Das wegen eines Neubaus in Schieflage geratene Spital bekommt vom Kanton weitere 25 Millionen Franken. Und zwei Aufpasser.
Erst vor wenigen Wochen verbreitete das Kinderspital Zürich einen Optimismus, als sei seine existenzbedrohende Finanznot bewältigt. Das Spendenziel für den teuren Neubau der Stararchitekten Herzog & de Meuron sei fast erreicht, meldete das Spital um Weihnachten, 135 der angestrebten 150 Millionen Franken seien zusammengekommen. Der Bau war Anfang November unter grosser Beachtung in Betrieb gegangen. Jetzt aber kommen aus der Zürcher Kantonsregierung ganz andere Signale.
Die Lage des Kinderspitals sei weiterhin kritisch, meldet die Regierung am Donnerstagmorgen. Um den Betrieb zu sichern, sei eine weitere Subvention von 25 Millionen Franken notwendig. Im Gegenzug für die Finanzhilfe will der Kanton mehr Einfluss auf die strategische Führung des privat geleiteten Betriebs nehmen: Er entsendet als Aufpasser zwei Vertreter in den Stiftungsrat der Eleonorenstiftung, der Trägerin des Kinderspitals.
Es ist bereits das zweite Mal, dass der Kanton dem Kinderspital zu Hilfe eilen muss. Im April des letzten Jahres gab die Zürcher Gesundheitsdirektion bekannt, dass sie das Spital mit einem Darlehen von 100 Millionen Franken für den Neubau sowie einem Betriebsbeitrag von 35 Millionen Franken unterstützen wird.
Das Spital brauchte das Geld, weil die Kosten für den Neubau in der Lengg explodiert waren. Ursprünglich hätte dieser 500 Millionen Franken kosten sollen. Doch dann wurde es Schritt für Schritt immer mehr: Am Ende waren es 761 Millionen. Bis im Dezember 2023 hatte der Stiftungsrat praktisch das ganze Stiftungsvermögen verbrannt, um die Mehrkosten zu decken. Spätestens dann stand fest, dass es ohne Staatshilfe nicht gehen würde. Und so ersuchte die Spitalführung um Unterstützung vom Kanton.
Im Gegensatz zum Spital Wetzikon, dem der Kanton ein ähnliches Begehren nicht erfüllte, sprach der Regierungsrat damals das Geld für das Kinderspital. Dies, weil es als grösstes Spital dieser Art unentbehrlich für die Zürcher Gesundheitsversorgung sei. Allzu einfach wollte es der Regierungsrat dem Kinderspital gleichwohl nicht machen.
Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) stellte schon damals klar, dass der Kanton das Geld nur unter Auflagen bewilligt habe. Zudem werde man die Eleonorenstiftung, die private Betreiberin des Spitals, durchleuchten und untersuchen, warum es beim Neubau zu einer derartigen Kostensteigerung gekommen sei.
«Wenn irgendetwas nicht korrekt gelaufen ist, wird das Konsequenzen haben», sagte Rickli damals im Gespräch mit der NZZ. Das Kinderspital müsse aufzeigen, welche Massnahmen es umsetze, um ab 2026 wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. «Wir wollen nicht mehr in eine solche Situation geraten.»
Hauptursachen: Teuerung, Pandemie, Ukraine-Krieg
Der Untersuchungsbericht von externen Fachleuten, die im Auftrag Ricklis das Spital durchleuchtet haben, kommt jetzt zu folgendem Schluss: Der Eleonorenstiftung können keine eklatanten Verfehlungen vorgeworfen werden. Die massiven Kostensteigerungen beim Neubau des Spitals hätten nichts mit verfehlten Führungsstrukturen zu tun.
Es habe sich zwar gezeigt, dass die Kosten unter anderem auch deshalb aus dem Ruder gelaufen seien, weil in einem frühen Planungsstadium die bestellten Flächen im Neubau ausgeweitet worden seien. Der Hauptgrund seien aber externe Faktoren: die Teuerung, die Pandemie und der Ukraine-Krieg, der für Verzögerungen der Arbeiten sorgte. Die Experten weisen aber zugleich darauf hin, dass die Spitalführung beim Bauprojekt zu geringe Reserven eingeplant habe.
Der Kanton will die Stiftung nun nicht einfach wie bisher weitermachen lassen. Diese hat sich laut Einschätzung der kantonalen Stiftungsaufsicht zwar zweckmässig organisiert, um den Neubau zu bewältigen, doch wegen der grossen finanziellen Schwierigkeiten sei eine «intensive Aufsicht» notwendig.
Der Kanton, der seit 2015 nicht mehr im Stiftungsrat vertreten war, wird dies künftig gleich doppelt sein: Er entsendet als Aufpasser den Generalsekretär der Gesundheitsdirektion, Labinot Demaj, sowie den ehemaligen Spitaldirektor der Integrierten Psychiatrie Winterthur Hanspeter Conrad.
Die Kantonsregierung räumt mit diesem Schritt auch eigene Versäumnisse in der Vergangenheit ein. Denn die externen Fachleute liessen sie wissen: Hätte man nicht blind auf die Stiftung vertraut, sondern von Projektbeginn weg ein wirksameres Controlling gehabt, wäre die kritische finanzielle Lage des Kinderspitals früher erkannt worden.
Rickli verlangt vom Stiftungsrat ausdrücklich, dass dieser nun kostensenkende Massnahmen vorantreibt. Um den Betrieb des Neubaus zu optimieren und möglichst effizient zu werden, wird dem Spital zudem empfohlen, sich mit einer Fachperson für Immobilien zu verstärken.
Kantonsrat muss Subventionen bewilligen
Die zusätzlichen 25 Millionen Franken an Subventionen, die das Spital erhalten soll, müssen erst noch vom Kantonsrat bewilligt werden. Die Regierung hatte diesen Betrag bereits im Frühjahr 2024 in Aussicht gestellt, falls die finanzielle Schieflage fortbestehen sollte. Und weil die Lage des Spitals nach wie vor kritisch sei, habe die Stiftung inzwischen ein entsprechendes Gesuch eingereicht.
Die Verantwortlichen des Kinderspitals stellen es in einer Mitteilung so dar, als gehe es bald wieder bergauf. Man benötige die Subvention für den «vorübergehend defizitären» Spitalbetrieb. Dieser stehe primär wegen der Betriebsaufnahme im Neubau unter Druck, die Mehrkosten auslöse. Die Stiftung unterstreicht zudem, dass sie durch den Untersuchungsbericht entlastet worden sei und dass man ihr eine professionelle Führung attestiert habe.
Mehr folgt.