Donnerstag, Dezember 26

Techfirmen investieren Hunderte von Millionen Dollar in humanoide Roboter. KI soll diese leistungsfähig machen.

Die Fortschritte bei der generativen künstlichen Intelligenz der letzten Monate sind eindrücklich. Sie lassen jetzt ein noch viel verwegeneres Ziel in Reichweite rücken: KI soll einen Körper erhalten, und zwar einen Körper in Menschengestalt.

Firmen, die Androiden entwickeln – humanoide Roboter –, werden derzeit von Investoren und grossen Technologiekonzernen regelrecht umworben.

Das kalifornische Jungunternehmen Figure AI zum Beispiel, das solche Maschinenmenschen entwickelt, hat vor kurzem 675 Millionen Dollar Kapital einsammeln können, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet.

Open AI und Jeff Bezos investieren

Fast noch eindrücklicher als diese Summe sind die Namen der Geldgeber: Darunter befinden sich etwa der Chat-GPT-Entwickler Open AI, der Amazon-Gründer Jeff Bezos, Nvidia, Samsung und Intel.

Figure AI ist gemäss der etwas grossspurigen Eigenwerbung «das erste KI-Roboter-Unternehmen, das einen universell einsetzbaren Humanoiden zum Leben erweckt». Die Firma verspricht, dass bereits ihr Modell Figure 01 «kommerziell nutzbar» sein wird. Und dass wir dereinst alle die Dienste einer Roboter-Haushaltshilfe in Anspruch nehmen können.

Natürlich gibt es eine ganze Reihe von Firmen, die das gleiche Ziel verfolgen. Das norwegische Startup 1X Technologies etwa konnte Anfang Jahr ebenfalls 100 Millionen Dollar aufnehmen – unter anderem von Samsung. Und auf die Unterstützung von Open AI kann 1X Technologies sogar bereits seit 2022 zählen.

Die Norweger entwickeln unter anderem Neo, einen 1,65 Meter grossen Roboter, der gehen, joggen, Treppen steigen, 30 Kilogramm heben kann und «sich ganz natürlich» im Raum bewegt. So zumindest beschreibt die Firma ihr Produkt.

Amazon als Grosskunde

Einer der wichtigsten Abnehmer von Androiden ist übrigens Amazon. Der Internetkonzern experimentiert in seinen Logistikzentren mit Digit – einem humanoiden Roboter der Firma Agility Robotics. Und Elon Musk, der bekanntlich erst bei ganz grossen Herausforderungen so richtig aufblüht, entwickelt seit 2021 innerhalb von Tesla den Allzweckroboter Optimus. Figure hat also viel Konkurrenz.

Weil die Hersteller ihren Maschinenwesen dank KI eine Art Intelligenz einhauchen können, sprechen sie gerne von KI-Robotern. Gemäss der Analysefirma Markets and Markets soll der Markt für KI-Roboter bis 2026 auf satte 35,3 Milliarden Dollar anwachsen.

«Das Interesse an humanoiden Robotern steigt exponentiell, und es arbeiten ausgezeichnete Teams an deren Entwicklung», sagt Robert Riener. Er ist Professor für sensomotorische Systeme an der ETH Zürich und hat letzten November eine Forschungsarbeit vorgestellt, in der er und seine Co-Autoren das Naheliegende taten: Sie verglichen die Leistungsfähigkeit der 27 besten Roboter mit jener des Originals, des Menschen.

Einsatz im Haushalt ist sehr anspruchsvoll

«Es ist mit raschen Verbesserungen zu rechnen», sagt Riener, um dann aber gleich einzuschränken: Er glaube trotzdem nicht, dass es in den nächsten zehn Jahren möglich sein werde, Roboter für allgemeine Haushaltarbeiten einzusetzen.

«Denn so unterschiedliche Arbeiten wie einen Geschirrspüler auszuräumen, einen Mixer einzuschalten oder Bücher einzuräumen, verlangen ein sehr hohes Mass an Vielseitigkeit und Geschicklichkeit.» Viel wahrscheinlicher sei der Einsatz für spezifische Routinearbeiten in Logistikzentren oder Fabriken.

Der von ihm und seinen Kollegen angestellte grosse Vergleich kommt zu dem Schluss, dass Roboter mittlerweile zwar die besseren Komponenten haben als wir Menschen. Die verbauten Mikrofone sind feinhöriger als unsere Ohren, die Kameras sehen schärfer als unsere Augen, die Antriebssysteme sind leistungsfähiger als unsere Muskeln.

Und trotzdem gelingt es bis jetzt nicht, diese hochwertigen Komponenten zu einem Gesamtsystem zusammenzubauen, das uns Menschen bei einzelnen Alltagsaufgaben überrunden kann – geschweige denn so vielseitig wäre wie wir.

Koppelung mit KI

Die Roboterbauer und ihre Kapitalgeber rechnen nun aber offenbar damit, dass dieser Gap dank KI schneller geschlossen werden kann als bisher gedacht.

Davon geht auch Riener aus: «Die Kopplung mit KI erlaubt Robotern, die Informationen ihrer Sensoren in Echtzeit auszuwerten und zu interpretieren, so dass sie ihre Umgebung besser verstehen. Roboter können dank KI schneller dazulernen», sagt er.

Allerdings müsse jeder einzelne Roboter die Lernkurve, wie er mit seiner Umgebung interagiere, selbst durchlaufen. Ausser, die Roboter des gleichen Bautyps seien miteinander vernetzt und könnten so Informationen austauschen.

KI werde auch dabei helfen, die Roboter-Hardware weiterzuentwickeln. «Das erstaunlichste Ergebnis unserer Studie ist ja, dass die einzelnen Komponenten von Robotern jenen der Menschen zwar klar überlegen sind, aber dass bei der Durchführung konkreter Aufgaben mit wenigen Ausnahmen trotzdem die Menschen besser abschneiden als die Roboter.

Es braucht also noch viel Optimierungsarbeit, und diese kann KI viel besser bewerkstelligen als wir Menschen.» Solche Berechnungen sind aufgrund der grossen Zahl von Variablen hochkomplex.

Wieso werden überhaupt Androide gebaut? Viele Firmen und Forscher entscheiden sich für Roboter auf Rädern oder mit vier Beinen. Hat der neue Fokus auf menschförmige Roboter vor allem mit Marketing zu tun und kulturellen Anleihen bei Science-Fiction-Filmen?

«Es ist technisch sehr anspruchsvoll, einen Serviceroboter auf zwei Beinen gehen zu lassen: Die heute verfügbaren Modelle bewegen sich unmenschlich steif und machen nur kleine, ungelenke Schritte, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren», sagt der ETH-Professor.

Wieso es Humanoide braucht

Er sieht dennoch gute Gründe für den aufrechten Gang: «Sollen Roboter mit Menschen interagieren, muss das auf Augenhöhe geschehen. Die Roboter sind nur nützlich, wenn sie in einer menschgemässen Umgebung funktionieren, also etwa Treppen gehen können oder einen Tisch abräumen können.»

Agility Robotics, der Hersteller des Androiden Digit, formuliert es so: «Digit wurde für die Gegebenheiten bestehender Arbeitsbereiche entwickelt. Die Kunden haben ihre Einrichtungen nach den Menschen und der Art, wie wir gehen, uns bewegen, greifen und arbeiten, gestaltet.»

Durch die Nutzung eines zweibeinigen, dynamisch stabilen Designs könne Digit in engen Bereichen arbeiten, ähnliche Höhen wie Menschen erreichen, Treppen, Rampen und in Aufzügen hinauf- und hinuntergehen und mit der realen Welt ähnlich wie ein Mensch interagieren.

Trotz dem neuen Enthusiasmus für Androide; wahrscheinlich wird es ähnlich herauskommen wie mit dem Versprechen der selbstfahrenden Autos: Bis humanoide Roboter vollständig autonom sind und nützliche Dinge wie unsere Haushaltsarbeit verrichten können, werden nicht bloss Jahre verstreichen, sondern Jahrzehnte.

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