König Charles und die Prinzessin von Wales wegen ihrer Erkrankung abzuschreiben, grenzt an Schwarzmalerei. Sie vermitteln dem Königshaus vielmehr eine Welle des Wohlwollens und der Sympathie.
Die doppelte Krebsdiagnose von König Charles und Prinzessin Kate ist ohne Frage ein Schock und eine schwere Belastung für die britische Königsfamilie. Niemandem würde man solche Ungewissheiten, Ängste und Belastungen wünschen, und doch kommen sie täglich in ungezählten Familien vor. Man kann den Betroffenen nur Glück, Energie und gute Genesung wünschen.
Die Bekanntgabe ihrer Krankheiten durch König Charles im Februar und Kate am vergangenen Freitagabend hat das Publikum in Grossbritannien und rund um die Welt berührt. Die Königsfamilie äusserte sich am Wochenende dankbar für die guten Wünsche, die in riesiger Zahl bei ihr eingegangen sind. Diese sind nicht nur ein Zeichen der Menschlichkeit und des Mitgefühls, sie belegen auch die Bedeutung des britischen Königshauses.
Die Monarchie ist nicht gefährdet
Was die Familie in dieser Lage allerdings gewiss nicht brauchen kann, sind die in vielen Medien verbreiteten düsteren Szenarien einer Gefährdung, in der sich die britische Monarchie in dieser schweren Zeit angeblich befindet. Aus vorgeschobener Sorge um deren Zukunft werden all die bekannten Probleme der jüngeren Zeit hervorgekramt, um sie als Belege einer angeblichen Krisenlage zu nutzen: Die selbstverschuldete Verbannung von Charles’ Bruder Andrew aus dem innersten Kreis der Royals durch seine Nähe zum verstorbenen pädophilen Milliardär Jeffrey Epstein. Die selbstverliebte Emanzipation Prinz Harrys von seinen royalen Bindungen. Der exzessive Drang nach kommerziell nutzbarer Aufmerksamkeit seiner amerikanischen Ehefrau Meghan. Die einstige Unpopularität von Charles’ Gemahlin Camilla. Wenn auch noch die verlässlichen Stützen Charles und Kate schwer erkranken, ist dann nicht automatisch das Königshaus in der Krise?
Das ist ein Trugschluss. Die Krebsdiagnose ist ohne Zweifel eine schwere Prüfung für die Familie und die beiden Patienten. Sie werden aber die weltweit bestmögliche medizinische Versorgung erhalten. Beide äusserten sich zuversichtlich, zu genesen und in absehbarer Zeit wieder ihren royalen Pflichten nachgehen zu können; Charles ist in reduziertem Umfang bereits wieder für das Land tätig. Es grenzt an Schwarzmalerei, die beiden Sympathieträger des Königshauses bereits abzuschreiben. Etwas mehr Optimismus wäre angebracht, nicht zuletzt auch als Zeichen der Hoffnung und der Solidarität mit den Patienten.
Und selbst wenn die beiden noch längere Zeit nicht in der Lage sein sollten, im gewohnten anstrengenden Umfang ihren Repräsentationspflichten nachzugehen, wird dem Königshaus nicht gleich der Kontakt zum Volk abhandenkommen. Prinz William muss sich zwar nun als Ehemann und Vater verstärkt um seine engste Familie kümmern. Als künftiger König und Nachfahre der eisern disziplinierten Queen Elizabeth II. ist ihm aber ohne Zweifel klar, dass seine royalen Pflichten Vorrang haben, wenn er gebraucht wird. Nichts deutet darauf hin, dass er diese vernachlässigen wird.
Zudem steht immer noch genügend royales Personal zur Verfügung, das Lücken vorübergehend füllen und dies auch als Chance wahrnehmen kann, prominenter in der Öffentlichkeit aufzutreten. Schliesslich kann das königliche Repräsentationsprogramm für eine gewisse Zeit etwas ausgedünnt werden, ohne dass dadurch die Grundfesten der Monarchie und des britischen Staates erschüttert werden.
Kates Videobotschaft ist eine Meisterleistung
Deplatziert ist auch der Wildwuchs von Verschwörungstheorien, Kritik und Belehrungen, die nach der Publikation von Kates Familienbild aus aller Welt an die Adresse des Königshauses ergangen ist. Ja, der mutmassliche Versuch, mit der Veröffentlichung einer bildtechnisch bearbeiteten Fotografie der Prinzessin von Wales und ihrer Kinder eine Botschaft der Zuversicht an die Welt zu senden, ist missglückt. Aber nein, daran werden das Vertrauen in die Monarchie und ihr Rückhalt in der britischen Gesellschaft nicht zerbrechen. Ganz im Gegenteil, Charles und Kate schaffen durch die ungewöhnlich offene Bekanntmachung ihrer Gesundheitsprobleme enorm viel Sympathie, Verständnis und Wohlwollen für das Königshaus.
Charles zeigt sich dadurch nahbar, verletzlich und menschlich. Sein gleichzeitig verbreiteter Optimismus gilt als Vorbild für alle an Krebs erkrankten Menschen. Auch der souveräne Auftritt Kates, wie sie gefasst, würdevoll und ganz ohne royalen Prunk auf einer einfachen Parkbank sass, dem Volk ihre Diagnose mitteilte und um Verständnis und Privatsphäre für sich und ihre Familie bat, dürfte in die Geschichtsbücher eingehen. Eindrücklicher und wirksamer können Mitglieder der königlichen Familie kaum für die Monarchie werben. Sie wird dadurch gestärkt und nicht geschwächt werden.