Montag, November 25

Auch Hintergrundmusik im Freien soll in Zukunft erlaubt sein. Das passt allerdings nicht allen.

Was haben die Zürcherinnen und Zürcher geschimpft über die Europaallee. Kalt und abweisend sei die Überbauung am Hauptbahnhof, eine Betonwüste, auf der sich niemand freiwillig aufhalten wolle.

Sogar der emeritierte Architekturprofessor Kees Christiaanse, der «Erfinder» der Europaallee, kritisierte nach deren Fertigstellung im Jahr 2020 den Drang, in der Stadt alles versiegeln zu wollen. Christiaanse sprach in der NZZ von einer «Asphaltkrankheit in Zürich».

Tatsächlich hat es einige Zeit gedauert, bis aus der Europaallee ein einigermassen akzeptierter Stadtteil wurde. Heute säumen Läden, Bars und Restaurants die Lagerstrasse, im Sommer sitzen die Gäste draussen, einige wenige Ginkgo-Bäumchen spriessen und spenden dezent Schatten. Bis zum letzten Frühling war man als Passantin fast versucht zu sagen: Sieht gemütlich aus hier.

Das war, als die Restaurants draussen noch farbige Lichter und Dekoration aufhängen durften. Dann schritt die Stadt Zürich ein und verbot die Aussenbeleuchtung.

Ärger bei Gastronomen

Die ist nämlich, gemäss dem elfseitigen «Leitfaden Boulevardgastronomie», nicht erlaubt. Verboten sind auch Bodenbeläge, Sonnensegel, Dekorationen, Kunstobjekte, Feuerstellen, Zäune, Musik, Heizungen und so weiter – also eigentlich fast alles, was nicht direkt für den Betrieb eines Restaurants benötigt wird. Und so mussten zahlreiche Bars und Beizen ihre Beleuchtungen und Dekorationen wieder entfernen. Auch andere Gastrobetriebe in der Stadt wurden ermahnt, die Bestimmungen im Leitfaden zu befolgen – sehr zum Ärger der Betroffenen.

Das Unverständnis war auch deshalb so gross, weil die Stadt der Gastronomie nach der Pandemie mehr Freiheiten gewährt hatte: Sie durfte ihre Boulevardflächen vergrössern, und seit diesem Jahr können Boulevardcafés sowie Gartenrestaurants ihre Gäste in den Sommerferien am Wochenende bis zwei Uhr morgens bewirtschaften. «Mediterrane Nächte» heisst dieses Konzept.

Das forsche Vorgehen der Stadt an der Europaallee hat Politiker von links bis rechts auf den Plan gerufen. Nun hat eine breite Mehrheit des Stadtparlaments am Mittwoch insgesamt fünf Vorstösse an den Stadtrat überwiesen, um mindestens einen Teil der sehr zahlreichen Vorgaben für Gastronomen zu lockern. Diese seien «veraltet, realitätsfern und unnötig erschwerend», sagte Yasmine Bourgeois (FDP).

Künftig sollen nicht nur Aussenbeleuchtungen, sondern auch Hintergrundmusik erlaubt sein. Zudem dürfen Gastrobetriebe die Bestuhlung auf Parkplätze direkt vor dem Haus ausweiten. Und um noch mehr Leben in die Europaallee zu bringen, soll der öffentliche Raum mit zusätzlichen Bepflanzungen und Mobiliar ausgestattet werden.

In vollkommener Eintracht hat das Parlament die Vorstösse freilich nicht überwiesen. Vor allem AL und Grüne monierten, dass sich die Politik von der «Gastro-Lobby» instrumentalisieren lasse. Urs Riklin (Grüne) sagte: «Man könnte meinen, dass Nicolas Kern unter uns sitzt.» Kern ist Präsident von Gastro Stadt Zürich.

Michael Schmid (AL) kritisierte die zunehmende «Kommerzialisierung» des öffentlichen Raums und bezeichnete etwa die Forderung nach Hintergrundmusik als «arroganter Geringschätzung gegenüber dem Ruhebedürfnis all derer, die sich nicht aussuchen können, wo sie wohnen und in welches hippe Café sie gehen».

Weniger Parkplätze? Bürgerliche halten dagegen

SVP, FDP und die Mitte wiederum störten sich daran, dass Parkplätze zugunsten von Aussenbestuhlungen aufgegeben werden sollten, wie es die SP anregte. Karin Weyermann (Mitte) gab zu bedenken, vor einer Streichung zumindest das Bedürfnis der Anwohner nach Parkplätzen abzuklären, was die SP aber ablehnte.

Die Stadt war bereit, sämtliche Postulate entgegenzunehmen. Die Boulevardgastronomie geniesse zurecht grosse Sympathien, erklärte die zuständige Stadträtin Simone Brander (SP). Doch diese befinde sich auf öffentlichem Grund – «und der gehört eben allen». Ein Interesse dürfe nicht höher gewichtet werden als alle anderen. Gerade in den Sommermonaten wolle man jedoch ein attraktives Angebot ermöglichen.

Die Chancen stehen somit gut, dass Beizen ihre Aussenbeleuchtung bald wieder montieren dürfen, ohne dass der Amtsschimmel angaloppiert.

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