Mittwoch, April 16

Wegen Bauarbeiten müssen Blumen-, Gemüse- und Comestibles-Verkäufer ihre Ware woanders feilbieten. Das ist weniger schlimm als befürchtet.

Freitagmorgen im Herzen von Zürich. Die Sonne scheint, es ist einer der ersten schönen Frühlingstage des Jahres. Ein guter Tag für einen Einkauf auf dem Markt. Am Stand von Pasta Pierino zum Beispiel. Dort werden hausgemachte Ravioli angeboten. Jeden Freitag, jeden Dienstag. Den Stand der Schwyzer Pasta-Manufaktur gibt es seit Jahrzehnten.

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Gegenüber bietet Carmine Sileno italienische Spezialitäten feil: Oliven, Antipasti, Sughi, Käse. Heute erstmals im Angebot diese Saison: frische Mozzarella di Bufala. 100 Gramm kosten 5 Franken. Auch dieser Stand ist eine feste Grösse auf dem wichtigsten Wochenmarkt der Innenstadt.

Seit Anfang Jahr stehen Carmines Gourmet-Märt und Pasta Pierino allerdings nicht wie gewohnt auf dem Bürkliplatz, sondern 300 Meter stadteinwärts, auf dem Münsterhof. Der angestammte Platz des Wochenmarkts vor der Nationalbank wird derzeit saniert. Er soll ein neues Gesicht erhalten: mehr Bäume, mehr Schatten unter den Kronen und ein neues Kioskgebäude, das passenderweise aus Holz von Stadtzürcher Bäumen gebaut ist und in dem auch öffentliche WC untergebracht sein sollen. Kostenpunkt des Projekts: knapp 15 Millionen Franken.

Die Bauarbeiten dauern bis im Spätherbst. Bis dahin müssen die Marktfahrer und ihre Kunden auf die Fraumünsterstrasse oder auf den Münsterhof ausweichen.

Düstere Szenarien

Es ist eine Verschiebung, die viele Verkäufer skeptisch stimmte. Die Vereinigung der Marktfahrer von Zürich operierte mit düsteren Szenarien. Die Pläne der Stadt seien existenzbedrohend. Man werde Umsatzeinbussen von bis zu 50 Prozent erleiden, verkündete die Marktfahrer-Vereinigung im Februar 2024 an einer Medienkonferenz auf dem Bürkliplatz. «Das ist für uns nicht tragbar», sagte der Gemüsebauer Samuel Traub damals.

Auch Kommunalpolitiker machten sich Sorgen. Der Bürklimarkt ist schliesslich eine Institution. Ein Fixpunkt des Stadtlebens, vor allem im Sommerhalbjahr. Was gibt es Schöneres, als frühmorgens frische Lebensmittel oder Margriten, Geranien, Petunien, Hortensien, Aztekengold, Glockenblümchen sowie Basilikum, Petersilie und Schnittlauch zu erstehen und damit über die Quaibrücke zu spazieren, einem neuen Arbeitstag entgegen?

Und so wollten die Gemeinderäte Flurin Capaul (FDP) und Ivo Bieri (SP) im vergangenen Jahr vom Stadtrat wissen, wie lange der Marktbetrieb auf dem Bürkliplatz ausgesetzt werde. Zum Zeitpunkt der schriftlichen Anfrage der beiden Politiker im Januar 2024 rechnete man offenbar mit dem Schlimmsten: einem kompletten Ausfall während der gesamten Bauzeit des Projekts. Kein Wochenmarkt, kein Flohmarkt am Samstag, bis der neue Platz endlich fertiggestellt ist.

Eine schreckliche Vorstellung. Vor allem für die Marktfahrer, die auf dem Bürkliplatz einen wichtigen Teil ihres Lebensunterhalts verdienen.

Doch der Stadtrat konnte Entwarnung geben. Eine Alternative zum gewohnten Standort werde während der gesamten Bauzeit zur Verfügung stehen, schrieb die Regierung zwei Monate später in ihrer Antwort auf die Anfrage von Capaul und Bieri.

Aber damit war die Kontroverse noch nicht vom Tisch. Denn von der Ersatzlösung in der Fraumünsterstrasse, den beiden Seitenstrassen Kappelergasse und Börsenstrasse und auf dem Münsterhof wollten die Marktfahrer zunächst nichts wissen.

Das Hauptargument der Blumen-, Gemüse- und Comestibles-Anbieter dagegen: zu wenig Parkplätze für Kunden, da Parkplätze in den besagten Strassen aufgehoben werden müssten, um Platz zu schaffen für den verschobenen Bürklimarkt (ein interessantes Dilemma). Ausserdem werde die Verkaufsfläche stark auseinandergerissen. Warum den Markt also nicht auf dem Münsterhof und die umliegenden Seitenstrassen konzentrieren, wie die Marktfahrer es sich gewünscht hätten?

Das war offenbar nicht möglich. Der Münsterhof gilt als einer der schönsten Plätze der Stadt. Er ist entsprechend begehrt. Pasta Pierino, Carmines Gourmet-Märt und die anderen Stände des Marktes müssen ihn sich mit Restaurants, Cafés, lärmigen Kippladern und anderen Veranstaltungen teilen. Am 9. Mai beispielsweise müssen die zwischenplatzierten Verkäufer abermals umziehen, und zwar in die Kappelergasse. Ebenso am 13. und am 27. Juni.

Das sorgt für Unmut. «Die Hälfte unserer Kunden hat uns immer noch nicht gefunden», ärgert sich Carmine Sileno an diesem Freitagmorgen hinter seinem Stand. Marktstimmung komme so keine auf. Er fühlt sich abgeschnitten vom übrigen Geschehen in der Fraumünsterstrasse. Zwischen dem Münsterhof und der «Hauptallee» des Marktes klafft tatsächlich eine Lücke. Akzentuiert wird die Zerstückelung durch ein Absperrgitter samt Fahrverbotsschild.

Eine Kundin von Sileno sieht es ähnlich: Die «Aktion Bürkliplatz-Sanierung» sei zwar nicht ganz so katastrophal organisiert wie die Rad-WM im vergangenen Jahr. Aber zum Einkaufen sei die Ersatzlösung dennoch suboptimal.

Ein guter Markttag

Eine Grossmutter mit Enkel und Kinderwagen widerspricht: Die Fraumünsterstrasse habe französisches Flair. Das komme nun endlich zur Geltung. Parkplätze vermisst sie nicht. «Ich fahre ohnehin mit dem Tram zum Einkaufen.» Michael Schnüriger, der Inhaber von Pasta Pierino, will sich die gute Laune ebenfalls nicht verderben lassen. «Die Leute kommen trotzdem zu uns, wenn auch vielleicht etwas später als an unserem alten Platz auf dem Markt.»

In der Fraumünsterstrasse zeigt sich: Es ist ein guter Markttag. Viele Kundinnen und Kunden, viel Gemüse, viele Blumen und Kräuter, viele zufriedene Gesichter. Kinderkrankheiten gibt es weiterhin. Zum Beispiel Autos, die trotz Parkverbot ab 5 Uhr immer noch in den Strassen stehen und dann abgeschleppt werden müssen. Oder Automobilisten, die kaum warten können, bis die Verkäufer die Stand- beziehungsweise Parkplätze um 13 Uhr wieder freigegeben haben. Die dunklen Szenarien vom vergangenen Jahr indes scheinen sich nicht bewahrheitet zu haben. Auch Petra Mörgeli, die Präsidentin der Marktfahrer-Vereinigung, hat an ihrem Obst- und Gemüsestand alle Hände voll zu tun an diesem Freitagvormittag.

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