der Premiere der Filmdokumentation mit dem Titel «Road to the Silver Medal 2024». Der Nationalcoach Patrick Fischer sagt darin, der Unterschied zur letzten Medaille 2018 in Kopenhagen sei riesig gewesen. Damals habe auf dem Heimflug in die Schweiz im Flugzeug Partystimmung geherrscht. Auf der Rückreise aus Prag sei die Stimmung gedrückt gewesen. Silber, das habe man mittlerweile langsam gesehen.

Patrick Fischer steht zu seiner Ambition, die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft zum WM-Titel führen zu wollen. Bisher war er als Assistent- (2013) und Head-Coach (2018, 2024) dreimal Teil einer erfolgreichen Schweizer Medaillen-Mission gewesen. Vor der WM in Herning und Stockholm sind die Erwartungen nicht mehr ganz so hoch. Wichtige Spieler wie eben Roman Josi, der sich derzeit von seiner sechsten Hirnerschütterung erholt, werden fehlen.

Road to the Silver Medal 2024

Wie genau das Team in Herning und Stockholm aussehen wird, wird sich in den kommenden Tagen weisen. Am Wochenende bestreitet das Team in Brünn die letzten Tests vor dem WM-Start gegen Tschechien und Finnland. Danach wird Fischer seine personelle Wahl für die WM treffen.

Doch der Coach blickt bereits voraus. 2026 wird für ihn und die Schweizer Nationalmannschaft ein grosses Jahr. Im Februar findet in Mailand das Olympiaturnier mit den NHL-Spielern statt, dann folgt im Mai die Heim-Weltmeisterschaft in Zürich und Freiburg (15. bis 31. Mai). Doch die goldene Schweizer Spielergeneration mit Roman Josi, Nino Niederreiter und auch Andres Ambühl wird langsam älter.

Ambühl wird die Schlittschuhe spätestens nach der kommenden WM endgültig ausziehen. Andere werden ihm in nicht allzu ferner Zukunft folgen. 15 der 26 Spieler aus dem letztjährigen Silber-Team sind mittlerweile 30 Jahre oder älter.

Und was kommt nach ihnen? Die Antwort auf diese Frage ist ernüchternd und führt zurück zur U-18-Nationalmannschaft. Im Schatten des Glanzes einer boomenden Liga wurde der Nachwuchs im Schweizer Eishockey sträflich vernachlässigt. Liga und Verband rieben sich in einem nutzlosen Machtkampf um Geld und Kompetenz auf. Die Swiss League, der wichtigste Unterbau der National League, ist ein Flickenteppich ohne Perspektiven und mit ungewisser Zukunft.

Langjährige Szenenkenner verfolgen die Entwicklung mit wachsendem Unbehagen. Seit Nico Hischier 2017 im jährlichen Spieler-Draft der NHL als Nummer 1 gezogen worden war, spielten die Schweizer dort kaum mehr eine Rolle. Die Ausnahme war Lian Bichsel, der im Sommer 2022 als Nummer 18 an die Dallas Stars ging.

Doch genau dieser Lian Bichsel ist im Schweizer Eishockey-Verband eine unerwünschte Person. Der 20-jährige Verteidiger bestritt in der laufenden Saison die ersten Partien in der NHL. Weil er einem Aufgebot in die U-20-Nationalmannschaft nicht Folge leistete und es vorzog, stattdessen für seinen schwedischen Klub Rögle in der Meisterschaft zu spielen, wurde er von der sportlichen Leitung des Verbandes bis 2026 von sämtlichen Aktivitäten des Nationalteams ausgeschlossen. Betroffen sind unter anderem auch das Olympiaturnier und die Heim-WM.

Im Vorfeld dieser WM suchte der Nationalmannschaftsdirektor Lars Weibel den Kontakt zu Bichsel wieder. Doch zu einer wirklichen Annäherung kam es nicht. Weibel sagt, er habe keine schlüssige Antwort erhalten. Derzeit spielt Bichsel mit seinen Dallas Stars in den Play-offs gegen die Colorado Avalanche. Die Serie steht derzeit 3:3. Das entscheidende Spiel 7 fand in der Nacht auf heute Sonntag in Dallas statt.

Wo sind die Josis von morgen?

Ein Leserbriefschreiber fasste nach den ersten ernüchternden Resultaten der U 18 in den USA in wenigen Punkten zusammen, wo er die Probleme sieht: «In zu weichen, verwöhnten Junioren, in Helikoptereltern, der Weigerung, Toptrainer im Verband zu installieren und zu zwingen, eng mit den Vereinen zusammenzuarbeiten, im Verband mit seinem Filz in den Nachwuchsteams.» So ging es weiter. Es war eine Art Abrechnung mit allen, die sich im Schweizer Eishockey engagieren.

Aller Polemik zum Trotz fand sich in der Abrechnung auch ein Funken Wahrheit. Es gibt im Schweizer Eishockey zu viel gegen- statt miteinander. Seit dem vergangenen Herbst führt Martin Baumann Swiss Ice Hockey als CEO. Er soll endlich wieder für Ruhe auf der Geschäftsstelle sorgen. Baumann sprach am Donnerstagabend in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen von «einem frappanten Leistungsunterschied», den er in Dallas gesehen habe. Man müsse nun die Hausaufgaben lösen, doch das könne der Verband nicht allein. Die Klubs seien mit in der Pflicht.

Die Thematik ist nicht neu. Als die Schweizer am Olympiaturnier 2018 in Pyeongchang mit allen ihren NHL-Spielern enttäuschten und an Deutschland scheiterten, schlug der ehemalige Davoser Kulttrainer Arno Del Curto einen runden Tisch vor, an dem über die Zukunft des Schweizer Eishockeys gesprochen werde. Der Vorschlag wurde mit Begeisterung aufgenommen, doch geschehen ist danach nichts. Im Gegenteil. Die Basis im Schweizer Eishockey bröckelt. Es fehlt an genügend gutem Nachwuchs und vor allem auch am Wettbewerb, an dem die hoffnungsvollen Talente wachsen können.

Heute suchen die talentiertesten Nachwuchsspieler den Weg ins Ausland, um dort zu reifen. Von den elf Spielern, die in der vergangenen Saison mehr oder weniger regelmässig in der NHL gespielt haben, schafften nur Roman Josi und Janis Moser den Sprung direkt aus der National League in eine Organisation in der NHL. Alle anderen wählten den Weg über Skandinavien oder eine der nordamerikanischen Juniorenligen. In der Schweiz fehlte ihnen die Konkurrenz, die sie zum Wachsen brauchen. Das sind keine guten Perspektiven für das Schweizer Eishockey.

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